Tag 59 – Teil 2: Epilog im Suq von Manama
Curry-Competition
Freitag: 23. April 2010
Manama, Bahrain
Der Flieger landet in Muharraq, einer Stadt im Norden des kleinen Inselreiches mit 75.000 Einwohnern. In Muharraq befindet sich der internationale Flughafen Bahrains. Manama ist mit einem Straßendamm direkt mit der zweitgrößten Stadt des Landes verbunden.
Nachdem wir den Flieger verlassen haben, gehen wir zum Informationsschalter, wo wir uns darüber erkundigen wollen, ob eine Ein-Tages-Einreise unproblematisch möglich ist. Der Kollege am Schalter hört uns aber erst gar nicht richtig zu und schickt uns direkt zu einem anderen Schalter, an dem wir, so der Mann vom Infoschalter, ein kostenloses Shuttle nach Manama und ein ebenfalls kostenfreies Hotelzimmer bekommen sollen. Oha. Ja, dann probieren wir das doch mal aus. Merkwürdige Geschichte … oder einfach nur unglaublich gastfreundlich?!
In der Schlange des anderen Schalters erfahren wir, dass in unserem Flugzeug neben Passagieren, die nach Frankfurt weiterreisen auch Reisende saßen, deren Ziel Amsterdam beziehungsweise Paris ist. An diesen Flughäfen hinkt man anscheinend wegen der Aschewolke noch dem Zeitplan hinterher, weswegen die Farangs, die dorthin fliegen, einen unfreiwilligen und nicht gebuchten zehnstündigen Aufenthalt im Bahrain zu ertragen haben. Als Entschädigung hierfür offeriert Gulf Air den Touristen ein kostenloses Eintagesvisum für den Bahrain, ein Shuttle in die Stadt sowie später wieder zurück zum Flughafen und ein Hotelzimmer samt Abendessen. Und was ist mit den Frankfurtern? Als wir nach einer guten halben Stunde endlich am Tresen ankommen, erfahren wir, dass ein zusätzlicher Flieger bereitsteht, weswegen die Frankfurter direkt weiterfliegen können oder besser müssen. Hm, wollen wir doch aber gar nicht. Und wieso hat man nicht einfach einmal laut: »Alle Frankfurter bitte hier entlang«, gerufen und somit die Schlange und damit auch die Wartezeit für die Pariser und Amsterdamer halbiert? Die Leute hier am Flughafen sind mit der »Ausnahmesituation« maßlos überfordert.
Man lotst uns zur Handgepäckkontrolle, wo man uns zunächst die Wasserpistolen wegnehmen will.
»In Bangkok hat da keiner herumgemeckert«, lasse ich den arabischen Bullen wissen.
»What airline?«, fragt er.
»Same same«, antworte ich in perfektem Thai.
»Why do you have guns with you?« Der Mann versteht die Welt nicht mehr.
»To celebrate the new year.« Jetzt hält er mich vermutlich für komplett bescheuert. Ein Europäer kommt vorbei und verwirrt den Mann noch mehr: »Yeah! Happy Songkran!«
Während er das sagt, macht er mit seinen Fingern eine Schussbewegung. Der bahrainische Kollege gibt hiernach endgültig auf und lässt Rebekka und mich bewaffnet zur Passkontrolle weiterziehen.
An der Passkontrolle werden wir interessanterweise darauf hingewiesen, dass wir die Wahl haben: Wir können entweder mit dem Zusatzflieger direkt nach Deutschland weiterfliegen oder uns einmal auf Kosten von Gulf Air Manama anschauen. Der Mann hat seinen Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da stehen Rebekka und ich schon wieder am Hotelzimmerschalter an. Eine weitere halbe Stunde später erreichen wir zum zweiten Mal den Tresen und fragen diesmal nicht, was unsere Möglichkeiten sind, sondern lassen den Mann direkt wissen: »We need a hotel room.«
Der Mann schaut uns an, scheint sich an uns zu erinnern: »Where do you go to?«
»Frankfurt«, antworte ich.
»You want to stay in Bahrain? Have a look at Manama?«
Wir nicken und er beginnt zu lachen. In der Schlange hinter uns bekommen wir eine hohe Intelligenz zugesprochen und am Tresen vor uns ein Hotelzimmer. Rock und Roll.


Das Klima im Bahrain ist sehr angenehm und die Luft gelb! Aufgrund der Tatsache, dass rund um Bahrains Städte und Siedlungen kaum etwas anderes als feinster Wüstensand zu finden ist, vermischt sich dieser mit der Luft. Dadurch ist aber auch die Sicht beeinträchtigt; man kann nicht allzu weit blicken. Durch den sandigen Schleier ist selbst der Blick in die Sonne möglich ohne sofort zu erblinden. Die goldene Scheibe erscheint uns im Bahrain sowieso nicht wie die uns bekannte Sonne: Die Sonne ist weiß mit einem bläulichen Touch! Verrückt.


Die Sicht ist eingeschränkt: Im Hintergrund kann man die Skyline Manamas nur erahnen
Mit einem Kleinbus geht es in Richtung Manama. Die Gebäude der 150.000-Einwohner-Stadt sind entweder sandfarbene Steinbauten oder gläserne Hochhäuser. Dass der Bahrain ein reiches Land ist, ist deutlich zu sehen.
Man bringt uns im Golden Tulip unter, wo wir aber nicht lange bleiben. Wir legen unser Handgepäck ab, freuen uns dabei noch einmal darüber, dass wir weder Visum noch Taxi zu zahlen hatten und nun auch noch ohne unser Handgepäck durch die Stadt laufen können, und schon geht unsere Erkundung der arabischen Stadt los.




Wir durchqueren das Manama Gate. Interessant hierbei ist die Tatsache, dass dies früher die Stadtmauer und auch die natürliche Stadtgrenze war: Alles, was außerhalb des Tores liegt – unter anderem auch unser Hotel – war vor einigen Jahren noch Meer! Man kennt es ja bereits aus Dubai: Wo kein Platz mehr für Häuser ist, schüttet man mal schnell Sand ins Wasser und schon ist das Land größer. Totaler Wahnsinn.
Hinter dem Tor sieht Manama plötzlich anders aus. Die Häuser sind niedriger, Glaspaläste gibt es keine mehr. Unweit hinter einer Moschee beginnt der Suq, also die Konsummeile.


Der Suq zieht sich durch etwas breitere, größtenteils aber schmale Gässchen über mehrere Blocks hinweg. Zu kaufen gibt es von Gewürzen über Kleidung bis hin zu Schmuck und Handys alles. Dass wir uns in einer stark patriarchalischen Gesellschaft befinden, merkt man an den überproportional vielen Männern, die man in den prall gefüllten Gassen des Suq sieht. Erstaunlicherweise – zumindest hätte ich damit nicht unbedingt gerechnet – schenken einem auch die Bahrainer gerne mal ein Lächeln. Man muss zwar den Lächelreigen eröffnen – was ich nach zwei Monaten Thailand schon mit einem beachtlichen Automatismus tue –, bekommt dann aber auch in gut 70 % der Fälle ein freundliches Lächeln zurückgeworfen. Für ein Land, in dem Homosexualität bei Männern verboten ist und mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft wird, sieht man verwirrend viele Männer händchenhaltend oder Arm in Arm durch die Straßen ziehen. In Deutschland wäre man bei solchem Körperkontakt in der Öffentlichkeit eindeutig schwul, hier symbolisiert es offenbar echte Freundschaft … schätze ich mal.






Rebekka wird ignoriert, wohingegen mir die Verkäufer, die anscheinend nicht so oft Europäer sehen, die mit legerer Kleidung anstelle von Anzügen daherkommen, ihre Waren anpreisen. Da wir aber überhaupt keine Dinar besitzen, müssen wir die Händler enttäuscht zurücklassen. Ein Händler wendet dabei eine extrem putzige, aber auch irgendwie leicht perfide Taktik an: Als er meine blonden Haare seinen Laden passieren sieht, springt er mir mit vor Aufregung relativ hoher Stimme entgegen: »Moment, moment!«
Er schnappt sich eine Kufiya, also ein »Palästinensertuch«, und setzt sie mir auf den Kopf.
»Oh, no, no, no«, versuche ich den Mann abzuhalten.
»Want no money. No money. Just try.«
Hm, na dann hau rein, Alter. Als Nächstes kommt die Agal, eine breite, schwarze Kordel auf meinen Schädel, damit die Kufiya einen besseren Halt auf meinem Kopf hat. Rebekka fotografiert fleißig und ich denke, jetzt wäre es geschafft, als der lustige Araber auf einmal einen arabischen Anzug aus seiner Plastikverpackung herausholt.
»Oh, no, no, no!«, rufe ich erneut. Jetzt reißt er schon die Packungen auf … Er winkt ab, kommt wieder zu mir und hält mir den Anzug vor die Brust.
»Thank you very much«, bedanke ich mich für die amüsante Show.
»Only 17 Dinar.«
»I’m sorry, we have no money.«
Das bezweifelt er stark, also erkläre ich ihm, dass wir nur auf unseren Flieger warten und lediglich für wenige Stunden hier gestrandet sind. Das glaubt er mir und lässt uns schwer enttäuscht von dannen ziehen.

Wir sind hungrig und beschließen, zehn Euro in Bahrain-Dinar umzutauschen. In einem kleinen, unscheinbaren Imbiss, von denen es erstaunlich wenige im Suq gibt, versuchen wir einheimisches veganes Essen zu bestellen. Wir haben keine Ahnung, was genau man im Bahrain isst. Döner? Eine Karte gibt es nicht, weswegen der Kellner, der unglücklicherweise einer von wenigen Bahrainern zu sein scheint, der kein Englisch spricht, uns nur Sandwiches anbietet. Als die Sandwiches zubereitet werden, sehen wir, dass am Nachbartisch indisch aussehendes und riechendes Essen serviert wird. Das ist ärgerlich, weil wir auf so etwas durchaus Appetit gehabt hätten. Was soll’s …
Als wir den Suq verlassen, stelle ich fest, dass man die klitzekleinen Sandkörner, die durch die Luft schwirren, in der Dunkelheit auf Fotos, die man mit Blitzlicht macht, sehen kann! Mit etwas Konzentration spürt man die Körnchen sogar auf der Haut und im Auge. Klingt unangenehm, ist es aber nicht wirklich. Der Sand ist so fein, dass er sich nicht festsetzt, sondern sich wie Schnee direkt wieder aufzulösen scheint.
Gelbe Luft, weißblaue Sonne, beschränkte Sicht, händchenhaltende Araber, nach Gewürzen riechende enge Straßen und ein lebhafter Suq: eine spannende Ausbeute für wenige Stunden Bahrain.
Im Hotel essen wir noch einmal kostenlos zu Abend, schauen uns müde deutsche Nachrichten auf Englisch im Deutsche Welle TV an und lesen zur Gute-Nacht-Lektüre ein wenig im Telefonbuch von Manama. Nach ein, zwei Stunden Schlaf geht’s mit dem Shuttle schon wieder zurück zum Flughafen.
