Tag 3: Las Cuevas de Bellamar und der Mirador Monserrat

Anarchistenherz

2007 02 09 17.32.13 edited

Freitag, 9. Februar 2007
Matanzas

Zum FrĂŒhstĂŒck lernen wir heute den polvorĂłn kennen. Ein PolvorĂłn ist ein SchmalzgebĂ€ck mit einem Guavenmarmeladenkern. Sehr köstlich und sehr bröckelig.

Um zehn Uhr sind wir mit Humberto vor der Kathedrale verabredet. Er erwartet uns bereits und schlĂ€gt eine PlanĂ€nderung vor. Anstelle des Mirador Monserrat, einem Aussichtspunkt ĂŒber Matanzas, fahren wir zunĂ€chst zu den Cuevas de Bellamar, einem Tropfsteinhöhlensystem acht Kilometer sĂŒdöstlich der Stadt.

Unsere erste Busfahrt ist Ă€ußerst stylish: ZunĂ€chst einmal wird der Bus durch heftiges Winken angehalten. Eine gekennzeichnete Bushaltestelle scheint es nicht wirklich zu geben. Die Busse sind eigentlich immer voll und â€“ typisch kubanisch â€“ mit Leben gefĂŒllt. Kubaner scheinen den ganzen Tag zu reden â€“ das mit Abstand kommunikativste Volk, dem wir je begegnen durften.
Die hintere TĂŒr des Busses schlackert hin und her; fahren wir ĂŒber einen etwas grĂ¶ĂŸeren Stein oder bergauf, öffnet sie sich sogar von alleine.
Die Busstrecke geht quer durch Matanzas. Wir kommen am uralten Baseballstadion vorbei, das um 1870 erbaut wurde, und sehen einen GemĂŒsemarkt, der aus einer Ansammlung von WellblechhĂŒtten besteht.

Die wirklich sehr schönen Cuevas de Bellamar wurden 1861 von chinesischen Steinbrucharbeitern entdeckt und â€“ aus Angst vor DĂ€monen â€“ sofort wieder vergessen. 1948, ganze 87 Jahre spĂ€ter, wurden sie dann zum zweiten Mal entdeckt. Die Höhlen sind knapp zwei Kilometer lang und das bekannteste Höhlensystem Kubas.
Humberto will nicht mit hinunter, weil er die Cuevas »schon auswendig kennt«. Bekki und ich bezahlen die fĂ€lligen fĂŒnf CUC pro Person, sparen die optionalen fĂŒnf CUC fĂŒr meine Kamera und begeben uns zum Eingang der Höhlen. Und wie der Zufall es so will, platzt plötzlich eine japanische Reisegruppe in die Szene. SelbstverstĂ€ndlich werden wir nicht enttĂ€uscht: Lustige GerĂ€usche des Erstaunens, kollektives GelĂ€chter und die stĂ€ndige Wiederholung neu dazugelernter Wörter machen den Höhlenspaziergang um einiges amĂŒsanter. So fĂ€llt es auch in keiner Weise auf, dass Bekki und ich uns der Situation anpassen und die neu dazugelernten Wörter ebenso lauthals und mit einem Dauergrinsen wiederholen.
Als uns eine Japanerin mit ihrer Taschenlampe kurz den Weg leuchtet, möchte ich den Bund mit der Gruppe zusÀtzlich vertiefen und bedanke mich fröhlich mit: »ArrigatÎ!«
Daraufhin dreht sich die nette Japanerin um und erklÀrt uns, dass sie alle aus Hongkong kommen. Ups.
Der Held der nun also chinesischen Truppe heißt »Bobby«: Sobald Informationen unseres sehr gut englisch sprechenden Tourguides von den Damen und Herren aus dem Fernen Osten nicht verstanden werden, springt Bobby ein und ĂŒbersetzt. Fortan wird bei jedem VerstĂ€ndnisproblem gellend: »Bobby!« gerufen und jede einzelne Taschenlampe auf den sprachbegabten Chinesen gerichtet.
Nach einer knappen Stunde ist die amĂŒsante Wanderung durch die warme Höhle vorbei.

Unser nĂ€chstes Ziel ist der Mirador Monserrat: Der Ausblick ist nicht der Wahnsinn, aber schön. Auf dem Gipfel des HĂŒgels befinden sich eine spanische Ruine und ein Abenteuerspielplatz mit Riesenrad, weshalb der Bus ordentlich mit Kindern gefĂŒllt ist. Außerdem scheint dies der Ort fĂŒr Matanzas Romantiker zu sein. Man fĂŒhlt sich hier wie in einem James-Dean-Film, beobachtet man die kubanischen Paare, die neben ihren frisch geputzten Chevrolets, Baujahr 1954, sitzen und picknicken. Truthahngeier kreisen ĂŒber der Stadt, ein paar vereinzelte Pferde weiden. Es ist nicht ungemĂŒtlich hier oben.

Humberto nutzt ein weiteres Mal die Gelegenheit, uns sein Leid zu klagen. Je mehr er erzÀhlt, desto mehr können wir seinen »Werdegang« nachvollziehen:
Seine Familie scheint eine ziemlich militaristische Dynastie gewesen zu sein. So waren sowohl sein Vater als auch sein Großvater in der Armee. Und wer fĂŒr Batista kĂ€mpfte, dĂŒrfte wohl auch Ă€ußerst schwer vom Gegner fĂŒr dessen Ideen ĂŒberzeugt werden. Das gestern angesprochene Haus bekommen wir zwar nicht zu sehen, doch alleine die bloße ErwĂ€hnung einer herrschaftlichen Villa, die ihnen offenbar enteignet wurde, ergĂ€nzt das Puzzle um ein weiteres Teilchen.
Bevor wir uns von Humberto verabschieden, trinken wir â€“ zurĂŒck in der Stadt â€“ noch gemeinsam einen CafĂ© Cubano und lassen uns von ihm auf der Straße Peso Convertibles gegen Peso Cubano umtauschen. Vermutlich werden wir ihn nicht mehr wiedersehen, da wir morgen einen Strandtag in Varadero einlegen möchten und ĂŒbermorgen bereits Matanzas in Richtung La Habana verlassen werden.

2007 02 09 18.11.48 edited

Am Abend, bei chicharritas (Bananenchips) und wesentlich besserem Bier als gestern (Cristal), lernen wir Lars kennen. Der sympathische DĂ€ne erzĂ€hlt uns, dass er seine Rundreise gerade beendet und in all den Wochen nie in einem so schönen Casa ĂŒbernachtet hat. Oha.

Wir wollen uns ins Nachtleben der ciudad dormida, der »schlafenden Stadt«, stĂŒrzen. Schließlich ist Matanzas der Geburtsort des DanzĂłn! Um 1920 hatte der »Tanz der Millionen« plötzlich ein Ende und die Stadt versank in eine Lethargie, die ihr den nicht gerade nach Abenteuer klingenden Beinamen verpasste. Tja, und der Name scheint auch heute noch Programm zu sein: nichts los hier. Nur ein paar Jungs vom Parque Libertad sind unterwegs â€“ unter ihnen Alexis Gonzales. Doch die wissen auch nicht so recht, was in Matanzas so abgeht.

So wird aus unserer krassen Partynacht also nur ein netter kleiner Spaziergang, der allerdings auch noch seinen lustig sympathischen Höhepunkt finden soll: Denn schon wieder werden wir von hinten angequatscht: »¥Hey, compañero!«
Hinter uns stehen vier zuckersĂŒĂŸe Kubanerinnen zwischen vier und elf Jahren, die fotografiert werden wollen. Presentamos: ÂĄlas chicas mĂĄs bonitas de Matanzas!:

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