Tag 55: Die Höhlen von Chiang Dao und der weiße Tempel

Curry-Competition

Montag, 19. April 2010
Chiang Mai – Tham Chiang Dao – Wat Rong Khun

Weil es so viel Spaß macht, preiswert ist und wir den spektakulären weißen Tempel Wat Rong Khun sehen wollen, machen wir heute den nächsten Tagesausflug mit Mister Joes Pick-up. Morgens um sechs geht es los. Neben uns vier von gestern kommt noch Raphael aus der Schweiz mit. Mong fährt uns wieder und wird sich auch heute bei jedem einzelnen Stopp, den wir machen, zum Schlafen auf die Ladefläche legen. Da unsere Hintern gestern ordentlich geschmerzt haben, entschließen wir uns dazu, unsere Kissen aus unseren Betten auf der Fahrt als Sitzkissen zu nehmen, was Mong während seiner Schlafpausen auf praktische Weise für sich auszunutzen weiß.
Wir verlassen Chiang Mai in Richtung Norden und steuern Chiang Dao an. Wir wollen auf dem langen Weg nach Chiang Rai noch den einen oder anderen Zwischenstopp einlegen. Bei diesem Stopp wollen wir die riesigen Höhlen von Chiang Dao anschauen. Da es noch früh ist und wir uns in der Nebensaison befinden, besucht außer uns kein anderer Tourist das Höhlensystem. Mong parkt den Wagen und verabschiedet uns mit einem kurzen: »I sleep.«
Am Eingang zur Höhle kassiert man 20 Baht pro Person für den Eintritt und noch mal 20 Baht für »electricity«. Dann zerrt der Kassierer plötzlich einen älteren Herrn ran, den er als unseren Führer vorstellt. Er arbeitet ehrenamtlich hier und freut sich sehr über ein Trinkgeld am Ende der Tour. 40 Baht also, plus ein Trinkgeld, das man in der Gruppe zahlt. Klingt nach einem vernünftigen Deal.

Chiang Dao (1)

Wir steigen die mit wunderschön verzierten Dächern geschmückte Treppe zur Höhle hinauf und stellen kurz darauf fest, dass die Höhlen nur im Eingangsbereich mit Neonröhren ausgeleuchtet werden. Eine Ecke weiter stehen wir auf einmal im Stockdunkeln und unser Führer dreht seine Öllampe an.

Chiang Dao (2)

Der Komplex besteht aus fünf für Touristen begehbaren Höhlen: Tham Phra Non (360 Meter) und Tham Suea Dao (540 Meter) werden mit elektrischem Licht ausgeleuchtet. Die restlichen drei – Tham Maa (765 Meter), Tham Kaew (476 Meter) und Tham Naam (660 Meter) – verfügen über keine Lichtquelle. Insgesamt erstreckt sich das Höhlensystem über sage und schreibe zwölf Kilometer durch den Berg Doi Chiang Dao.
Die angenehm – im Vergleich zu draußen – kühle, aber laut Rebekka stark nach Fledermauskacke stinkende Höhle, ist nicht zuletzt aufgrund der Atmosphäre durch die uns umgebende Dunkelheit beeindruckend. Stalaktiten und unzählige Fledermäuse hängen von der teilweise zehn Meter hohen Decke herab und Stalagmiten wachsen aus dem Boden heraus. »Omelette« nennt unser kauziger Führer einen frisch entstehenden Stalagmit, der bislang nur aus einer weißen, milchglasartigen Fläche besteht. Ein »Neugeborenes« könnte man sagen.
»Waterfall, horse, chicken, …«
Unglaublich viele Felsen haben Ähnlichkeiten mit irgendwelchen Gegenständen, Tieren oder Figuren, auf die uns der ältere Thai immerzu aufmerksam macht. Außerdem sagt er ständig: »Mind your head!«
Zwischen all den hohen Hallen gibt es nämlich auch genügend schmale und niedrige Durchgänge, durch die man ab und an auch mal in der Hocke durch muss. In Situationen wie diesen, in denen man besser etwas auf seine Rübe aufpassen sollte, sagt unser Guide sein: »Mind your head!«, aber nicht nur einmal, sondern immer gleich fünfmal! Für jeden Farang einmal. Lustig.

Chiang Dao (4)

An einer Stelle in der Höhle werden wir auf einmal vor einem 300 Meter tiefen Loch gewarnt. Da es keine Absperrung zu dem abartig tiefen Loch gibt und es auch hier ohne die Lampe des Thais stockdunkel wäre, ist die Warnung also durchaus angebracht. Hineingestürzt ist in das Loch, an dessen Ende Wasser sein soll, laut unserem Fremdenführer aber noch niemand.
Ein anderer Teil der Höhle wird in der Regenzeit immer geflutet. Gute zwei Meter steht dann das Wasser im Tunnel, in dem auch schon seit 300 Jahren ein liegender Buddha alljährlich in der Flut versinkt.

Chiang Dao (3)

Bevor wir Mong wecken, setzen wir uns kurz in ein Restaurant. Über einer Bank hängt ein erschreckend echt aussehender, verbrannter und vom Körper abgetrennter Kopf.
»From Rambo!«, erklärt uns die stolze Chefin. Für den dritten und den vierten Teil der Actionfilmreihe wurden Szenen im Distrikt von Chiang Mai gedreht. Offensichtlich konnte die Chefin eine Requisite abstauben.
Wir fahren weiter in Richtung Fang. Zum kurz vor Chiang Rai gelegenen weißen Tempel kann man entweder über Fang, Thaton und nahe an der burmesischen Grenze entlang in Richtung Laos fahren oder man nimmt die südlicher gelegene, kürzere Route durch das »Nirgendwo«. Da der Trip sowieso schon zeitlich knapp bemessen ist, entscheiden wir uns für die Route durch das Nirgendwo. Es ist Mittag, weswegen wir alle Hunger bekommen. An einem Essensstand halten wir kurz an, fahren aber direkt weiter, weil es nichts Vegetarisches gibt. Wir sind heute vier Pflanzenfresser an Bord. Hätten wir geahnt, dass von nun an auf unzählig vielen Kilometern kein Haus und kein Dorf mehr kommen werden, hätten wir der Köchin bestimmt verklickern können, dass sie uns etwas kochen soll, das nicht auf ihrer Speisekarte steht. So hungern wir nun auf der Ladefläche vor uns hin, während wir eine kurvenreiche Panoramastraße entlangfahren. Die Landschaft ist anders als bislang: Steile Hänge fallen auf der einen Seite der Straße hinab in tiefe, steppenartige Täler. Durch die Dürre herrschen bräunliche Töne vor. Man kann aber leicht erahnen, wie schnell die komplette Region in eine grüne Oase verwandelt wird, sobald der Regen kommt. Die Aussicht ist toll. Die Steilwände auf der anderen Straßenseite sind zu großen Teilen mit Zement übergossen – wohl um Erdrutsche zu verhindern. Das klingt schlimmer, als es tatsächlich aussieht: Die steilen Zementwände wirken wie massive Felsen, die immer mal wieder mit kreisrunden Löchern versehen wurden, aus denen Pflanzen wachsen.
Neben dem Hunger setzt uns nun auch noch die Hitze zu. Wir bitten Mong, nach einem Wasserfall Ausschau zu halten. Irgendwo im Nirgendwo finden wir dann auch tatsächlich ein Schild, das einen Wasserfall ankündigt. Wir verlassen die Bergstraße und rutschen eine nahezu senkrechte Schotterpiste ins Tal hinab. Hoffentlich hat der Pick-up Vierradantrieb …
Im Tal angekommen, passieren wir ein recht schickes Hotel. Keine Ahnung, wie die Gäste bekommen. Raphael vermutet, dass reiche Hollywood-Schauspieler hier auf Drogenentzug sind. Wenige Kilometer hinter dem Hotel finden wir ein kleines Dorf. Mong glaubt, dass es sich bei den Bewohnern um ein Bergvolk handelt. Unser Guest-House-Manager fragt einige Dorfbewohner, welchem Volk sie angehören. Mit der Antwort kann aber leider keiner von uns etwas anfangen. Entweder habe ich noch nie etwas von diesem Volk gehört oder Mongs Englisch reicht nicht aus. Es war auf jeden Fall irgendwas mit »thai«. Vermutlich hat der Dorfbewohner so etwas wie: »Wir sind Thais, du Witzbold«, geantwortet.

Zwischen Chiang Mai und Chiang Rai - Dorf (1)

Zwischen Chiang Mai und Chiang Rai - Dorf (2)

Der Wasserfall ist beim Hotel, erklärt man uns. Wir entschließen uns dazu, uns die Siedlung ein wenig anzuschauen, bevor wir zum Wasserfall umdrehen. Die Menschen in diesem Dorf leben in einfachen Holz- und Bambushütten mit Strohdächern. Schweine und Hunde laufen frei umher. Auf dem Dorfplatz sitzen ein Mann und zwei Frauen gemeinsam mit einem Hund und einem gehbehinderten Affen auf dem Boden. Wenige Meter weiter klopft ein Mann mit einer Bambusstange Obst von einem großen Baum. Es fühlt sich so an, als wäre hier aller Stress weit, weit weg.

Zwischen Chiang Mai und Chiang Rai - Dorf (3)

Ein Dorfbewohner teilt uns mit, dass es auch einen Wasserfall nahe der Siedlung gibt. Klingt doch super. Der Mann steigt zu Mong in den Wagen und lässt uns eine schlammige Piste entlangfahren. Wir kommen allerdings nicht weit und müssen nach nicht einmal zehn Metern bereits den Pick-up aus dem Matsch drücken. Der Mann zeigt uns den Weg zum Wasserfall nun zu Fuß: Es geht einen sehr steilen Trampelpfad hinunter, tiefer ins Tal hinein. Dort einmal quer über ein kleines Feld und ins Bambusgestrüpp hinein und schon stehen wir an einem schmalen, braunen Flüsschen, vor einem knapp eineinhalb Meter hohen Wasserfällchen. Der kleine Gießbach führt aber eine recht ordentliche Menge Wasser und so können wir unsere durch Hunger und Hitze strapazierten Körper in der lauwarmen Kühle des Stromes ein wenig entspannen.
Der Pick-up verfügt zwar über keinen Four Wheel Drive, kann den steilen Schotterweg aber tatsächlich erklimmen. Auf der Bergstraße geht es weiter in Richtung Chiang Rai und unsere Mägen knurren immer lauter. Irgendwo kurz hinter dem Nirgendwo bekommen wir dann endlich etwas zu Essen. Mittlerweile ist es schon 17 Uhr, die Hintern schmerzen trotz Kissen schon ordentlich und allzu lange sollten wir uns nicht mit Essen beschäftigen, da der Tempel vermutlich um 18 Uhr seine Pforten schließt.
Gegen zehn nach fünf erreichen wir den Wat Rong Khun … und finden ihn verschlossen vor. Der Tempel schließt um 17 Uhr. So ein Scheiß. Nichtsdestotrotz können wir das wahnsinnige Bauwerk von außen genießen. Seit 1997 ist der noch immer nicht vollendete Tempel bereits im Bau. Wann die Fertigstellung sein wird, steht noch nicht fest. Ich habe von »mehreren Jahrzenten« gehört, die es noch dauern soll. Man könnte den buddhistisch-hinduistischen »White Temple« also als das thailändische Äquivalent zur Sagrada Família in Barcelona bezeichnen. Wie bei der Sagrada Família steht auch hier ein Künstler hinter dem Projekt: der aus dieser Region stammende Chalermchai Kositpipat, mit dem man sich auch, dank mehrerer Fotoaufsteller aus Pappe und in Originalgröße, fotografieren lassen kann. Der Künstler wohnt übrigens mitten in der Tempelanlage in einem beeindruckenden goldenen Haus, das im Erdgeschoss die öffentlichen Toiletten beherbergt. Der Tempel ist extrem modern. »Extrem«, weil er es wagt, eine religiöse Stätte mit Pop zu verbinden: Vor dem Tempel stehen Figuren, die weniger an Religion als vielmehr an Manga und Anime erinnern. Aus dem sogenannten »Höllenloch« greifen Dutzende Hände nach oben ins Nichts. Manche halten an »Predator« erinnernde Totenköpfe in die Höhe und fliegende Monster, die einem Fantasyfilm entsprungen zu sein scheinen, sind im Garten verteilt. Im Innern des Tempels sollen sogar »Star Wars«- und »Superman«-Motive Teil der Wandmalerei sein, womit der Künstler die Konsumgier kritisiert. Kositpipat macht mit seinem Tempel generell so manche Aussagen: Neben dem Wat beeindrucken ein Nichtraucherschild und eines, das vor Alkohol warnt.
Wat Rong Khun ist wirklich einmalig und absolut fantastisch … und dazu noch komplett in Weiß. Ebenfalls einmalig und absolut fantastisch scheint auch mal wieder der Anblick meiner Wenigkeit zu sein. Zumindest werde ich beim Fotografieren von einem jungen Thai gefragt, ob es okay wäre, mich zu fotografieren. Klar, kein Ding. Freut mich doch. Er lächelt, geht zwei Meter zurück und macht somit Platz für drei Mädels, die urplötzlich an ihm vorbeischießen und sich um mich herum postieren. Zeige- und Mittelfinger an die Schläfe und schon sind die Teenies bereit, geknipst zu werden. Der Fotograf macht zwei, drei Bilder von uns und kommt danach auf mich zu.
»Now me«, sagt er auf einmal und übergibt einem der Mädchen die Kamera. Vielleicht sollte ich Modell in Thailand werden …

Wat Rong Khun (1)

Wat Rong Khun (2)

Wat Rong Khun (3)

Wat Rong Khun (4)

Wat Rong Khun (5)

Wat Rong Khun (6)

Wat Rong Khun (7)

Wat Rong Khun - Klohäuschen
Das Klohäuschen …

Wat Rong Khun - Chalermchai Kositpipat
… und der Künstler

Die Sonne geht unter und ein Gewitter kündigt sich aus Chiang Rai kommend an. Gegen eine Abkühlung des Klimas durch etwas Regen hat keiner von uns etwas. Es muss aber nicht unbedingt genau dann sein, wenn wir noch ewig viele Stunden Rückweg auf einer offenen Pick-up-Ladefläche vor uns haben. Mong hat’s aber drauf und lenkt uns sicher und trocken in Richtung Chiang Mai zurück. Nicht mehr allzu weit vor Chiang Mai halten wir kurz bei Thailands höchstem Geysir, aus dem nach Schwefel riechendes, warmes Wasser spritzt. Es gibt auch ein angelegtes Becken, in das man sich hineinlegen oder einfach nur seine Füße hineinhalten kann. Das Wasser darin ist warm, wie in einer Badewanne. Außerdem soll es noch ein Becken geben, in dem man tagsüber – als kleiner Gag für die Touristen – Eier kochen kann!
Als wir wieder in Chiang Mai ankommen, halten wir an einer Ampel am Stadtrand. Die Fahrerin des Wagens neben uns kurbelt plötzlich ihre Fensterscheibe herunter und ruft uns zu: »Welcome to Chiang Mai, Thailand!«
Ach, da geht einem doch das Herz auf. Wie kann ein Volk nur so herzlich sein?
»My friend here …« Sie zeigt auf ihren Beifahrer: »He wants to say …«
»Oh, no, no, no, no, no!« Der Mann macht sich ganz klein und duckt sich schüchtern.
Sie lacht: »He wants to say: Welcome to Chiang Mai, Thailand!«
Nachdem sie uns zum zweiten Mal begrüßt hat, schaltet die Ampel auf grün und die beiden biegen winkend ab.
We love Chiang Mai, Thailand … aber morgen hauen wir leider ab.

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