Tag 28: Köln
Das Tagebuch des Straßenlesers: 1. Tour (2015)

Samstag, 3. Oktober 2015
Köln
Wenige Tage nach der »Kölner Enttäuschung« kommentiert die einzige Käuferin des Buches einen meiner Facebook-Einträge und lässt die leichte Enttäuschung – puff – sich in Luft auflösen:
»Ich hab Dich vor ein paar Tagen in Köln gehört und auf der heutigen Rückreise nach Hamburg Dein Buch verschlungen! Mannomann … mein Buch des Jahres2015! Unglaublich spannend und authentisch! Viel Erfolg für dich und ›gutes Karma‹.«
Düsseldorf
Ich fahre weiter nach Düsseldorf. Zum Lesen komme ich nicht mehr, doch es ist Samstag Abend und ich habe Lust auf Abendprogramm. Ich habe die Düsseldorfer Altstadt schon mal nach einem Spiel des FC St. Pauli unsicher gemacht, kann mich aber kaum noch dran erinnern. Muss also ein guter Abend gewesen sein, höhö.
Als ich durch die Altstadt spaziere, bin ich doch sehr überrascht: Sieht das hier jeden Samstag so aus oder gibt’s ’nen bestimmten Grund, dass die Gassen so brechend voll und extrem laut sind? Feiert die Jugend etwa den heutigen 25. Tag der Deutschen Einheit? Hoffentlich nicht. Wir haben seit einiger Zeit sowieso schon ein äußerst widerliches Problem mit Patriotismus und Nationalismus in diesem Land. Aber nach einer Patrioten-Party sieht’s nun wirklich nicht aus. Allerdings ist die Musik in 99 % der Kneipen zum Kotzen. Es dauert ewig, bis ich endlich eine Kneipe finde, in der Rock der härteren Gangart und kein Schlager oder Elektro-Müll gespielt wird. In der Kneipe ist alles voll, was aber kein großes Problem darstellt, da sowieso vor der Kneipe die ausgelassenere Stimmung zu sein scheint. Als ich nach einiger Zeit endlich mal mit jemandem ins Gespräch komme, muss ich feststellen, dass der Mann, der an einer Krücke läuft, der denkbar unpassendste Partner für eine Partynacht ist: Er meckert und meckert und meckert über die Diskriminierung von Behinderten in Deutschland. Da hat er mit Sicherheit nicht unrecht … aber bitte keine politischen Diskussionen heute Abend. Ändert ja doch nichts. Und ich will nicht der Brechkübel eines Frustrierten sein. Mit einer halbwegs geschickten List entferne ich mich von ihm und zwangsläufig auch von der Kneipe: »Ich muss mal aufs Klo.«
Als ich wieder zurückkomme, beschwert er sich zehn Meter weiter bei seinem nächsten Opfer … und ich? Ich »übersehe« ihn und mache mich vom Acker.
Ein Junkie-Mädel will mir einen blasen oder mit mir schlafen – gegen Bezahlung natürlich. Ich habe natürlich überhaupt kein Interesse daran.
»Na, und wat machste heut’ noch?«, fragt sie mich, während sie sich ständig die Nase hochzieht und an selbiger herumspielt.
»Ich gehe gleich in mein Auto und penne da.«
»In deinem Auto? – Willste mich verarschen?«
»Nein?«
»So einer wie du pennt doch nicht in seinem Auto. Was is’n das für’n Auto?«
»Ein Renault Clio.«
»Klar.«
»Doch. Ist so. Ich bin derzeit auf Tour, als ›Deutschlands erster Straßenleser‹ und …«
»Ey, du musst mich echt nicht verarschen!«
Hab ich nicht und hatte ich nie vor. Aber jetzt kann sie mich auch gerne wieder in Ruhe lassen. Bevor ich mir einen möglichst nicht verletztenden Abschiedsspruch einfallen lassen muss, haut sie von ganz alleine wieder ab. Und ich spaziere zurück zu meinem Auto und haue mich aufs Ohr …