Tag 3: Las Cuevas de Bellamar und der Mirador Monserrat
Anarchistenherz

Freitag, 9. Februar 2007
Matanzas
Um zehn Uhr sind wir mit Humberto vor der Kathedrale verabredet. Er erwartet uns bereits und schlägt eine Planänderung vor. Anstelle des Mirador Monserrat, einem Aussichtspunkt über Matanzas, fahren wir zunächst zu den Cuevas de Bellamar, einem Tropfsteinhöhlensystem acht Kilometer südöstlich der Stadt.
Unsere erste Busfahrt ist äußerst stylish: Zunächst einmal wird der Bus durch heftiges Winken angehalten. Eine gekennzeichnete Bushaltestelle scheint es nicht wirklich zu geben. Die Busse sind eigentlich immer voll und – typisch kubanisch – mit Leben gefüllt. Kubaner scheinen den ganzen Tag zu reden – das mit Abstand kommunikativste Volk, dem wir je begegnen durften.
Die hintere Tür des Busses schlackert hin und her; fahren wir über einen etwas größeren Stein oder bergauf, öffnet sie sich sogar von alleine.
Die Busstrecke geht quer durch Matanzas. Wir kommen am uralten Baseballstadion vorbei, das um 1870 erbaut wurde, und sehen einen GemĂĽsemarkt, der aus einer Ansammlung von WellblechhĂĽtten besteht.
Die wirklich sehr schönen Cuevas de Bellamar wurden 1861 von chinesischen Steinbrucharbeitern entdeckt und – aus Angst vor Dämonen – sofort wieder vergessen. 1948, ganze 87 Jahre später, wurden sie dann zum zweiten Mal entdeckt. Die Höhlen sind knapp zwei Kilometer lang und das bekannteste Höhlensystem Kubas.
Humberto will nicht mit hinunter, weil er die Cuevas »schon auswendig kennt«. Bekki und ich bezahlen die fälligen fünf CUC pro Person, sparen die optionalen fünf CUC für meine Kamera und begeben uns zum Eingang der Höhlen. Und wie der Zufall es so will, platzt plötzlich eine japanische Reisegruppe in die Szene. Selbstverständlich werden wir nicht enttäuscht: Lustige Geräusche des Erstaunens, kollektives Gelächter und die ständige Wiederholung neu dazugelernter Wörter machen den Höhlenspaziergang um einiges amüsanter. So fällt es auch in keiner Weise auf, dass Bekki und ich uns der Situation anpassen und die neu dazugelernten Wörter ebenso lauthals und mit einem Dauergrinsen wiederholen.
Als uns eine Japanerin mit ihrer Taschenlampe kurz den Weg leuchtet, möchte ich den Bund mit der Gruppe zusätzlich vertiefen und bedanke mich fröhlich mit: »Arrigatô!«
Daraufhin dreht sich die nette Japanerin um und erklärt uns, dass sie alle aus Hongkong kommen. Ups.
Der Held der nun also chinesischen Truppe heißt »Bobby«: Sobald Informationen unseres sehr gut englisch sprechenden Tourguides von den Damen und Herren aus dem Fernen Osten nicht verstanden werden, springt Bobby ein und übersetzt. Fortan wird bei jedem Verständnisproblem gellend: »Bobby!« gerufen und jede einzelne Taschenlampe auf den sprachbegabten Chinesen gerichtet.
Nach einer knappen Stunde ist die amüsante Wanderung durch die warme Höhle vorbei.
Unser nächstes Ziel ist der Mirador Monserrat: Der Ausblick ist nicht der Wahnsinn, aber schön. Auf dem Gipfel des Hügels befinden sich eine spanische Ruine und ein Abenteuerspielplatz mit Riesenrad, weshalb der Bus ordentlich mit Kindern gefüllt ist. Außerdem scheint dies der Ort für Matanzas Romantiker zu sein. Man fühlt sich hier wie in einem James-Dean-Film, beobachtet man die kubanischen Paare, die neben ihren frisch geputzten Chevrolets, Baujahr 1954, sitzen und picknicken. Truthahngeier kreisen über der Stadt, ein paar vereinzelte Pferde weiden. Es ist nicht ungemütlich hier oben.
Humberto nutzt ein weiteres Mal die Gelegenheit, uns sein Leid zu klagen. Je mehr er erzählt, desto mehr können wir seinen »Werdegang« nachvollziehen:
Seine Familie scheint eine ziemlich militaristische Dynastie gewesen zu sein. So waren sowohl sein Vater als auch sein Großvater in der Armee. Und wer für Batista kämpfte, dürfte wohl auch äußerst schwer vom Gegner für dessen Ideen überzeugt werden. Das gestern angesprochene Haus bekommen wir zwar nicht zu sehen, doch alleine die bloße Erwähnung einer herrschaftlichen Villa, die ihnen offenbar enteignet wurde, ergänzt das Puzzle um ein weiteres Teilchen.
Bevor wir uns von Humberto verabschieden, trinken wir – zurück in der Stadt – noch gemeinsam einen Café Cubano und lassen uns von ihm auf der Straße Peso Convertibles gegen Peso Cubano umtauschen. Vermutlich werden wir ihn nicht mehr wiedersehen, da wir morgen einen Strandtag in Varadero einlegen möchten und übermorgen bereits Matanzas in Richtung La Habana verlassen werden.

Am Abend, bei chicharritas (Bananenchips) und wesentlich besserem Bier als gestern (Cristal), lernen wir Lars kennen. Der sympathische Däne erzählt uns, dass er seine Rundreise gerade beendet und in all den Wochen nie in einem so schönen Casa übernachtet hat. Oha.
Wir wollen uns ins Nachtleben der ciudad dormida, der »schlafenden Stadt«, stürzen. Schließlich ist Matanzas der Geburtsort des Danzón! Um 1920 hatte der »Tanz der Millionen« plötzlich ein Ende und die Stadt versank in eine Lethargie, die ihr den nicht gerade nach Abenteuer klingenden Beinamen verpasste. Tja, und der Name scheint auch heute noch Programm zu sein: nichts los hier. Nur ein paar Jungs vom Parque Libertad sind unterwegs – unter ihnen Alexis Gonzales. Doch die wissen auch nicht so recht, was in Matanzas so abgeht.
So wird aus unserer krassen Partynacht also nur ein netter kleiner Spaziergang, der allerdings auch noch seinen lustig sympathischen Höhepunkt finden soll: Denn schon wieder werden wir von hinten angequatscht: »¡Hey, compañero!«
Hinter uns stehen vier zuckersüße Kubanerinnen zwischen vier und elf Jahren, die fotografiert werden wollen. Presentamos: ¡las chicas más bonitas de Matanzas!: