Tag 23: Das grüne Monster, die Schildkröte und ein krasser Freak

Curry-Competition

2010 03 18 07.15.23

Donnerstag, 18. März 2010
Koh Similan – Khao Lak

Unsere Koje ist erstaunlicherweise schön breit. Die Matratze ist zwar steinhart und unser Bett nur durch einen Vorhang von den anderen Kojen getrennt, dafür passen wir aber beide problemlos nebeneinander auf die Matratze. Außerdem haben wir unser eigenes Fenster, das uns mit Frischluft versorgt und durch das wir am heutigen Morgen einen wunderschönen Sonnenaufgang bestaunen können. Wir sind nicht nur wegen der harten Matratze schon so früh wach. Nein: Ich mache einen »Early Morning Dive«. Oder – um es romantischer zu formulieren – einen »Sunrise Dive«.
Gegen sieben Uhr machen Teuy und ich uns bereit. Wir betauchen West of Eden und Teuy verspricht mir einen frog fish. Das klingt sensationell: Einen Riesen-Anglerfisch habe ich noch nie gesehen!
Natürlich hält mein großartiger Guide mal wieder, was er verspricht und zeigt mir am zweiten Tauchplatz des Tages, dem Deep Six, gleich noch so ein Tier. Riesen-Anglerfische sehen aus, als seien sie Opfer eines Chemieunfalls geworden oder aus Silikon modelliert. Auf jeden Fall könnten sie problemlos als Vorbild für einen kranken Bösewicht in einer Comicverfilmung Pate stehen: Frogfishman! Sollte ich mir vielleicht mal merken …
Anstelle einer eindeutig als Flosse zu identifizierenden Extremität besitzen Anglerfische eine krude Mischung aus Hand und Flosse. Zudem bewegen sie sich nur äußerst langsam, weswegen sie einfach gleich mehrere Monate an ein und derselben Stelle verharren. Ihre Nahrung locken sie durch ihre »Angel« an, die sich an ihrer »Stirn« befindet und sich ausfahren lässt. Kommt ein Fisch zur Angel geschwommen, öffnet der Frog Fish sein Maul – welches er übrigens sehr weit aufreißen kann – und schlotzt das Fischlein mit einem lauten Sauggeräusch ein. Was für ein Freak.

Neben dem zweiten Anglerfisch bekomme ich noch ein zweites »Monster« zu Gesicht. Zumindest bezeichnet Teuy dieses Naturphänomen als »the green monster«: Wir hängen gerade vor einer Riffwand und suchen diese nach Kleintieren ab, als – für mich unerwartet – eine mäßig starke Strömung aufkommt und das relaxte vor der Wand Hängen ein wenig erschwert. Fischschwärme schwimmen in hohem Tempo über unseren Köpfen hinweg, als würden sie vor der Flut fliehen wollen. Teuy reagiert äußerst gelassen, nämlich überhaupt nicht auf den Strom und hält weiter nach Schnecken Ausschau. Der Thai steht übrigens kolossal auf niedere Tiere, da ihn die großen Fische mittlerweile schon etwas langweilen. Was für ein Luxus.
Wir verlassen die Riffwand, an der wir tatsächlich noch eine winzige Schnecke entdecken, die Teuy noch nie gesehen hat und tauchen auf eine freie Sandfläche. Und hier begegnen wir dann auch dem »Grünen Monster«: Aus dem offenen Meer kommend, walzt sich eine grünlich schimmernde Wand eiskalten Wassers in unsere Richtung. Wie ein Waldbrand, der sich unerbittlich seinen Weg bahnt und eben noch gesund dastehende Bäume mit einem Mal verdampfen lässt, rollt das »Grüne Monster« aus der Tiefe der Andamanensee deutlich sichtbar heran. Das grüne Wasser flimmert und jeder Meter, den die Wand für sich einnimmt, ist nicht mehr scharf zu erkennen. Teuy deutet unseren Rückzug an und wir versuchen dem kalten Wasser zu entkommen. Dass das Wasser kalt ist, kann ich mir denken, da ich als Taucher Sprungschichten mit plötzlichen Temperaturwechseln zu genüge kenne. Diese Sprungschicht ist allerdings grün und die Landschaft und die Fische dahinter »flackern« so stark, dass ich mich bereits auf einen kleinen Kälteschock vorbereite. Dass wir vom »Grünen Monster« gefressen werden, ist mir aufgrund seiner Geschwindigkeit vollkommen klar. Unglaublich, wie schnell sich diese Strömung vorarbeitet. Als das Wasser unter mir bereits flimmert, wage ich einen Handgriff ins Grün und stelle fest, dass meine Befürchtung richtig ist: Das Wasser ist schweinekalt. Kurz darauf hat das Monster uns in seiner Gewalt. Die Strömung ist aber zum Glück nicht so stark, wie ich es mir vorgestellt habe. Wir kommen noch mit Flossenschlägen voran und müssen uns nicht mit unseren Händen an Felsen und Steinen voranziehen. Später erzählt mir Teuy, dass das »Grüne Monster« einmal so unerbittlich zugeschlagen hat, dass er sich mit seiner Tauchgruppe an Felsen festkrallen musste. Mit Flossenschlägen ging nichts mehr; weder nach vorne noch nach oben – was ein wirklich beschissenes Gefühl sein muss. Eine seiner Taucherinnen konnte sich irgendwann nicht mehr festhalten und wurde vom Monster ins offene Meer hinausgesogen. In solch einer Situation kannst du als Guide nichts anderes machen als zugucken und hoffen. Mit der restlichen Gruppe hat Teuy sich dann von Fels zu Fels gezogen und den Tauchgang abgebrochen. Das Mädel, das vom »Grünen Monster« einverleibt wurde, wurde von der Strömung übrigens mehrere Hundert Meter weit katapultiert, bevor ihr der Aufstieg gelang. Sie blieb unversehrt.
Die Tauchplätze von Koh Similan können durch ihre wechselnden Strömungen also durchaus einen höheren Schwierigkeitsgrad vorweisen, als beispielsweise die Tauchplätze vor Koh Tao. Von dort, so Teuy, kommen leider regelmäßig Taucher, die gerade erst ihren Schein in einer Koh-Tao-Fabrik gemacht haben, in der die Schülergruppen aus 15 und mehr angehenden Tauchern bestehen. Die wissen teilweise noch nicht einmal, was ein Lungenautomat ist, wollen dann aber Strömungstauchgänge machen. Deswegen kommt es anscheinend auch immer wieder zu Tauchunfällen vor Koh Similan.

Nach dem zweiten Tauchgang fahren wir, wie am Vortag, in die Donald Duck Bay vor Insel Nr. 8 (Koh Similan). Die Bucht hat ihren Namen einem Felsen zu verdanken, der der Comic-Ente ähnlich sieht. Dort serviert man uns die zweite Mahlzeit des Tages und wieder besucht uns die Schildkröte. Diesmal lassen Rebekka und ich es uns nicht nehmen und springen mit Maske und Schnorchel bewaffnet zu ihr ins Wasser, während die halbe Bordcrew Wassermelonenstücke ins Wasser wirft, damit die Schildkröte auch ja bei uns bleibt. Wie Schildkröten nun mal so sind, stört sie unsere Anwesenheit in keiner Weise und bevor sie auf ein Stück Melone verzichtet, steuert sie lieber direkt auf uns zu, weswegen wir ihr regelmäßig ausweichen müssen. Und es macht so viel Spaß!

Beim letzten Tauchgang am Archipel begegne ich einer weiteren Schildkröte und verabschiede mich wehmütig von der großartigen Unterwasserwelt des Nationalparks. Zwar gibt es hier weit weniger große Tiere wie Haie, Delfine, Mantas oder den herbeigesehnten Walhai, aber alles in allem kann ich unterm Strich nur ein Fazit für diese Tauchplätze finden: genial!

Hat man dann auch noch solch ein unverschämtes Glück wie wir und chartert durch Zufall ein komplettes Boot samt Besatzung und Tauchführer für sich alleine, kann man nur laut jubeln und vor Freude im Kreis springen. Das waren zwei unvergessliche Tage …

Mit dem Speed Boat geht es zurück ans Festland. Auf dem Weg dorthin sehen wir fliegende Fische, die zu unserem Erstaunen sehr weit flattern können, bestimmt zehn bis 20 Meter. Am Pier begrüßen uns die Chefs der Tauchschule Conny und Gallus und erkundigen sich sofort, zu was sie uns jetzt eigentlich gratulieren dürfen. Kleine familiäre schweizer Tauchschulen kann ich nur bestens weiterempfehlen. Mal sehen: Vielleicht schicke ich bald Bewerbungen für die kommende Saison nach Thailand.
Wir gehen zurück zu unserem Internet-Café-Hostel, in dem wir die zwei Nächte vor unserem Trip genächtigt haben und wollen wieder einchecken. Vor unserem Abstecher nach Koh Similan hatten wir bereits angekündigt, zurückkommen zu wollen und haben hierfür die kommende Nacht bereits zwei Tage im Voraus gezahlt, damit sie das Zimmer auch niemand anderem überlassen. Dies funktioniert auch einwandfrei, allerdings ist der Schlüssel nirgends zu finden. Da wir gestern Morgen das Internet Café verschlossen vorgefunden hatten, haben wir den Schlüssel bei den Fun Divers abgegeben, mit der Bitte, ihn im Laufe des Tages in unserem Hostel abzugeben. Offenbar ist der Schlüssel dort nie angekommen, weswegen ich noch einmal bei den Fun Divers vorbeischaue, um nachzufragen, ob der Schlüssel noch dort ist. Conny versichert mir allerdings unerwarteterweise, dass der Schlüssel bei Nam abgegeben wurde, woraufhin ich wieder im Hostel nachfrage, ob der Schlüssel vielleicht im Chaos des Schreib-tisches untergegangen ist. Ist er aber nicht. Hm, was nun? Ich erkläre der wieder einmal aushelfenden Dolmetscherin/Tauchschulangestellten der benachbarten Phuket Divers, dass Conny höchstpersönlich den Schlüssel bei Nam abgegeben habe, woraufhin sich das Rätsel endlich löst: Hier gibt es keine Nam. Oh? Nam leitet das Internet Café/Hostel zwei Häuser weiter. Ah! Allerdings ist sie momentan nicht da und wird erst gegen Abend wieder zurückerwartet. Uh … Man schließt uns unser Zimmer kurz mit dem »Masterkey« auf und bittet uns dann, erst wieder gegen Abend zurückzukommen. Geht klar, bei dieser Hitze wollen wir sowieso nicht im Zimmer herumsitzen.
Wir setzen uns also wieder mit zwei kühlen Getränken vor den asiatischen Supermarkt 50 Meter weiter und beobachten das Treiben auf der Straße. Uns ist bereits vor einigen Tagen aufgefallen, dass die Tochter des Supermarktbesitzers den Terror im Blut hat. Entweder springt die kleine Vorpubertäre anderen Leuten auf den Rücken, nervt ihren Vater und den älteren Bruder im Supermarkt, bis sie von dort verscheucht wird oder – und das macht sie jetzt gerade – sie terrorisiert einen kleinen süßen Hund, der im Beiwagen eines Rollers »gefangen« ist und damit nicht vor der Terror-Lady, die den Hund ununterbrochen mit Wasser übergießt, fliehen kann. Irgendwann hat ein Thai Erbarmen mit dem Hund und hebt ihn aus dem Beiwagen heraus. Offenbar hat das junge Tier Rebekkas und meinen mitleidigen Blick beobachten können und flieht hinter unsere Stühle. Das Mädchen des Grauens zieht daraufhin beleidigt von dannen … in den Supermarkt und nervt dort ihren Papa weiter.
Zum Abendessen gönnen wir uns heute unbekannte asiatische Köstlichkeiten aus dem Supermarkt: Wir kaufen eine getrocknete und gezuckerte Frucht namens Santol. Außerdem gibt es schwarze Sesamriegel mit Erdnüssen und leichte Kartoffelchips mit beigefügter Teriyaki-Soße. An mysteriösen, pikant gewürzten und mit Karamell überzogenen Stäbchen, die aufgrund ihrer Zusammensetzung wohl am ehesten der Familie des Brotes zuzuordnen sind – zumindest steht da »Bread Stick« drauf und die Hauptzutat ist Mehl – scheiden sich unsere Geister: Rebekka findet den Vergleich mit dem Brot lächerlich und ich wage es nicht, mir eine eigene Meinung zu bilden. Ein sehr merkwürdiger Snack, den ich letztendlich alleine essen darf … oder muss.

2010 03 18 19.53.12

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