Tag 11: Bad Kreuznach
Das Tagebuch des Straßenlesers: 1. Tour (2015)

Donnerstag, 17. September 2015
Bad Kreuznach
Ich fahre mit Julia nach Bad Kreuznach. Das Wetter? Natürlich nieselt es. Wir spazieren durch die Fußgängerzone der Kurstadt in Richtung der Brückenhäuser. Im Kornmarkt sehe ich den geeigneten Ort für meine Lesung. Wider erwarten verläuft die Lesung sehr gut: Kaum fange ich an, sitzt auch schon ein Pärchen auf meiner mitgebrachten Isomatte und hört angeregt zu. Auch andere Passanten nehmen sich die Zeit, um – manche kürzer, andere länger – zuzuhören. Irgendwann fällt mir ein Mann um die 60 auf, der, mit Sonnenbrille auf der Nase, circa zehn Meter entfernt von mir minutenlang bewegungslos dasteht. Ist das ein Blinder? Und steht er tatsächlich da und hört mir zu? Eine Frau kommt auf mich zu. Sie teilt mir mit, dass der Herr ihr Ehemann ist und er mir tatsächlich zuhört. Nicht nur das: Es gefällt ihm. Sie stellt mir in seinem Auftrag Fragen, die ich ihm durch mein Mikrofon sofort beantworte. Außerdem soll sie mir ein Buch für die Tochter abkaufen. Es freut mich ungemein, dass meine Straßenkunst auch für Sehbehinderte etwas Neues und Interessantes ist. Darüber hatte ich nie nachgedacht. Vielleicht sollte ich öfter mal für Blinde lesen …
Bingen
Julia und ich fahren von der Nahe an den Rhein: nach Bingen. Der Großteil von Julias Freundeskreis lebt hier, wodurch wir auch eine Übernachtungsmöglichkeit haben und nicht nach Alzey oder Mainz zurückfahren müssen. Leider schüttet es in Bingen, was eine Straßenlesung unmöglich macht. Dafür bleibt umso mehr Zeit, die Freunde meiner Freundin kennenzulernen. Ja, so lange sind wir noch nicht zusammen. Und die Binger Gang ist mir noch nahezu gänzlich unbekannt. Doch seit heute kenne ich endlich auch Ciaran, Jungi, Tubsen und den Preußelbär …