Tag 31: Der Kampf mit dem Unkraut und der Krampf mit der Tauchschule

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Freitag, 10. September 2004
Kona, Hawaii

Heute ist ein Tag, den man schnell vergessen sollte: Zuerst wäre da unser Meeting mit Trent um neun Uhr, worunter ich mir etwa folgendes vorstellte: »So ihr lieben WWOOFer, eure Zeit hier auf dem Hualālai Mountain in 3000 Fuß Höhe, inmitten der unberührten Regenwälder Westhawaiis, oberhalb des schönen Städtchens Kailua in der Provinz Kona, welche für den alljährlich im Oktober stattfindenen Ironman-Triathlon berühmt ist, endet am Sonntag. Wie dem auch sei, eigentlich wollte ich nur: ›Thank you!‹, sagen. Danke dafür, dass ihr nun über einen Zeitraum von knapp vier Wochen mir und meinen teilweise ziemlich bekloppten Angestellten, welche fast alle gescheiterte Existenzen sind, die ich lediglich aus Ausbeutungsgründen und nicht etwa aus Nächstenliebe hier für mich schuften lasse, unter die Arme gegriffen habt. Danke, dass ihr geholfen habt, meinen persönlichen Reichtum weiter anzuhäufen. Meine christlich fundamentalistischen Arbeiter muss ich ja, wie ihr wisst, nicht mit Geld bezahlen. Die Jungs dürfen auf der Farm Gottes Luft atmen und bekommen ihr Essen von mir bezahlt. Wie dem auch sei … Ich möchte euch eigentlich nur noch eines feierlich verkünden: Nehmt euch frei, fahrt in die Stadt oder sonst wohin und genießt eure letzten zweieinhalb Tage hier auf der schönen Mountain Thunder Coffee Farm. Danke. Übrigens schmeiße ich heute eine BBQ-Party – nur für euch!«
Stattdessen hört sich des Patrons Bekanntmachung irgendwie anders an: »Könnt ihr heute bitte Unkraut aus dieser ewig langen Pflanzenreihe rupfen, was eigentlich nicht eure Arbeit, sondern die meines faulen Zweitgeborenen wäre? Bei diesen ganzen Pflanzen handelt es sich schließlich um seine Hausaufgabe, die er von der Landwirtschafsschule bekommen hat. Allerdings war er die ganze Zeit stinkfaul. Die Pflanzen stehen schon eine halbe Ewigkeit hier herum. Es hat sich aber kein Arsch – am wenigsten mein Sohn – darum gekümmert … was das viele Unkraut erklären dürfte. Die Pflänzchen müssen jetzt aber schnellstmöglich gut aussehen. Apropos Unkraut! Das, was ihr momentan seht, ist alles Unkraut. Die Kaffee-, Tee-, Schokoladen- und Weinpflänzchen befinden sich – im Moment noch unsichtbar für euch – darunter. Ja, dann vergeigt euren Tag mal hiermit. ›Danke‹, sage ich ein anderes Mal. Was? Du musst heute in die Stadt, dein Tauchgepäck abholen? Okay um halb zwei fährt dich wer runter. Ich schmeiße heute übrigens ein BBQ und um zwölf Uhr habe ich ein Meeting. Und tschüss.«
Tja, also machen wir uns an Brices Hausaufgabe und haben eine Menge Spaß. Um kurz nach eins denke ich mir, dass ich Trents Meeting einmal kurz stören werde, um sicherzugehen, dass er sich auch tatsächlich darum gekümmert hat, mir einen Fahrer zu organisieren. Das Meeting ist offensichtlich nur knapp 20 Meter Luftlinie von uns entfernt, direkt vor dem grünen Haus, der Kaffeemühle. Dort finde ich die komplette Belegschaft der Farm vor, die sich alle wundern, warum ich erst jetzt zum BBQ erscheine und nicht schon seit zwölf Uhr mit ihnen esse. Hä? Trent, der als einziger wusste, dass Bekki und ich – nur 20 Meter weiter – seines Sohnemanns Hausaufgabe verrichten, findet dies auch äußerst seltsam.
»Tja, da haben Bekki und ich wohl was missverstanden.«
… Aber warum rufst du Arsch uns auch nicht einfach? Als ich Trent dann frage, ob mich jemand zum Tauchshop fahren wird, wird er leicht sauer und meint nur: »Ja doch! Ich hab doch vorhin schon gesagt, dass Felipe euch fährt! Aber erst um halb zwei! Das ist erst in 20 Minuten!«
Von Felipe war zuvor zwar noch keine Rede, aber was soll’s. Bekki und ich essen dann noch ein paar Salatreste und lauschen dem heißen Meeting der Belegschaft, das in einem lauten Disput zwischen Trent und unserem Chauffeur Felipe endet, währenddem der lange Zeiger der Uhr langsam aber sicher an der Sechs vorbeistreicht. Der uns bis dato unbekannte Samariter Joseph erbarmt sich dann unserer und fährt uns Downtown.
Dort ereignet sich der nächste Gag des Tages: Wie gestern bereits berichtet, will Dennis, der – wie wir mittlerweile wissen – der Stellvertreter von Glenn ist, uns den Shop zwischen ein und zwei Uhr öffnen. Jetzt darf drei Mal geraten werden, was wir in Kailua-Kona vorfinden … Bingo: einen geschlossenen Tauchshop. Juchhe. Nachdem Joseph, Bekki und der von uns unterwegs aufgesammelte Thomas feststellen dürfen, dass ich auch auf Englisch richtig gut fluchen kann, rufen wir mal wieder den Telephone Secretary der Kona Bugbrain Divers an. Der Telephone Secretary verspricht uns, dass er Dennis anrufen und ihm Josephs Handynummer geben wird.
Thomas muss noch zur Bank und Bekki und ich noch zum Wall Mart, um ein Zelt und eine Luftmatratze für unseren nächsten Aufenthaltsort Pahoa zu kaufen. Auf dem Wall Mart Parkplatz klingelt dann endlich – mittlerweile ist es zwanzig nach zwei – Josephs Handy. Am anderen Ende ist Dennis, der sich darüber aufregt, dass er nun schon seit einer Viertelstunde auf mich wartet. Spatzenhirn.
Unglaublich, aber wahr: Diesmal bekomme ich tatsächlich meine Tauchausrüstung wieder.
Passenderweise muss ich allerdings feststellen, dass meine Equipment noch feucht und salzig ist, was bedeutet, dass sich kein Penner die Mühe gemacht hat, mein Zeug aus dem Tauchkoffer zu holen, um sie zum Trocknen aufzuhängen. Das Resultat dieser absoluten Kundenunfreundlichkeit: Rostflecken auf meinem Anzug, die von einem mittlerweile angerosteten Nagel im Inneren des Koffers stammen. Toll. Eine komplette Woche lang lag mein nasses Tauchzeugs also in meiner Tauchtasche. Weder ausgewaschen noch getrocknet. Das Auswaschen bieten die Kona Honu Divers übrigens als einen Service an, genauso wie das Zusammenbauen der Flaschen auf dem Boot, was meiner Meinung nach unnötig und dumm ist.
Ja, ja. Dieser Tag war für’n Arsch. Morgen wird’s hoffentlich wieder besser. Unser für morgen geplantes BBQ mit Lolo haben wir zudem wegen dem heutigen Arbeitstag canceln müssen, da wir lieber noch einen Tag in Kailua-Kona verbringen möchten und dort auch noch ein bisschen was zu erledigen haben.

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