Tag 41: Das Giant und die Folterkammer der 200-Baht-Masseuse

Curry-Competition

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Montag, 5. April 2010
Chiang Mai

Wir erkunden aufs Neue Teile der schönen Altstadt und landen in der Ratchawithi Road im Kona Café. Der Name weckt schöne Erinnerungen und birgt für uns eine gewisse romantische Symbolik: 2004, während unserer ersten längeren Reise, die wir in Hawaii verbrachten, arbeiteten wir die ersten vier Wochen auf einer Bio-Kaffee-Farm in Kona.
Beim Betreten der Terrasse des Cafés begrüßt uns ein kleiner Hund, der wie Idefix aussieht. Da ich ihn streichelnd zurückgrüße, weicht er uns im Café nicht mehr von der Seite und benutzt meinen Fuß als Kopfkissen. Die Fruit Shakes sind hier aber leider nicht so der Bringer.
Rebekka hat von einem vegetarischen Restaurant zwei Ecken weiter gelesen. Wir begeben uns auf die Suche und finden das Restaurant leider im Umbau und somit geschlossen vor. Trotzdem lohnt sich dieser Spaziergang, da wir nur wenige Meter weiter in der Moon Muang Soi 6 das Giant Guesthouse entdecken.Bevor ich vom Giant schwärme, erkläre ich noch schnell, wie es zu solch kruden Straßennamen kommt: Die Moon Muang Road ist die Hauptverkehrsstraße, die die Altstadt im Osten begrenzt. Die Nebenstraßen haben in Chiang Mai – bis auf die größeren – keine eigenen Namen erhalten, sondern wurden durchnummeriert und mit dem thailändischen Wort für Gasse oder Weg – »soi« – versehen. Das Giant befindet sich somit in der sechsten Nebenstraße der Moon Muang Road.

Chiang Mai Map Auszug

Und es ist großartig: Das Giant bietet sehr günstige Gerichte an und verbreitet genau den Charme, nach dem wir eigentlich an jedem Ort unserer Reise suchen und bislang im Independent Bo auf Koh Chang noch am erfolgreichsten gefunden hatten: Backpacker-Atmosphäre! Die Nahrungssuche ist also beendet und das Giant gefunden.
Hier sitzen Menschen aus allen Ecken der Welt beisammen, die als Gäste des Hauses kostenlos Kaffee, Tee und Wasser konsumieren dürfen, mit den vom Guesthouse gestellten Notebooks gratis und jederzeit im Internet surfen können und sogar Fahrräder umsonst ausleihen dürfen. Che-Guevara-, Lenin- und »No more dictatorship in Thailand«-Fahnen wehen im Wind. Ein Doppelzimmer mit eigenem Bad kostet nur 250 Baht, mit Gemeinschaftsbad gerade einmal 160 Baht! Das Essen ist recht einfach, kostet aber auch nur 30 Baht und schmeckt gut. Viel spektakulärer aber ist die Show, mit der das Essen … sagen wir mal »organisiert« wird: Rebekka zum Beispiel bestellt sich Reis mit Ananas. Der lustig aussehende, dicke Thai-Kellner mit einem mir bislang völlig unbekanntem Ramones-T-Shirt notiert sich ganz normal die Bestellung und geht damit in die Küche. Kurz darauf kommt er wieder heraus, schnappt sich einen Roller und verschwindet für fünf Minuten. Als er wieder zurückkommt, hält er eine Ananas in der Hand. Die hatten sie wohl gerade nicht mehr vorrätig. Bevor er aber kommt und sagt: »Sorry, no more pineapple«, schwingt er sich lieber auf seinen Roller und kauft eben eine Frucht auf dem Markt. Extrem cool.
Bis das Essen hier serviert wird, dauert es jedoch so seine Zeit und ich bin zudem bereits fertig mit Essen, als Rebekka ihren Teller erst serviert bekommt. Lässig. Die Erdbeer-Shakes sind außerdem ganz großes Kino! Wir bestellen uns noch Tofu Bread, also Tofu auf Toastbrot. Als unser neuer Lieblingskellner, der durchaus mit dem Style des Coconut-Beach-Kellners auf Koh Pha Ngan konkurrieren kann, uns den Teller bringt, fragen wir ihn – Böses ahnend –, ob da auch Ei mit drauf sei.
»Egg? Yes«, lautet leider die Antwort. Oh, shit. Der Mann checkt sofort, dass wir nicht auf Ei stehen und sagt, dass das kein Problem sei und er uns eben einen neuen Teller macht. Ich sage ihm, dass er das Essen aber bitte nicht wegschmeißen soll und doch einen von den anwesenden Backpackern fragen soll, ob er oder sie nicht vielleicht … als sich plötzlich Jamie, ein netter Londoner Anfang 40 meldet und fragt, ob wir das nicht essen wollen. Leicht peinlich berührt, erkläre ich ihm, dass wir Veganer sind und nicht darauf geachtet haben, dass da Ei mit drauf ist.
»What is it?«
»Tofu bread … with egg«, erklärt der Kellner.
»Hm, sounds good. How much?«
»30 Baht.«
»Okay, I take it.«
Und schon ist das Problem gelöst. Was für ein toller Ort! Ein Spanier setzt sich zu Jamie und fragt, was er da isst.
»Tofu bread with egg. ¿Quieres? We can share.«
»How much?«
»15 Baht each.«
»Sounds good.«
Rock und Roll!
Nach dem Essen bleiben wir noch im Giant sitzen, als Jamie auf uns zukommt: »I’m going to 7-Eleven. Do you need something?«
Yeeehaw! Hier will ich hin! Rebekka geht es zum Glück genauso und so beschließen wir Folgendes:
Übermorgen wollen wir nach Pai, einem alten Hippie-Nest, das gut 150 Kilometer von Chiang Mai entfernt in den Bergen liegt. Dort wollen wir knapp drei Tage bleiben und dann wieder nach Chiang Mai zurückkehren. Wohin wir dann ziehen werden, ist nun klar.
… Und zwischendurch betritt noch eine Obsthändlerin den Hof des Giant und verkauft Jamie eine Ananas.
Abends wollen Rebekka und ich uns massieren lassen. Wir gehen zu einem Studio, dass mit 120 Baht die Stunde wirbt. Was für ein Preis. Letztlich entscheiden wir uns für eine 150-Baht-Ganzkörper-Thai-Massage, die wir schwer bereuen sollen … Zunächst fängt alles sehr gut an: Wir bekommen unsere Füße in frischem Zitronenwasser gewaschen – was sich aber schon etwas strange anfühlt … sich für solch einen Preis auch noch die Füße waschen lassen. Wow. Dann sollen wir unsere Klamotten gegen Textilien des Massage-Studios tauschen. Kein Ding, sieht zudem lustig aus. Tja, und dann werden wir massiert … oder wie wir nun sagen: massagiert. Massagiert ist eine Kombination der Worte »massiert« und »massakriert«. Die Damen schaffen es, wohl jeden einzelnen Nerv unserer Körper an der empfindlichsten Stelle zu berühren, wobei »berühren« ein untertriebener Ausdruck ist. Wie Ochsen drücken die zwei überall drauf und wir Greenhorns lassen es geschehen. Die werden schon wissen, was sie tun. Zwischendurch lassen sich die Damen noch von was und wem auch immer ständig ablenken, massieren mal nur mit einer Hand weiter und schieben mit der anderen den Vorhang beiseite, um zu sehen, was auf der Straße geschieht oder unterhalten sich mal kurz mit Personen aus dem Vorzimmer. Wirkt alles irgendwie seltsam und tut höllisch weh. Nach der Massagierung serviert man uns noch Tee und dann verlassen Rebekka und ich das Folterstudio. Die ersten fünf Meter fühlen sich noch ganz gut an, doch dann beginnt sich der Ganzkörperschmerz bei uns beiden zu manifestieren. Wir essen bei einem ziemlich verpeilt wirkenden Thai-Hippie-Künstler im Funky Dog zu Abend, als ich auf einmal stark abbaue: »Ich glaube, die haben mich krank massagiert.«
Und anscheinend liege ich mit dieser These nicht ganz falsch …

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