Tag 43: Berlin

Ich bin wieder zurück in Berlin. Der Herbst übernimmt allmählich endgültig das Zepter. Ein Sonntag im Mauerpark ist aber auch bei mittelprächtigem Wetter seinen Weg noch wert. Es ist zwar nicht annähernd so viel los wie im Sommer, aber noch fühlt es sich auf der Grünfläche neben dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark so an, als besuche man ein allwöchentliches Festival inmitten einer Großstadt. Im Sommer ist es nun einmal auch so: Jeden Sonntag tingeln Tausende Menschen in den Mauerpark – ein Geheimtipp ist das schon lange nicht mehr. Die Publikumsmagneten sind der Flohmarkt und das »Bearpit Karaoke« des Iren Joe Hatchiban.

Sonntags Karaoke im Mauerpark

Meine heutige Lesung soll der Abschluss meiner Straßenleser-Tour 2015 darstellen. Nachdem ich bislang in Thüringen, Franken, Hamburg, Baden-Württemberg, dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gelesen habe, werde ich heute meine erste Straßenlesung in meiner Wahlheimat halten. Ich finde es selbst schon etwas komisch, dass ich nicht direkt zu Beginn meiner Tour hier gelesen habe. Dafür freue ich mich auf die heutige Lesung umso mehr.
Ein paar Freunde und Bekannte warten bereits im Mauerpark auf mich. Ich bin etwas spät dran und überlege schon fieberhaft, wo ich mich im Park am besten aufbaue. Als ich feststelle, dass aufgrund des Nieselwetters das Karaoke ausfällt, fällt die Entscheidung sofort: Ich lese auf der runden Steinbühne des Amphitheaters, wo in der Regel knapp 1000 Berliner und Touristen mutige Sängerinnen und Sänger abfeiern. Ein paar potenzielle Zuhörer sitzen tatsächlich auf der Steintribüne. Vielleicht hoffen sie, dass Joe Hatchiban heute doch noch mit seinem zur Karaoke-Maschine umgebauten Fahrrad anrollt. Er kommt nicht und mein Timing ist perfekt: Kurz nachdem ich aufgebaut habe, fragen mich ein paar andere Künstler, wie lange ich lesen werde. Sie wollen ebenfalls die Gunst der Stunde, also die große Bühne nutzen.

Nach einer knappen Stunde beende ich meine Lesung. Die Menschen auf der Tribüne haben mir tatsächlich zugehört, ein freundlicher Applaus brandet auf und mein Hut, den ich durch die Reihen gebe, wird ordentlich gefüllt. Und das war’s auch schon: Meine Premieren-Tour als Deutschlands erster Straßenleser endet an einem herbstlichen Sonntag im Berliner Mauerpark.
Und entgegen meiner Befürchtungen, die ich zu Beginn der Tour hatte – »Hoffentlich wird dieser Spaß kein reines Minusgeschäft.« –, haben sich die letzten Wochen tatsächlich sogar gelohnt. Die Tour war tatsächlich ein Erfolg! Wir sehen uns im Frühjahr 2016 wieder: Ich freue mich schon drauf!

Montag, 19. Oktober 2015
Epilog

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