Tag 50: Indianertag
Anarchistenherz
Mittwoch, 28. März 2007
Banes – Guardalavaca
Wir fahren nach Guardalavaca und besprechen mit meinen Eltern die Lage. Wir versuchen, aufgrund von ab und an aufkeimendem Sonnenschein, einen Strandtag einzuleiten. Nach drei Minuten Strandaufenthalt beginnt es jedoch wieder zu schĂĽtten, und wir ĂĽberlegen uns einen Alternativplan.
Oberhalb des recht nahegelegenen Dorfes Yaguajay[1] liegt an einer einmal mehr miserablen StraĂźe das Museo Chorro de la MaĂta. Hier hat eine kubanische Familie beim Bau eines AuĂźenklos in den 80er Jahren eine indianische Grabstätte entdeckt. Die größte bekannte Grabstätte dieser Art zeigt knapp 60 Skelette mit Grabbeilagen, die in der Embryonalhaltung beigesetzt wurden. Ganz nett und mit kleiner FĂĽhrung, aber man kann auch weiterleben ohne dieses Museum gesehen zu haben. GegenĂĽber dem Museum hat man ein Dorf der TaĂnos nachgebaut. Nachdem wir schon fĂĽr das kleine Museum zwei CUC pro Person zahlen mussten, verzichten wir auf die Besichtigung des Dorfes, die noch mal drei CUC pro Person kosten wĂĽrde. Soviel Neues wird man dort auch nicht erfahren. Fotografieren kostet sowohl im Dorf als auch im Museum natĂĽrlich wieder einen CUC extra. Videoaufnahmen sogar fĂĽnf (!) Peso Convertible.

Auch von auĂźen hat man einen schönen und vor allem kostenlosen Blick auf das TaĂno-Dorf.
Wir fahren weiter nach Banes. Dort angekommen, zeigen wir meinen Eltern erst einmal, wie so ein Casa Particular aussieht. Unser netter und extrem zuvorkommender Casa-Vater kocht sofort Kaffee fĂĽr alle, und so sitzen wir fĂĽnf vor unserem „Schlösschen“ und erzählen ein bisschen.
Dann geht es weiter in die Stadt. Genauer: ins Museo BanĂ. Heute ist also unser Indianertag. Der Eintritt kostet zwei Peso Convertible pro Person, und die sind es dann auch endlich mal wert. Die Exponate sind nett, das Museum sehr klein, aber dafĂĽr bekommt man auch eine sehr sympathische und lustige FĂĽhrung angeboten, die sogar ĂĽber das Museum hinausgeht! Neben dem Museum wird zurzeit ein Platz eingerichtet, der die indianische Kultur und die aktuelle Kultur miteinander verbinden soll. Hier sollen demnach wohl moderne Veranstaltungen in indianischer Kulisse stattfinden. AuĂźerdem steht hier eine amerikanische Dampflok von 1888, die noch bis in die 60er Jahre BananenzĂĽge durch die Gegend zog. Eigentlich kostet Fotografieren mal wieder einen Peso extra, aber unserem FĂĽhrer scheint dies auch zu blöd zu sein, und so sollen wir mal hier und mal dort posieren.

Jetzt, so denken wir, ist die Tour, die in optimal verständlichem und langsam gesprochenem Hochspanisch gefĂĽhrt wird, eigentlich vorbei. Doch unser FĂĽhrer scheint SpaĂź daran zu haben, dass wir vier sein Spanisch verstehen können, und so geht’s wieder raus auf die StraĂźe und weiter mit der Tour. Als nächstes ist die Kunstgalerie dran. Hier hat ein 21-jähriger eine Ausstellung von kitschigen MeeresfigĂĽrchen aufgebaut, die einen Protest gegen die Meeresverschmutzung darstellen sollen. Es gibt sie also doch noch irgendwo: die kubanischen Idealisten. Nächster Stopp ist ein Friseur, der Fotos vom Wachsfigurenkabinett in Bayamo in seinem „Salon“[2] hängen hat. Danach treffen wir einen Bekannten unseres FĂĽhrers, dessen alter Chevrolet zufällig auf der StraĂźe steht. Dort muss ich mich dann kurz reinsetzen und fotografieren lassen. Der nette Mann erzählt uns hiervon und davon, und dann ist die Tour doch noch irgendwann vorbei.

Ein heißer Ofen. Hauptsache schnell. In Richtung Hölle auf dem Highway to Hell![3]
Meine Eltern laden uns zum Essen im „El Latino“ ein, angeblich sind wir so dĂĽnn geworden!? Als wir danach wieder zum Auto wollen, werden wir von Alfredo entdeckt und bekommen erneut eine Einladung zum Kaffee trinken ausgesprochen. Das kann man unmöglich zweimal ablehnen, und so sitzen wir kurz darauf in seiner kleinen Wohnung und trinken sehr starken kubanischen Kaffee. Alfredo wohnt in einer dieser Behausungen, die Bekki und mir schon mehrmals auf Kuba aufgefallen sind: Aus einem groĂźen Zimmer hat man einfach zwei gemacht, indem man eine Trennwand eingesetzt hat und in die Hausfront eine zweite TĂĽr geschlagen hat. Alfredo erklärt uns, dass in der linken Hälfte seine Mutter und sein Bruder leben, und er, seine Frau und sein Baby leben in der rechten Hälfte des Hauses. Ich schätze die Größe der Wohnung, in der drei Menschen leben, auf maximal 15-20 m².
Sein Sohn heiĂźt Alfredito Falk. Falk ist ein Deutscher, den er hier (wo sonst) kennen gelernt hat und der ihm nach seinem Kuba-Urlaub Fotos zugeschickt hat. Als mein Vater mit dem kleinen Alfredito Falk spielt und ihn zum Lachen bringt, erkundigt sich Alfredo sofort nach seinem Namen. „Wolfgang“ dĂĽrfte dann aber doch zu schwer fĂĽr hispanische Zungen sein. Alfredo ist ein sehr netter Mensch. So wie in und um Banes scheinbar nur freundliche Menschen zu leben scheinen. Es gibt Orte auf Kuba, die weit genug entfernt von Dollars und der Politik zu sein scheinen. Hier sind die Menschen dann tatsächlich so, wie es das Klischee von Bewohnern der Karibik verlangt.
Muss sich nur noch das Wetter ändern.
Buenas noches,
Dennis y Rebekka
PS: Wir dürfen in diesem Casa Particular auch kochen! Also gibt es heute Abend aus Deutschland mitgebrachte Gemüsetortellini mit Tomatensauce. Hmm … lecker …
Während wir kochen, beobachtet uns der Enkel von Nilde, unserem Casa-Vater. Er textet uns in viel zu schnellem Spanisch zu und erzählt uns irgendwann sogar Witze. Als wir verstehen, dass er uns gerade einen Witz erzählt hat, lachen wir einfach laut los, ohne jedoch auch nur ein Wort verstanden zu haben. Kubaner reden sehr schnell! Danach tanzen er und ich noch ein wenig, was er unglaublich lustig findet. Besonders mein Hüftschwung hat es dem Kleinen angetan …
Mit dem Auto ca. zehn Minuten in Richtung Banes
Ein Frisierstuhl in einem ca. 6 m² großen Räumchen.
Aus „Höllenfeuerlicht“ von „Casanovas Schwule Seite“