Tag 58: Eine andere Sicht auf die Dinge â€Š

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Donnerstag, 7. Oktober 2004
Hilo, Hawaii

Der Zeltplatz von Arnott’s Lodge ist total klein. Mit unserem Zelt stehen nun insgesamt drei Zelte auf dem Zeltplatz. Drei Zelte mehr und der Platz wĂ€re schon fast voll. Der Campingplatz ist â€“ dank zweier riesengroßer BĂ€ume â€“ zumindest nachmittags schön schattig. Außerdem zeltet man auf wirklich sehr gut gepflegtem Rasen. Ein Grund fĂŒr den sehr guten Rasenzustand, trotz der Zelte, ist die Tatsache, dass man nach spĂ€testens drei Tagen sein Zelt verrĂŒcken muss, sodass der Rasen nicht zu sehr beschĂ€digt wird und sich wieder regenerieren kann. Zwischen drei richtig großen Kokosnusspalmen hĂ€ngen eine WĂ€scheleine und eine HĂ€ngematte. Des Weiteren haben wir unsere eigenen LiegestĂŒhle sowie Campingtische und -bĂ€nke. Die Toiletten sind Dixi-Klos, die sauber sind und nicht zu sehr nach Chemie stinken. Direkt neben dem zehn mal 25 Meter kleinen Zeltplatz ist das Office von Arnott’s Lodge und eine Art Open-Air-Aufenthaltsraum, der atmosphĂ€risch betrachtet einem Biergarten Ă€hnelt. FĂŒr zwei Dollar hat man hier das Recht sich zwölf Stunden lang Kaffee hinter die Birne zu kippen. Außerdem gibt’s Waschmaschinen, ein Telefon und Internet. Wunderbar!
Die maximale Zeit, die man auf dem Zeltplatz wohnen darf, betrÀgt eine Woche. Diese kostet uns allerdings so viel wie drei Wochen Pahoa.
»Wieso ziehen die Deppen denn dann von Pahoa nach Hilo?«
Dazu gleich mehr â€Š
Da es in ganz Hilo lediglich den Wal Mart, zwei KTAs und den Natural Foods gibt, mĂŒssen wir uns heute Morgen bereits 90 Minuten lang durch die Sonne schleppen. Bekloppterweise haben die Amis nĂ€mlich auch drei der oben erwĂ€hnten vier SupermĂ€rkte auf einen Haufen gesetzt â€ŠÂ am SĂŒdende der Stadt, der sogenannten »Neustadt«. Hilo ist kurz davor, Ludwigshafen als die beschissenste Stadt der Welt abzulösen.
Wo gibt’s denn so was? Haste kein Auto, musste verhungern, oder was? Zudem ist die Strecke von Arnott’s zum Wal Mart so was von hĂ€sslich: nur Industrie, Lagerhallen, der unschöne Hafen, WellblechhĂŒtten, AutohĂ€user und der Highway.
Im Wal Mart decken wir uns erst einmal mit Essen fĂŒr die â€“ hoffentlich â€“ komplette Woche ein. Blöderweise kommen dabei nur Toastbrot, Cracker, Chips und Salsa heraus. Nahrhaft.
Rebekka meint, wir sollten unser Reisetagebuch »Hawaii â€ŠÂ oder ein kulinarisches Dilemma« nennen. Oh ja. Bei Wal Mart gibt es nĂ€mlich essenstechnisch auch kaum Auswahl und kochen können wir bei Arnott’s leider nicht.
Vom Wal Mart bekommen wir dann wenigstens einen Ride direkt zurĂŒck zu Arnott’s. Was ein GlĂŒck!
»Wieso ziehen die Deppen denn dann von Pahoa nach Hilo?«
Also: Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum Flughafen, um Grund 1 fĂŒr unseren Umzug von Pahoa nach Hilo zu verwirklichen. Wir wollen mit der Cessna ĂŒber den Vulkan und die WasserfĂ€lle fliegen! Eigentlich kostet ein Flug mit den Island Hoppers 105 Dollar pro Person. Als GĂ€ste von Arnott bekommen wir jedoch Rabatt: lockere 20 Dollar pro Person.
Es kommt aber noch besser: Den zweiten Grund, weshalb wir Pahoa verlassen und uns eine Woche Ludwigshafen â€ŠÂ Ă€h â€ŠÂ Hilo geben erlĂ€utern wir morgen.
Grund 3 können wir aber jetzt schon nennen: Am Mittwoch, dem 13. Oktober fliegen wir morgens um halb neun nach Honolulu. Ein Taxi von Pahoa wĂŒrde vermutlich so viel kosten wie zwei Wochen Urlaub in Pahoa. Von Arnott aus bleiben wir vermutlich sogar unter 15 Dollar.
Jetzt erst einmal wieder zurĂŒck zu Grund 1:
Ist das fett! Neben Bekki und mir gibt es keine weiteren Passagiere. Es hĂ€tten allerdings auch keine weiteren mehr in die Cessna hineingepasst. Steve, unser Pilot, macht uns kurz mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut und dann geht’s ab nach oben! Ich sitze vorne neben Steve und Bekki genießt den 360°-RĂŒcksitz. So fliegen wir denn mit unserer Einpropellermaschine zunĂ€chst einmal in Richtung SĂŒdosten. Von oben können wir unser Zelt auf unserem Zeltplatz sehen, dann die riesigen Macadamia-Felder der Mauna Loa Macadamia Nut Corporation, Kea’au, Mountain View, Kurtistown und schließlich unser erstes angekĂŒndigtes Ziel: den Vulkan!
Wir fliegen â€“ anders als wir es erwartet hatten â€“ nicht etwa ĂŒber den riesigen K?lauea Caldera Crater, sondern ĂŒber den 10 Meilen Luftlinie sĂŒdöstlicher gelgenen Puu O’o Vent. Aus diesem Krater dampft es seit 1983. Zudem fließt aus ebendiesem Krater seit nunmehr 21 Jahren Lava in Richtung Ozean. Als wir ĂŒber den dampfenden Vulkan fliegen, kann man in manchen Löchern, den Steam Vents, sogar das rote Magma erkennen. Als der Vulkan vor 21 Jahren ausbrach, floss die Lava in jede Himmelsrichtung. 1990 erreichte der Lavafluss den Ort Kalapana. Die Einwohner Kalapanas retteten ihre Kirche und bauten sie einige Meilen nordöstlich des Lavaflusses wieder auf. Die restlichen 180 bis 190 HĂ€user Kalapanas und der bis dahin meist fotografierte Strand Hawaiis verschwanden unter dem Lavateppich.
Nun fliegen wir in Richtung SĂŒden: zum Meer hin. Dorthin, wo einst Kalapana lag. Heute ist dies der Ort, an dem Millionen Touristen jĂ€hrlich sehen können, wie glĂŒhende Lava ins Meer strömt. Die Chain of Craters Road, die einst den Volcanoes National Park ĂŒber Kalapana mit Pahoa verband, endet heute als Sackgasse vor erstarrter Lava. Da die Lava jedoch noch nicht ganz erstarrt ist, sondern unterirdisch noch immer zum Meer fließt, ist das Betreten der Lava nur bedingt zu empfehlen: Seit 1983 sind â€“ laut Steve â€“ knapp 20 Menschen gestorben, indem sie durch eine dĂŒnne Stelle in der Lavakruste in eine teilweise mit Magma gefĂŒllte Lava Tube stĂŒrzten , oder â€“ zu nah am Meer stehend â€“ durch AbstĂŒrzen ins kochende Wasser fielen. Böse â€Š
Mittlerweile ist jedoch der gefÀhrliche Bereich abgesperrt.
Der Rauch, der in Strömen aus dem Krater steigt, wird vom Wind in Richtung Kona, also Westen, getragen und wird dort als Nebel wahrgenommen. So war also vielleicht der Nebel, den wir auf unserer Kaffeefarm fast tÀglich hatten, gar kein Nebel, sondern Vulkanrauch.
Es geht wieder in Richtung Norden. Diesmal etwas östlicher als auf dem Hinflug. So können wir von oben das Haus von Jack sehen. Jack ist der einzig verbliebene Bewohner in der NĂ€he des Puu O’o Vent. Alle anderen sind geflohen, was auch nur all zu verstĂ€ndlich ist. Jack hat unter anderem keine Straßenverbindung mehr zur Zivilisation. Alle drei Wochen fĂ€hrt Jack jedoch mit seinem Motorrad ĂŒber die erstarrte und an dieser Stelle auch mittlerweile kalte Lava ins Dorf und kauft Â»Ăœberlebensmittel« ein. Da ein erstarrter Lavafluss jedoch kein guter Untergrund ist, muss sich Jack nach jeder dritten Fahrt in die Zivilisation neue Reifen kaufen. Man kann bei Jack auch ĂŒbernachten: Sein Haus ist ein Bed & Breakfast! Die nĂ€chste Straße ist knappe drei Meilen von seinem Haus entfernt.
Als wir ĂŒber Pahoa fliegen, können wir zum vorerst letzten Mal unser geliebtes Hostel sehen. Über Kea’au zeigt Steve uns die King Kamehameha School, auf die nur reinrassige Hawaiianer dĂŒrfen. Hawaiianer und »Ariernachweis«? HĂ€? Die ErklĂ€rung ist allerdings wieder passender: Als die Amis Hawaii besetzten, behandelten sie die Hawaiianer anscheinend ziemlich mies. Eine hawaiianische Prinzessin dachte sich daraufhin, dass es besser sei, eine rein hawaiianische Schule zu grĂŒnden. Das Resultat: Hawaiis beste Schule â€“ so Steve, der kein Hawaiianer ist.
Dann geht es zurĂŒck nach Hilo und in Richtung Norden ĂŒber WasserfĂ€lle hinweg. Unser Pilot erklĂ€rt uns, dass die FlĂŒsse, die wir von hier oben sehen können, uralte Lava Tubes de Mauna Kea seien, deren »DĂ€cher« eingestĂŒrzt sind und somit zu Flussbetten fĂŒr RegenwasserflĂŒsse wurden.
Die Aussicht aus knapp einem Kilometer Höhe ist einfach gigantisch. Viel zu schnell geht der knapp einstĂŒndige Rundflug zu Ende. Wir können uns glĂŒcklich schĂ€tzen, diese Tour gemacht zu haben, da man die Puu O’o Vent ausschließlich aus der Luft bewundern kann. Zu Fuß oder mit dem Auto ist sie nicht zu erreichen.
Zum Abschied gibt’s noch eine Videokassette, auf der die eben beschriebene Route zu sehen sein dĂŒrfte. Bleibt nur zu hoffen, dass wir jemanden finden, der NTSC-Videos abspielen kann.
Und jetzt ist’s Zeit zum Schlafen: Bekki drĂŒckt mit ihrem Kopf bereits die eine HĂ€lfte der Tischplatte nach unten â€Š

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