Tag 39: Erkenne den Bush-Wähler

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Samstag, 18. September 2004
Pahoa & Hilo, Hawaii

Nachdem Brad Pitt und Liv Tyler bereits gestern Abend feststellen mussten, dass sie ihre Diskette – auf der u.a. die Buchungsbestätigung für ihr Hotel in Honolulu gespeichert ist – in dem Diskettenlaufwerk eines Universitätscomputers vergessen hatten, wurde die Planung für den heutigen Samstag komplett über den Haufen geworden.
Die zwei Superhübschen streckten also – leicht genervt, da man heute nicht schon wieder ins unhübsche Hilo fahren wollte und schon gar nicht den unhübschen und langen Weg in die Uni antreten wollte, nur um von dort eine Diskette abzuholen – ihr Däumchen raus und wurden prompt von Jack Wood mitgenommen …
Jack Woods großer Traum ist es einmal nach Europa, speziell nach Deutschland zu reisen, um den Black Forest zu sehen. »Wieso wollen alle Amis den Schwarzwald sehen?«, frage ich und die Antwort überrascht uns doch sehr: »Weil meine Mutter mir als Kind immer die Märchen der Gebrüder Grimm vorgelesen hat und der Black Forest immer als ein magischer und wunderschöner Ort dargestellt wurde. Außerdem leben die Elfen dort!«
Aha.
Der sympathische und lustige Vietnamveteran, der dank Mr. Weiß heute noch auf Deutsch bis zehn zählen kann, befürchtet zurzeit jedoch einen zu großen Anti-Americanism in Europa. Überhaupt nehmen überraschend viele Amerikaner an, dass sie im Ausland – dank ihres »Präsidenten« – nicht mehr willkommen seien. So sei hier jedoch gesagt: Das amerikanische Volk hat zwar seine teilweise etwas seltsamen Anwandlungen, was jedoch darauf zurückzuführen ist, dass sie keine Europäer sind, höhö. Ansonsten scheinen die Amerikaner aber ganz lockere und freundliche Menschen zu sein. Und wer Bush gewählt hat? Hm. Tja, keine Ahnung, denn solche Leute haben wir anscheinend noch nicht kennengelernt. Denn wie Jack Wood sagen würde: »People who vote for Bush never pick up hitch hikers!«
Bush-Wähler erkennt man übrigens an Autoaufklebern in Form von gelben Schleifen mit pro-militaristischen Sprüchen darauf:
»Support Our Troops«
»Pray for Our Troops«
»One Nation Under God«
»Bless Our Troops«
»Freedom Isn’t Free«
… Und so weiter und so kotz. Traurigerweise fahren doch extrem viele Autos mit diesen – wie wir finden – ekligsten Autoaufklebern umher, die wir je gesehen haben.
Jack Wood liebt, nebenbei bemerkt, die deutsche Sprache, weshalb ich ihm auch nicht vorenthalten will, wie sein Name auf Deutsch lauten würde: Hans Holz. Gefällt ihm. Sehr sogar.
Hans ist so begeistert davon, kommunikationsfreudige Deutsche in seinem Auto zu haben, dass er uns bis an die Uni fährt. Juchhe! Überdies gibt er uns sogar seine Telefonnummer, falls wir mal einen Ride brauchen. Wir können hier schon fast ein Buch der coolen Leute schreiben, so viele Telefonnummern wurden uns schon aus ebendiesem Grunde gegeben. Insgesamt bereits … sechs. Cool. Freundlich, dieses amerikanische Volk!
Da die Bibliothek allerdings erst um zwölf Uhr öffnet, müssen wir noch eine Stunde lang die Universität erkunden und erfahren dabei Interessantes, Klischeehaftes und Ungeheimes: Zunächst finde ich heraus, dass man an der University of Hawaii at Hilo Unterwasserarchäologie studieren und einen Kurs zur Rettung der hawaiianischen Meeresschildkröte belegen kann. Na, klingt doch nicht schlecht, oder?
Wunderschön klischeehaft ist das Training der Cheerleader direkt vor der Edwin H. Mookiki Library, also der Universitätsbibliothek.
Gleich um die Ecke ist ein Wahllokal. Wir erinnern uns: Heute sind Primary Elections. Bei der Primary Election stellt jede der drei Parteien (Demokraten, Republikaner und Grüne) ihre potenziellen Kandidaten zur Wahl. Nun darf das gesamte wahlberechtigte Volk – und kein Parteitag – die Spitzenkandidaten der Parteien wählen. Und diese Sieger der Primary Election werden bei der mit Spannung erwarteten Wahl im November als Spitzenkandidaten nominiert.
Zurück zum Wahllokal: Die Amis hängen neben die Voter’s Rights, die in englisch, hawaiianisch, japanisch und einer weiteren asiatischen Sprache aushängen, ein paar Warnungen bezüglich unberechtigten Wählens und Wahlbetrugs: 10.000 Dollar Geldstrafe und geschmeidige fünf Jahren Knast drohen. Zusätzlich gibt es auch eine Liste der Leute, die sich für die Wahl haben registrieren lassen. Hä?: »Ey, Nachbar, deine Alte hat sich ja noch gar nicht zur Wahl registrieren lassen … mach ma’!«
Uncool.
Zwölf Uhr: Die Diskette ist glücklicherweise noch unberührt im Laufwerk.
Nach einstündigem, kostenlosem Surfen im Internet und dem Herausfinden, dass »Daniel, der Zauberer« das wohl größte Filmdebakel aller Zeiten sein muss – Bitte! Lade mir einer dieses Machwerk aus dem Netz! –, machen wir uns auf den Weg in die Downtown … was erleben, haha.
Ach, wie sarkastisch, denn außer einem neuen, coolen und billigen Laden und einem weiteren Smoothie gibt es in der Downtown nichts Neues zu entdecken. Bereits jetzt.
Le voilà, der Moccha Freeze Smoothie: Kaffee, Schokolade, Sojamilch, Banane.
Am heutigen Samstag feiern wir zwei Wiedersehen: Zuerst treffen wir Michelle – die Frau mit den Leis aus Captain Cook – und dann den Typen aus der Kanaka Kava Bar in Kailua wieder. Von zweiterem haben wir bisher übrigens noch nichts berichtet, hehe.
Michelle wusste bereits vorher, dass wir uns treffen würden, denn sie hatte ja bereits in Captain Cook gesagt: »See you again!«
Das ist auch unser gesamtes, herzhaftes Wiedersehensgespräch.
Nach stundenlangem Umherirren durch Hilo, welches doch erstaunlich oft wie ein brasilianischer oder mexikanischer Slum aussieht, sowie Zurück-zum-Wal-Mart-Trampen, sehen wir – eben dort – den Typen aus der Kavabar wieder, der nur aus einem Grund nach Kailua gefahren ist: »To sell the weeeheeed!«
Lustiger Typ, der immer extrem schnell und unerwartet auftaucht. Heute erscheint er uns bereits das dritte Mal nach dem Abend in der Kavabar! Genauso schnell und unerwartet wie er plötzlich auftaucht, verschwindet er auch stets wieder. Augenscheinlich hat er in Kailua »weeeheeed« verkauft, um uns zwei Sojabohnendrinks aus der Dose zu schenken. Nachdem er uns zeigt, was wir alles noch Essen müssen, ist er auf einmal wieder … verschwunden.
Als es dunkel wird – also gegen sechs, halb sieben – geht’s wieder per »Gratis-Taxi« zurück nach Pahoa, wo auf dem Esstisch unseres Hostels eine Tupperschüssel voll »vegan Biscuits for Dennis & Rebecca« stehen. Sheila schon wieder …

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