Tag 2: Von Bangkok zum White Sand Beach
Curry-Competition

Donnerstag, 25. Februar 2010
Bangkok & Koh Chang
»Bus? Koh Chang!«
Jetzt sind es immerhin schon knapp 20 Leute, die mit dem Bus fahren wollen. Todesmutig überquert die Sammlerin eine stark befahrene Straße inmitten einer Kurve, der Tross der Bleichgesichter, einer Entenfamilie gleich, dicht hinter ihr. Allerdings weit ehrfürchtiger. Ein kleiner Roller kommt um die Kurve geschossen, schafft es aber – wenn auch relativ knapp – niemanden mitzureißen. Die Straße ist überquert, alle leben noch.
»Koh Chang?«, fragt die Kamikazespaziergängerin noch einmal und klebt nach erfolgtem Nicken jedem, egal ob Mann oder Frau, zwei runde Aufkleber auf die Brust. Dann werden die Rucksäcke und Koffer in einen der beiden wartenden Busse verfrachtet. Irgendwer kommt auf die Idee zu fragen, ob dies auch wirklich der Bus nach Koh Chang sei. Der Gepäcksortierer verneint dies, woraufhin unser Fräulein schnell zur Hilfe springt und auf den vorderen Bus zeigt: »Koh Chang!«
Geschafft, wir und unsere Rucksäcke sitzen im richtigen Bus. Der Bus ist sehr stylish: Wir fahren in einem Doppeldecker. Der Busfahrer ist in seiner Kabine vollkommen abgeschirmt. Der untere Teil wirkt wie eine Lounge oder der Tourbus einer Band. Es gibt keine gewöhnlichen Zweierbänke, sondern eine einzige rundherum gehende (!) Sitzbank, die auch mehr wie ein Sofa wirkt. Oben sieht es dann schon wieder gewöhnlicher aus, wobei hier die Sitze noch eine Fußstütze ausfahren, wenn man sich nach hinten lehnt und die Decke aus einem bunt bestickten Stoff mit eingeflochtenen Perlen besteht! Zudem gibt es noch farbenfrohe Lichter. Extrem stylish!
Mittlerweile haben wir auch feststellen dürfen, dass wir das »richtige« Koh Chang ansteuern. Die Fahrt ist beeindruckend: Es dauert ewig, bis wir Bangkok hinter uns lassen. Diese Stadt ist wirklich riesengroß und jede Ecke sieht höchst interessant aus. Auf dem Highway, der »über« der Stadt entlang führt, passieren wir auch unzählig viele Tempel und erstmals verstehe ich, weshalb Gold bei so vielen Menschen solch eine Faszination auslöst. Die Sonne scheint auf die goldenen Kuppeln der Tempel und überall in der Stadt leuchtet das Gold der Tempel kurz auf und strahlt zu uns in den Bus hinein. Es wirkt so erhaben und heilig, zudem noch freundlich und hell, da kann keine Kirche in Europa mithalten.
Ich habe schon des Ă–fteren gehört, dass man Bangkok entweder liebt oder hasst. Ich denke, obwohl ich quasi noch nichts von der Stadt gesehen und erlebt habe, dass ich zur Fraktion der Liebhaber gehören werde. Allein schon, weil ich die T-Shirts mit dem »I ♥ Bangkok«-Aufdruck so cool finde: Man kennt ja die »I ♥ NY«-T-Shirts, die spätestens seit dem 11.9.2001 jeder FĂĽnfte im Schrank hängen hat. In Bangkok war man so cool und hat den Aufdruck spiegelverkehrt auf die Shirts gedruckt. !haeY
Irgendwann müssen wir dann Bangkok verlassen haben, was man allerdings auch nicht wirklich mitbekommt. Zum einen kann man nicht jedes Schild entziffern, zum anderen geht Bangkok anscheinend nahtlos in das südöstlich gelegene Chonburi über.
Plötzlich stoppt der Bus und ein Thai kommt die Stufen hinauf geklettert: »Ah, the bus break.«
Rebekka hat ihn, im Gegensatz zu mir, richtig verstanden. Es handelt sich hierbei nicht um eine Panne, sondern um eine kleine Pause. Lustigerweise sind wir noch kaum eine Stunde gefahren und pausieren direkt vor einer kleinen Snackbar mit Mini-Supermarkt. Die Betreiber müssen Verwandte vom Busfahrer sein oder werden von der Reisebusfirma selbst betrieben. Zumindest kostet hier alles dreimal so viel wie in Bangkok. Ich befürchte schon, dass uns nun eine ewig dauernde Kaffeefahrt bevorsteht. Jede Stunde eine Pause mit immer teureren Getränken und Speisen. Zum Glück irre ich mich und nach einer knappen halben Stunde endet unsere erste und einzige eingeplante Pause.
Die Landschaft ist großartig. Man kann wirklich die komplette Fahrt über nach draußen schauen und sich diese großartige, grüne Landschaft anschauen … mehr als 300 Kilometer bzw. sechs Stunden lang.
Der Bus stoppt mitten im Nichts. Ich vermute, dass der Busfahrer eine Pinkelpause einlegt, als es auf einmal heißt: »The Bus break.«
Diesmal ist es dann doch eine Panne … fünf Kilometer vor dem Ziel. Im Nullkommanichts stehen zwei »Minibusse« bereit und übernehmen den Transport der Fahrgäste und des Gepäcks. Die »Minibusse« sind zwei Pick-ups mit selbst draufgeschraubten Bänken links und rechts und Haltegriffen an den Decken. Der Fahrer hat keine Angst vorm Tod und vermutlich nicht so viel Erfahrung mit Personenbeförderung und heizt wie ein Bekloppter um die Kurven. Wir wirbeln ordentlich Staub auf, tun ordentlich was für den Klimawandel und versuchen die Fähre nach Koh Chang noch zu erwischen. Letzteres hat anscheinend nicht funktioniert. Jetzt sitzen wir in einem lustigen, offenen Haus und warten darauf, dass die nächste Fähre eintrudelt.
Wir trotzen bereits jetzt allen Hygienevorschriften, riskieren unsere gesunde Darmflora und bestellen uns Fruit Shakes, die aus frischem Obst und gecrushtem Eis bestehen, welches vermutlich nicht aus gekauftem Quellwasser, sondern vielmehr aus Leitungswasser besteht. Rebekka hat bereits in Bangkok einen solchen Shake getrunken, der bei ihr sehr gut ankam. Heute bestelle ich mir, solange wir auf die Fähre warten, auch einen und bin begeistert. Wie unglaublich genial das doch schmeckt! Und es tut so gut, denn Thailand ist wirklich unglaublich schwül.
Die Fähre kommt! Da weit und breit kein Anleger zu sehen ist, besteigen wir wieder die Minibusse. Diesmal müssen sogar noch zusätzliche Passagiere eines anderen Busses bei uns mitfahren. Die passen allerdings nicht mehr alle in die Minibusse, weswegen sich zwei Kollegen und einer der Minibus-Thais auf das angeschraubte kleine Ladegitter über dem Auspuff stellen müssen. Der Bus ist maßlos überladen und das Gitter schwebt lediglich 20 Zentimeter über dem Asphalt – höchstens 20 Zentimeter. Manchmal schwebt es auch gar nicht mehr, sondern schlägt auf, was vor allen Dingen den jungen Thai zu kleinen »Uh!«- und »Ah!«-Schreien animiert. Ach so, und ein Thai, der keinen Platz mehr auf dem Gitter gefunden hat, sitzt oben auf den nicht gesicherten Rucksäcken … und der Fahrer kennt immer noch kein Morgen.
Wir erreichen den Fährhafen. Alle haben überlebt.
Wir steigen am White Sand Beach (Hat Sai Kao) aus. Unser Ziel ist das Independent Bo. Ein Hippie-Hüttenkomplex, der wohl einen gewissen Kultstatus genießt. Wir suchen nicht lange und stehen vor einem knallbunten selbst gebauten Strandhäuschen, vor dem schon zwei Hippies sitzen und uns mit: »Come here! It’s nice!«, begrüßen. Na dann: rein da. Wir wissen nicht so genau, wo wir hin sollen. Eine Art Rezeption können wir auf den ersten Blick nicht ausmachen und keiner der Anwesenden sieht aus, als würde er hier arbeiten. Wir müssen aber auch nicht groß suchen, da die Kollegen bereits den Chef für uns organisieren. Hippie Nr. 1: »Hey! Customers!«
Hippie Nr. 2 (eine Etage höher): »Felix! Move your ass! New guests!«
Dann kommt Felix die bunte Holztreppe herunter und begrüßt uns mit: »Welcome home!«
Rock und Roll!
Das Independent Bo ist zweifellos total grandios. Die 27 Hütten ziehen sich direkt am Strand den Hügel hinauf, hinein in den Urwald. Jede Hütte sieht anders aus, ist bunt und durch enge selbst asphaltierte Wege und Stufen mit Bambuszäunen miteinander verbunden.
Wir sollen Hütte 7 bekommen. Als Felix aber die Tür öffnet, ist die Verwunderung recht groß: Hier wohnt anscheinend noch wer.
»Who the hell …?«
Schnell sprintet er wieder runter und schaut nach, ob und wo noch eine Hütte frei ist. Hütte 26 ist noch frei. Also wieder rauf auf den Hügel, was bei diesen Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit wirklich anstrengend ist. Wir stehen vor der nächsten Hütte, als sich Felix – ein Engländer aus Newcastle – am Kopf kratzt: »That’s not 26. Where is 26? Excuse me.«
Erneut rennt er die Stufen zur Bar hinab und schaut sich den Lageplan an. Kurz darauf ist er wieder oben bei uns und diesmal findet er die HĂĽtte auch.
Wir haben ein eigenes Klo, welches allerdings keine Spülung hat. Die Schüssel steht zudem mitten im Raum. Also, nicht im Schlafraum, aber mitten in der Dusche … quasi. Wenn man mal mehr als nur Pipi gemacht hat, tritt das Independent Bo Toilettengesetz in Kraft: »Please do not put anything down the toilet that you did not produce internally.«
Also entsorgt man das Papier entweder in einer selbst organisierten TĂĽte, die man dann unten neben der Bar wegwerfen kann oder man spĂĽlt sich mit einem Schlauch die Rosette sauber. GespĂĽlt wird dann auch mit dem Schlauch. Neben dem SpĂĽlungsschlauch gibt es aber auch noch einen Duschkopf. Und wenn man duschen will, klappt man besser den Klodeckel runter.

Das Bett ist wie in Bangkok hart, aber durchaus nicht ungemütlich. Das Moskitonetz ist nahezu perfekt und einen Ventilator haben wir auch. Dazu noch einen Balkon und eine kleine Terrasse mit Tisch und Klavierhocker. Was will man mehr? Vor allem für 500 Baht, also zehn Euro. Es gefällt uns wirklich sehr gut hier und Felix macht uns das Angebot, dass wir eine Nacht geschenkt bekommen, wenn wir ihm heute oder morgen noch zusagen, eine Woche zu bleiben. Das wird wohl aber nichts, da wir ja »nur« acht Wochen Zeit haben, um uns möglichst viel von Thailand anzusehen. Aber verlockend ist es schon.
Kaum haben wir es uns gemütlich gemacht, wundern wir uns über seltsame Geräusche auf unserem Dach. Ich schaue nach und lerne unseren Nachbarn kennen … einen Affen!
Dass es auf Koh Chang Affen geben soll, haben wir bereits gehört. Dass unsere Verwandten aber im selben Bungalowkomplex wie wir leben und nicht etwa im Dschungel im Inselinneren, überrascht dann schon … und ist total geil.
Der Strand ist der Wahnsinn! Feinster weißer Sand und das Meer quasi direkt vor der Tür. Morgens ist das Meer übrigens tatsächlich direkt vor der Tür, gegen Abend dann 20, 30 Meter weiter draußen. Wir wollen uns abkühlen und rennen ins kühle Nass. Allerdings müssen wir feststellen, dass das kühle Nass überhaupt nicht kühl ist, sondern nur knapp unter Körpertemperatur. Abkühlung bekommt man also erst, wenn man sich aus dem flachen Wasser wieder erhebt und vom leichten Wind gestreichelt wird. Es wird immer paradiesischer hier …
Nach einem fantastischen Sonnenuntergang überfressen wir uns abends für wenig Geld im Tantawan Restaurant direkt am Strand. Es gibt Red Curry für mich, Pad Thai für Rebekka und zum Nachtisch Bananas Fritters – extrem köstlich!
Sobald es dunkel wird, verwandelt sich der Strand zur Restaurantmeile. Man kann sich in den Sand auf Matten legen und auf kleinen Tischen seinen Curry futtern. Irgendwann kommen dann zwei junge (16–20) und ein ganz junger Thai (maximal fünf!) vorbei und jonglieren eindrucksvoll mit Feuerstäben. Vor allen Dingen der Klitzekleine amüsiert mit seinem fast schon gelangweilten Gesichtsausdruck, während er die Feuerlanzen schwingt.
Ich glaube, wenn ich mal nicht mehr bin und wider Erwarten vor so einem bärtigen Typen stehe, der zu mir sagt: »Lieber Dennis, du warst soweit ganz okay. Was für eine Art Paradies hättest du denn gerne?«, würde ich momentan sagen: »Thailand wäre nicht schlecht.«
Ich lausche weiter der Brandung, die man bis zu uns hinauf in die Hütte hört, und schlafe ein …