Tag 45: Die 800 Kurven nach Pai

Curry-Competition

2010 04 09 12.11.06

Freitag, 9. April 2010
Chiang Mai ā€“ Pai

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Mong, der kleine Angestellte des Giant, der laut Besitzer Mister Joe einen Blutegel zwischen den Augen sitzen hat, der schon so tief ins Hirn vorgedrungen ist, dass man ihn nicht mehr entfernen kann ā€“Ā es ist ein dicker, herausstehender Leberfleck ā€“, mƶchte uns einen Roller mit Schaltung geben. Da heute aber erst mein zweiter Tag Ć¼berhaupt ist, an dem ich ein motorisiertes Zweirad lenke, bitte ich ihn um einen Automatikroller. So einen hat das Giant jedoch leider nicht. Ist aber gar kein Problem: Er fƤhrt mich einfach mit seinem Roller zu einem Verleiher, der zum gleichen Preis Automatikroller verleiht: 150 Baht fĆ¼r 24 Stunden. Hier ist immer alles so schƶn problemlos und unkompliziert ā€¦
Laut Mong mĆ¼ssen wir Chiang Mai auf der nƶrdlichen HauptstraƟe verlassen und dann eigentlich nur noch geradeaus fahren. Klingt so, als kƶnnten wir das hinbekommen. Gegen zehn gehtā€™s dann mit dem geliehenen Roller los und wir sind im wuseligen Verkehrschaos von Chiang Mai.
Die Road hat ihren King zurĆ¼ck. Yeah, Baby!
Solch dichten Verkehr hatten wir in Koh Pha Ngan nicht, fƤhrt man aber selbstbewusst, weitestgehend egoistisch und ohne Hƶflichkeiten, kommt man ganz einfach von Ampel zu Ampel durch. Allzu viele Farangs fahren nicht mit dem Roller umher. DafĆ¼r sind die Songthaews meistens mit Menschen westlicher Herkunft besetzt. An einer Tankstelle tanken wir den heiƟen Ofen noch kurz voll und schon geht es die ersten 20 Kilometer im nach und nach weniger werdenden Verkehr in Richtung Norden aus Chiang Mai heraus und ich kitzle bis zu 90 km/h aus dem Maschinchen heraus. Uh yeah.
Man muss auf dem Weg nach Pai tatsƤchlich nur sehr selten abbiegen: Seit unserem Guesthouse sind wir noch keine fĆ¼nf Mal abgebogen, als wir zum letzten Mal fĆ¼r die nƤchsten gut 110 Kilometer die StraƟe wechseln. Ab sofort geht es nur noch geradeaus, wobei die letzten gut 90 Kilometer aus rund 800 Kurven Berg rauf und Berg runter bestehen. Halleluja.

Eine Gruppe kleiner MƤdchen kommt bei einer kleinen Siedlung auf die StraƟe gelaufen und winkt uns zu. Es sieht so aus, als ob sie uns anhalten wollen. Hm? Was wollen die denn? Ist was passiert? Ich drossele die Geschwindigkeit. Kurz bevor wir die MƤdels mit mittlerweile recht langsamer Geschwindigkeit erreichen, beginnen die Kiddies auf einmal breit zu grinsen und prƤsentieren uns unerwartet kleine Eimerchen, die sie hinter ihrem RĆ¼cken versteckt gehalten haben. Uns schwant, was nun passiert! Songkran steht vor der TĆ¼r! Ich gebe wieder Gas ā€¦Ā doch es ist zu spƤt und wir werden ordentlich geduscht. Uff, Mister Joe hatte recht.
Solche Szenen wiederholen sich auf unserer Fahrt gute zehn Mal und so werden wir zwischendurch immer mal wieder mit Wasser erfrischt und durchnƤsst. Erwischt werden wir auch jedes Mal, da man bei den Wasserkindern immer abbremsen muss, weil die StraƟe so nass ist und wir nicht ins Schleudern geraten wollen. AuƟerdem sind Ladungen, die man mit hoher Geschwindigkeit abbekommt, schmerzhaft.
Die Strecke ist total geil. Man durchquert kleine Dƶrfer und Siedlungen, die aus hƶchstens 20 HolzhĆ¼tten bestehen. GetrƤnke, Essbares und Sprit kann man aber Ć¼berall kaufen, was auch bitter notwendig ist, da es mal wieder wahnsinnig heiƟ ist und der Roller genauso viel Durst hat wie wir. Der Verkehr ist minimal und die Kurven teilweise echt krass. AuƟerdem wird auf der gesamten Strecke um uns herum der Wald brandgerodet. Wie das funktioniert, ohne dass der komplette Berg plƶtzlich in Flammen steht, ist uns ein RƤtsel. Ɯberall zwischen den Erhebungen sitzt der Rauch, der einfach nicht abzuziehen scheint. Die Aussicht ist dadurch stark eingeschrƤnkt: Allzu weit sieht man von hier oben nicht. Die Brandrodung wird Ć¼brigens durchgefĆ¼hrt, damit der Wald bei der allgemeinen Trockenheit nicht unkontrolliert beginnt niederzubrennen.
Am StraƟenrand ist eine heiƟe Quelle ausgeschildert. Die wollen wir uns mal anschauen. Nach sechseinhalb Kilometern auf einer von der StraƟe nach Pai abzweigenden kleinen StraƟe erreichen wir ein KassenhƤuschen!? Die heiƟe Quelle gehƶrt leider zu einem Nationalpark und der Kollege hinter der Kasse will tatsƤchlich vier Euro pro Person haben. Die Karte ist dann zwar auch am heutigen Tag fĆ¼r alle anderen SehenswĆ¼rdigkeiten des Nationalparks gĆ¼ltig, aber so viel Zeit haben wir gar nicht. SchlieƟlich wollen wir, mƶglichst noch vor der Dunkelheit, die 800 Kurven der BergstraƟe zurĆ¼ck nach Chiang Mai wieder hinter uns gebracht haben. Die heiƟe Quelle ist somit also leider gestorben und der Kassierer will keine Ausnahme machen und uns mal kurz fĆ¼r fĆ¼nf Minuten umsonst reinlassen. Schade.

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Nach vier Stunden erreichen wir Pai. Unsere Hintern schmerzen, meine Arme sind von der Sonne knallrot gefƤrbt und unser erster Eindruck von Pai ist nicht so grandios: Bevor man das eigentliche Dorf erreicht, reiht sich ein schickes Urlaubsresort an das nƤchste. Vom Hippieflair ist noch nichts zu spĆ¼ren. DafĆ¼r liegt Pai interessant: Man verlƤsst die extrem kurvige BergstraƟe und findet sich in einem staubigen, braunen Tal wieder, durch das sich ein kleiner Fluss schlƤngelt.
Im Ortskern wird es dann aber zum GlĆ¼ck besser beziehungsweise sogar richtig schƶn. ZunƤchst trinken wir etwas im Yellow Peace of Pai, einer sehr stylish gebauten Bambusbar. Die EingangstĆ¼r des sich noch in der Fertigstellung befindlichen Hauses ist im Hobbingen-Stil angelegt, also groƟ und rund. In der Bar im ersten Stock gibt es keine StĆ¼hle, sondern ausschlieƟlich Sitzkissen. Eine Front der Etage ist offen, weswegen man einen tollen Blick Ć¼ber den Fluss und das Tal genieƟen kann. Das Haus steht am nƶrdlichen Stadtrand, weswegen die Aussicht (noch) nicht verbaut ist.

Nach der Erfrischung im Yellow Peace of Pai fahren wir tiefer in den Ort hinein. Hier finden wir endlich das Hippieflair, das durch Thaksins harten Anti-Drogenkurs, bei dem in kĆ¼rzester Zeit massenhaft Dealer eingeknastet wurden, stark beeintrƤchtigt wurde. Heute wird in Pai vielerorts eher ein Cocktail geschlĆ¼rft als Gras geraucht.
Der Magen knurrt gewaltig und so gehen wir ins Good Life Mittagessen. Das Good Life ist ein rein vegetarisches Restaurant mit Bio-Anspruch. Die WƤnde des Bambusrestaurants sind Ć¼bersƤt mit KĆ¼beln, in denen leuchtend grĆ¼nes Weizengras gedeiht. Das frisch gepresste, gesunde Kraut kann man sich in Drinks mixen lassen. Hatten wir in Thailand noch nicht, also her damit. Die giftgrĆ¼nen Shakes schmecken nach einem frischen StĆ¼ck Wiese. Na, wenn das mal nicht muy gesund ist.

Gegen 17 Uhr treten wir den RĆ¼ckweg an.

Nach gut zwei Stunden auf der BergstraƟe fahren wir auf einmal durch ein bestimmt drei bis fĆ¼nf Kilometer langes WaldstĆ¼ck, das auf unserer Hinfahrt noch vƶllig intakt war, nun aber vollends niedergebrannt ist! An manchen Stellen schwelt das Feuer noch und der Rauch brennt in den Augen. Eine extrem seltsame und befremdliche AtmosphƤre.
Als die Sonne untergeht, kommen die Insekten hervor, machen Krach und stĆ¼rzen sich suizidal gegen unser Rollerlicht, unsere Gesichter und meine Brust. Wenn ab und an dann etwas KinderfaustgroƟes gegen meine Schulter oder meinen Hals platscht, ist das auch ganz schƶn eklig.
ZurĆ¼ck dauert es wieder gut vier Stunden. Neben dem Hintern schmerzen mir nun auch die HƤnde, speziell die rechte, mit der ich heute acht Stunden lang Gas geben musste. Das war ein anstrengender, aber auch verdammt cooler Trip. Im Giant spricht sich unsere Aktion dann auch recht schnell herum und Jamie bewundert uns: Ā»The vegan ones are the toughest ones.Ā«

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