Tag 29: Willkommen in Kambodscha

Curry-Competition

Psa Kroum Road (alias BBU Road), Ecke 63, Siem Reap

Mittwoch, 24. März 2010
Kuala Lumpur, Malaysia – Siem Reap, Kambodscha

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Wir schlafen den kompletten zweieinhalbstündigen Flug über. Kurz vor der Landung werfe ich einen ersten Blick hinunter auf Kambodscha und denke mir, dass es hier ja schon wieder vollkommen anders aussieht.

In Deutschland haben wir bereits über die kambodschanische Botschaft online das sogenannte eVisa beantragt. Das kostet pro Person zehn Dollar und erleichtert die Einreise. So heißt es zumindest. Fakt ist aber, dass wir am Flughafen von Siem Reap einen weiteren Visumbogen ausfüllen müssen und diesen ebenfalls bezahlen müssen. 20 Dollar wollen die dafür! Damit haben wir nicht gerechnet, weswegen wir auch noch keine Dollar, geschweige denn kambodschanische Riel dabei haben. Eine Wechselstube scheint es hier am Flughafen nicht zu geben, weswegen wir mit einem 50-Euro-Schein zahlen müssen, den der scheiß Bulle nach eigenem Gutdünken in Dollar umrechnet: 15 Dollar gibt es zurück und wir sind mittlerweile ziemlich genervt.
Das in Deutschland organisierte eVisa erkennen die uniformierten Säcke einfach nicht an. Sie schauen es sich noch nicht einmal an … Diesen eVisa-Quatsch hätten wir uns also sparen können. Wie viel andere Passagiere bei der Einreise über den internationalen Flughafen zu zahlen hatten, bekommen wir nicht mit. Auch im Internet findet man hierzu keine vernünftigen Angaben. Falls jeder hier 30 Dollar – ich gehe aber von 20 Dollar aus – zu zahlen haben sollte, verstehe ich trotzdem noch nicht, was der eVisa-Umstand für Vorteile bringen soll. Schließlich mussten wir ja auch den Fragebogen am Airport ausfüllen.
Wir passieren die Passkontrolle und stehen – keine 30 Meter von den korrupten Bullen, die unseren 50-Euro-Schein so bravourös gewechselt haben – vor einer staatlichen Geldwechselstube. Ich will wieder zurück und dem Penner sagen, dass er mir den 50er wieder geben soll, damit ich ihn hier korrekt umtauschen kann, aber Rebekka erlaubt es mir nicht: Diskussionen mit Bullen bringen ja doch nichts.
Der Spaß am Flughafen geht weiter: Die Wechselstubentante empfiehlt uns, meine Visa-Karte mit 250 Dollar zu belasten, da ab dieser Summe die Gebühr, die zusätzlich noch anfällt, nicht mehr allzu schmerzhaft sei. Uff, das ist mir nach noch nicht mal zwei Stunden Schlaf alles ein bisschen zu viel. Wir lassen uns auf den Deal ein und bekommen Dollar und Riel in die Hand gedrückt. Ein Riel ist quasi gar nichts wert, weswegen die Scheine mit einer ordentlichen Zahl an Nullen ausgestattet sind. Bezahlt wird mit Dollar oder Riel oder mit beiden Währungen gemischt. 4000 Riel sind übrigens in etwa ein Dollar.
Wir verlassen den kleinen Flughafen und schauen, wo der Bus in die Stadt wohl halten könnte, erfahren aber schnell, dass es keinen Bus in die Stadt gibt, sondern nur Taxis und Motorradtaxis. Das gibt es doch nicht … Ein weiterer nützlicher Tipp also: vor der Anreise bereits ein Hostel in Siem Reap buchen, damit man von den Betreibern kostenlos vom Flughafen abgeholt wird. Mit sieben Dollar kostet das Taxi in die Stadt so viel wie eine Übernachtung.
Jetzt ist es immer noch nicht so ganz geschafft, da wir dem Taxifahrer nun klar machen müssen, dass wir Schleppermethoden kennen und uns von ihm nicht in das Guesthouse seiner Wahl fahren lassen möchten. Er verweigert aber unseren Wunsch – »Don’t know this guesthouse.« – und fährt uns anstelle der gewünschten Hostel-Adresse zum Guesthouse seines Kumpels/Bruders/Cousins/was auch immer.
Die Zimmer hier haben den seltsamen Preis von 13 Dollar pro Nacht. Der Schlepper bekommt also drei Dollar Provision vom Betreiber. Wir bedanken uns nach der kurzen und vollkommen unnötigen Führung freundlich und sagen, dass wir uns auf die Suche nach dem Hostel machen, in das wir eigentlich wollen. Das finden die zwei überhaupt nicht witzig. Wir finden deren Methode aber auch nicht amüsant und lassen sie bedröppelt zurück.
Der Marsch mit Rucksäcken durch das mittägliche Siem Reap ist ein Spießroutenlauf. Sämtliche Tuk-Tuk-Fahrer der Stadt stürzen sich wie Schmeißfliegen auf uns. Das Abwimmeln ist möglich, bedarf aber mehr Anstrengung als an allen anderen Orten, die wir auf dieser Reise mit dem Rucksack durchquert haben.
Siem Reap ist in roten Staub gehüllt. Der trockene und sandige Boden wird durch den wirklich heftigen Verkehr in dieser kleinen Stadt aufgewirbelt und verfärbt die Straßen. Der Straßenverkehr ist pures Chaos. Jetzt fällt uns auch auf, dass unser Taxi das Lenkrad auf der rechten Seite hatte, aber auch auf der rechten Spur gefahren ist. Durch Siem Reap fahren sowohl Autos, die für Linksverkehr, als auch Autos, die für Rechtsverkehr gebaut wurden. Es scheint sich hier aber um Rechtsverkehr zu handeln … Geisterfahrer auf Rollern machen aber gut und gerne fünf Prozent des Gesamtverkehrs aus und solch ein Verkehrschaos haben wir noch nie zuvor erlebt. Wie überlebt man dieses Chaos? Ganz einfach: Partizipieren! Wenn man über die Straße will, schaut man einfach nicht nach links und rechts, sondern geht einfach los. Glücklicherweise fährt hier kaum jemand schneller als 25 km/h, weswegen jeder immer bremsen kann. Das hoffen wir zumindest … Unfälle werden wir in Siem Reap übrigens – zu unserer eigenen Überraschung – keinen einzigen erleben.

Wir sind müde, es ist furztrocken und kochend heiß. Also beschließen wir, nicht weiter zu suchen und gehen in ein Hostel unweit der Pub Street. Die Pub Street ist – wie der Name schon sagt – die Kneipenstraße, die sich mit Anbruch der Dunkelheit in eine kleine Partymeile verwandelt.
Unser sehr schönes Hostel, das den stark übertriebenen Namen »Five Star Angkor Villa« trägt, befindet sich direkt am Fluss, der den gleichen Namen wie die Stadt trägt. Auf unserer Seite des Flusses stehen Steinhäuser und Kambodscha wirkt wie ein Land der Zweiten Welt, wohingegen auf der anderen Uferseite selbst gezimmerte Holzhütten stehen, keine Straße entlang führt und die Menschen offensichtlich extrem viel ärmer sind. Wir schauen über einen 20 Meter breiten Fluss in die Dritte Welt hinein. Sehr strange.

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Nachdem wir unsere Rucksäcke im Hostel deponiert haben, spazieren wir über den Night Market, bei dem auch tagsüber bereits sämtliche Geschäfte geöffnet sind und dann in Richtung Pub Street. Nun lässt es sich wesentlich entspannter an der Tuk-Tuk-Armada vorbeigehen: Ohne Rucksack ist man eben nur noch halb so interessant. Die Angebote der Fahrer ändern sich nun auch von: »Need hostel?«, in: »Wanna go Angkor Wat tomorrow morning?«
Wir lehnen dankend lächelnd ab und die Fahrer lassen uns zurücklächelnderweise in Ruhe. Neben der Pub Street befindet sich der Old Market, auf dem man alles kaufen kann, was das Touristenherz begehrt: alle möglichen Angkor-Souvenirs, Aufnäher verschiedener Landesflaggen, T-Shirts, Hosen, Bilder, Postkarten, Schmuck, Opiumpfeifen, Taschen aus echtem Krokodilleder, Geldbeutel aus Krokodilleder, Bettvorleger (!?) aus Krokodilleder, ausgestopfte aufrecht stehende Krokodile und Schnäpse mit Kobras und Skorpionen darin. Krass … Ich frage eine Verkäuferin, aus welchem Material die Opiumpfeifen bestehen.
»Elephant«, antwortet sie trocken.
»Ivory?!«, entgegne ich … ähm … geschockt?
»Uhm, no no.«
Jetzt klingt sie, wohl aufgrund meiner geschockten Reaktion etwas überrascht: »No no, it’s bone.«
Dabei fährt sie sich über den Arm und weiß wohl, dass sie in mir keinen Kunden finden wird. Und da hat sie recht: Ich werde mein Opium in Zukunft nicht durch »Elefantenknochen« rauchen. Aber wer raucht denn auch sein Opium durch Elefantenknochen? Das ist wie in den Tauchanzug pinkeln oder im Flugzeug scheißen: Das macht man nicht. Das ist ein Ehrenkodex …
Neben den Läden im Markt gibt es auch hier überall Massageangebote. Was dabei allerdings heraussticht, sind die oftmals als »Dr. Fish Massage« angepriesenen »Behandlungen«. Man setzt sich auf einen Wasserbeckenrand und hält seine Füße ins kühle Nass. Im Becken schwimmen Hunderte kleiner Fische, die – wie beim Wasserfall auf unserer glorreichen James-Bond-Tour – einem überschüssige Haut von den Füßen knabbern. Es gibt unzählig viele dieser »Dr. Fish Massage«-Becken.
In Siem Reap gibt es, wie überall, Straßenstände. Aber hier kann man erstmals auf unserer Reise Durian kaufen. Die Stinkfrucht macht ihrem Namen alle Ehre und verbreitet rund um die Verkaufsstände einen wirklich unangenehmen Gestank. Und das soll schmecken? Noch trauen wir uns nicht … Außerdem müsste man sich gleich eine komplette Frucht kaufen, was dann doch etwas zu viel des Guten wäre. Zudem ist Durian nicht die billigste Frucht.

Es ist dunkel geworden und wir bekommen Hunger. Im Zentrum Siem Reaps scheinen die Tuk-Tuk-Fahrer und andere Einheimische nun ihrem Zweitjob nachzugehen: »Need Tuk-Tuk?«
Und dann leiser und konspirativ: »Or wanna get stoned? Grass, Cocaine, MDMA …«
Ob man bei Zustimmung eines Deals tatsächlich Drogen oder Handschellen bekommt, testen wir nicht aus. Es heißt, dass die Polizei in Thailand – und vermutlich auch in Kambodscha – einheimische Nichtpolizisten dafür bezahlt, naive Touristen, die sich illegale Rauschmittel kaufen möchten, direkt zu verpfeifen. Den Drogenkauf am Straßenrand sollte man also besser unterlassen …
Am westlichen Ende der Pub Street bauen mit Einbruch der Dunkelheit Billig-Straßenrestaurants ihre Klapptische auf und bringen ihre Woks hinter einer brusthohen Mauer zum Glühen. Es sind ungefähr vier dieser Restaurants, die sich die Mauer teilen und die Straße beleben. Wir spazieren an den Restaurants entlang, als eine süße, junge Kambodschanerin mit winkender Speisekarte auf uns zukommt: »Hello my friend! Eat here!«
Wir schauen auf die Karte und finden sowohl die angebotenen Speisen als auch die Preise sehr ansprechend. Ich gebe dem Mädchen die Karte wieder und bedanke mich, was sie wohl als ein höfliches: »Nein«, aufzufassen scheint und sich leicht enttäuscht von uns abwendet. Als sie aber bemerkt, dass wir ihr folgen, dreht sie sich freudig strahlend wieder zu uns und führt uns zu einem der Klapptische mit Plastiktischdecke. Wir wollen uns gerade an den direkt danebenstehenden Tisch setzen, als sie uns darauf aufmerksam macht, dass dieser nicht mehr zu ihrem Restaurant gehört.
Das Essen ist wirklich lecker, kostet pro Hauptmahlzeit gerade mal einen Dollar und wir bekommen zusätzlich noch eine extrem amüsante Show von den Mitgliedern des kleinen Familienbetriebs geliefert: Die süße Tochter und der nicht minder niedliche, schlaksige Sohn der Chefin, die hinter dem Wok steht, werben weiterhin mit höchstem Elan vorbeilaufende Leute an. Allein das ist schon total spektakulär zu beobachten. Als die beiden so erfolgreich sind, dass es keinen freien Tisch mehr gibt, sie aber trotzdem noch weitere Kunden abgreifen, muss improvisiert werden. Und das sieht so aus: Entweder wird von irgendwoher noch ein weiterer Tisch und Stühle organisiert, die die beiden dann zwischen die bereits recht eng zusammenstehenden Tische klemmen oder aber die zwei Kellner entscheiden einfach, dass sich der neu angeworbene Tourist zu Wildfremden zu setzen hat. Und das führt zu wirklich lustigen Situationen, da sich die zwei Kambodschaner offensichtlich überhaupt nichts dabei denken, die Touris aber zunächst mit den neuen Zufallsabendessenskollegen abklären, ob es für die bereits am Tisch Sitzenden denn okay sei, sich den Tisch zu teilen. Tja, so lernt man am Ende neue Freunde kennen! Die Atmosphäre in dieser Straße ist einfach großartig.
Auf der Karte entdecke ich übrigens etwas Unbekanntes: Sapodilla Shake.
»What is sapodilla?«, frage ich, woraufhin mir die kochende Mutter eine Frucht präsentiert, die wie eine Kartoffel aussieht, aber mehr wie eine Zitrone riecht. Bevor sie mir die unbekannte Frucht über die Mauer reicht, riecht sie daran und stößt ein genüssliches: »Aaah!«, dabei aus. Um ihr zu zeigen, dass auch mir der Geruch gefällt, erwidere ich nach dem Geruchstest das: »Aaah!«, und bestelle den Shake, der dann auch ganz gut schmeckt, aber nicht zu meinem neuen Lieblingsgetränk werden wird. Wikipedia wird mich übrigens später darüber aufklären, dass Sapodilla in Deutschland auch als Breiapfel bekannt ist.
Ein Straßenhändler, der zwei Körbe an einer Bambusstange über der Schulter balanciert, kommt am Restaurant vorbei, was die Aufmerksamkeit des schmalen Kellners erregt. Der Händler legt seine Körbe ab und der schätzungsweise 15- bis 17-jährige Junge kauft sich etwas bei ihm. Ich kann nicht erkennen, was er sich da kauft. Er sieht aber, dass ich neugierig gucke und deutet an, mir ein wenig der gekauften Köstlichkeit vorbeizubringen. Ich nicke interessiert und ahne Schlimmes, als er vorher noch an einem anderen Tisch haltmacht und dort ein lautes: »Uargh!«, ertönt. Jetzt sehe ich auch, was in der kleinen Plastiktüte ist: Käfer. Brrr … Ein Mutiger am Nachbartisch lässt sich vom Kellner zeigen, wie man das Ungeziefer isst, was die Sache noch exotischer wirken lässt: Die Viecher werden zunächst wie Shrimps aufgeknackt und dann wird das Fleisch herausgezuzelt. Der ausgelutschte Panzer wird dann – samt Füßchen – auf den Teller gelegt. Würg …
Jetzt bin ich an der Reihe. Als Veganer fühle ich mich aber zu solch einer Mutprobe nicht verpflichtet. Ich bin also fein raus aus der Situation und entgehe dem Käferessen. Als Fleischfresser hätte ich es aber womöglich mal probiert. Man lebt ja nur einmal …
Als wir das Straßenrestaurant verlassen, werden wir mit: »See you tomorrow!«, verabschiedet. Ist gebongt: War cool hier!

Wir landen später in einer Bar in der Pub Street und setzen uns zu ein paar Engländern, die ordentlich bechern und mich fleißig an ihrem billigen Bier teilhaben lassen. Eine Kanne Bier, mit der man circa vier Gläser füllen kann, kostet gerade einmal 2,50 Dollar, ein einzelnes Glas 75 Cent.
Leicht angeschwipst und gut gelaunt schlendern wir zurück zum Hostel, als plötzlich eine Vierjährige an Rebekkas Arm hängt und mit todtrauriger Stimme: »Food … Give me food«, säuselt. Das Kind lebt vermutlich auf der anderen Seite des Flusses und hat einen unwiderstehlichen Hundeblick. Zunächst schütteln wir den Kopf und sagen leise: »Sorry«, woraufhin die Kleine: »Cannot eat sorry«, entgegnet. Ach komm, der Abend war – auch dank der Engländer – so preiswert, da können wir der Kleinen, die Rebekkas Arm einfach nicht mehr loslässt und schon seit fünf Minuten bettelt, auch etwas zu Essen kaufen. Wir gehen mit ihr zum Supermarkt und haben auf einmal noch drei arme Jungs an uns dran hängen, die laut eigener Aussage ebenfalls kein »Sorry« essen können. Oh. Es gibt nun kein zurück mehr und so lassen wir uns von den Kindern durch den Supermarkt ziehen. Seltsamerweise steuern die vier sofort das Regal mit der Babynahrung an, was uns skeptisch macht. Aha, irgendwer schickt die Kinder also. Wir lassen die Kinder wissen, dass wir ihnen keine Babynahrung kaufen werden, sondern etwas für sie, was einen der Jungs nervös werden lässt. Er versucht uns zu überreden, bleibt aber erfolglos. Irgendwann sieht er ein, dass er sich die Babynahrung abschminken kann und sucht nach Alternativen. Wir lehnen ab, was zu teuer ist und stimmen irgendwann bei einer Süßigkeit für gerade einmal 85 Cent, die man auch gerecht aufteilen kann, zu. Der Kleine will sich noch vor der Bezahlung die Tüte schnappen, was ich aber vehement zu verhindern weiß. Der halbe Meter wird zusehends gestresster und beginnt auch langsam zu nerven. Es wird klar: Der Typ will nicht teilen. Wir bezahlen das Essen und verlassen mit den Kiddies den Supermarkt. Der Nervsack hängt noch immer am unteren Ende der Tüte und lässt nicht los. Also beginne ich ihn zu kitzeln, was dann endlich den gewünschten Erfolg mit sich bringt. Ich reiße die Tüte auf, woraufhin der Egoist laut: »No!«, ruft.
»We share!«, entgegne ich bestimmt.
»No!« Er ist nicht weniger bestimmend.
»Share!«, rufe ich lauter und beginne die kleinen Päckchen, die sich in der Tüte befinden aufzuteilen. Die anderen Kinder sind brav und ruhig, halten mir ihre Hände oder ihr T-Shirt entgegen und ich verteile das Essen. Zwei arme Mütter mit Babys in einer Halsschlaufe stellen sich auch an und bekommen ebenfalls etwas ab. Als der meckernde Dreikäsehoch an die Reihe kommt, reißt er mir die Tüte aus der Hand und rennt weg.
»He never shares«, sagt die Kassiererin, die mit uns aus dem Supermarkt heraus gekommen ist, und schüttelt dabei den Kopf.
Einige Tage später erfahren wir, dass die Masche mit der Babynahrung folgendermaßen funktioniert: Dumme Touristen kaufen den Kindern für fünf Dollar das Anrührpulver und gehen samariterhaft ihres Weges. Sind sie weit genug entfernt, geht das beschenkte Kind wieder in den Supermarkt und gibt dem Kassierer das noch immer verschlossene Päckchen zurück, wofür es zwei Dollar bar auf die Kralle bekommt.
Richtig dumme Ausländer geben den Kindern sogar Bargeld. Rebekka und ich beobachten solch eine Szene einmal: Zwei 50-jährige Französinnen schenken einem Kind mindestens fünf Dollar und spazieren um die nächste Ecke. Das Kind geht daraufhin auf die andere Straßenseite und liefert das Geld bei zwei 20-jährigen Mädels ab, die sich sämtliche Scheine in die eigene Tasche stecken. Wir wundern uns über die Naivität solcher Touristen und fragen uns, wie man nur so blöd sein kann. So wie wir es gemacht haben, ist es korrekt, denken wir uns: Eine geöffnete Tüte Essen kann man keinen skrupellosen Supermarktmenschen zurückverkaufen und auch keinen Zuhältern in den Rachen werfen. Traurig ist diese Situation aber allemal.

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