Tag 59: Von unsichtbaren Kühen und Bildern für die Ewigkeit

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Freitag, 8. Oktober 2004
Hilo & Mauna Kea, Hawaii

Grund Nr. 2 für unseren Hilo-Aufenthalt: Es geht auf den Gipfel des Mauna Kea, Hawaiis höchsten Berg, der eigentlich sogar der Welt höchster Berg ist.
Diesen Trip haben wir bereits vor einigen Tagen per Internet bei Arnott’s Adventure Tours gebucht. Für Tramper dürfte es ziemlich unmöglich sein auf den Berg zu kommen, da zum einen nur Autos mit Allradantrieb den Gipfel erreichen können und zum anderen fast ausschließlich Tourgruppen oder Touristen hochfahren. Tourgruppen nehmen einen zu 100 % nicht mit, bei Touris stehen die Chancen nicht viel besser. Zudem verbieten die Autovermieter den Touristen mit den Leihwagen auf den Mauna Kea zu fahren.
Mit zwei Kleinbussen geht es gegen 15 Uhr in Richtung Gipfel. Zuvor gibt es allerdings eine kleine »Sight-Seeing-Tour« durch Hilo. So erfahren wir beispielsweise von den Ice Ponds. Die Ice Ponds sind kalte Süßwasserbecken mit Meeresanschluss, die sich direkt am Banyan Drive befinden; also zu Fuß knappe 30 Minuten von der Downtown und 45 Minuten vom Wal Mart entfernt. Der Banyan Drive ist aus irgendwelchen Gründen historisch. Heute führt er auf alle Fälle an sämtlichen Hotels und dem Queen Lili’uokalani Gardens Park mit seinen japanischen Brücken vorbei und endet beim Suisan Fishmarket.
Zurück zu den Ice Ponds: In der Mitte des Sees befindet sich eine Lava Tube, deren Tiefe bis heute unbekannt ist. Die Hawaiianer stellten aber irgendwann eine Theorie auf, die ziemlich cool ist: Auf der Insel Moloka’i gibt es ebenfalls kalte Ponds, die ebenfalls Ice Ponds heißen. In der Mitte dieser kalten Süßwasserbecken befindet sich … eine Lava Tube. Die logische Theorie: Diese Lavahöhle verbindet die beiden Inseln miteinander. Rock und Roll.
Wir verlassen Hilo über die Saddle Road. Die Saddle Road verbindet Hilo auf dem direktesten Weg mit der Konaseite, also mit der Westseite der Insel. Wie der Name der Straße schon vermuten lässt, führt sie zwischen den beiden Bergen Mauna Loa und Mauna Kea hindurch. Laut unserer Reiseführerin kümmert sich der Hilo District mehr um die Straße, als dies der Kona District tut. Somit ist der Gipfel von Hilo aus leichter und gemütlicher zu erreichen als von Kona aus. Die Konaseite der Saddle Road soll einem Feldweg sehr nahe kommen.
Bevor wir jedoch die Konaseite erreichen, verlassen wir die Saddle Road in geschätzten 6000 Fuß Höhe. Die Saddle Road ist bis hierhin eine wirklich schöne Strecke. Als wir mehrere alte Lava Flows passieren, erklärt uns unsere Reiseleiterin den Unterschied zwischen A’a und Pa’hoe’hoe: Bei A’a handelt es sich um einen Lavafluss, der eine sehr eckige und kantige Oberfläche besitzt. Läuft man über A’a, knirscht und klirrt es. Geschmolzene A’a sieht man auf Hawaii öfter als Pa’hoe’hoe, was u.a. daran liegt, dass Pa’hoe’hoe zu A’a werden kann, umgekehrt ist dies jedoch nicht möglich.
Pa’hoe’hoe ist glatt, eben und … schöner. Außerdem auch einfach zu begehen.
Die Wolken haben wir bereits unter uns gelassen, als wir in 9000 Fuß Höhe (knapp 2700 Meter) das Visitor Center erreichen. Aklimatisieren müssen wir uns in dieser Höhe nicht, da die Air Condition in unserem Tourbus auf Hochtouren läuft. Kotz.
Im Visitor Center kann man – wie nicht anders zu erwarten – überteuerte Souvenirs kaufen. Wie wäre es zum Beispiel mit Baumwollhandschuhen für 35 Dollar? Man kann hier auch noch einmal auf Toilette gehen, um sich eine lange Hose anzuziehen – auf dem Gipfel soll es schweinekalt sein. Das bewundernswerte Highlight des Visitor Centers ist aber zweifellos Hawaiis einzige Schneeraupe! Ja, hier oben kann es schneien und offenbar schnallt sich dann der ein oder andere Hawaiianer zwischen November und Februar auch mal sein Surfbrett unter die Winterstiefel. Einen Skilift gibt es allerdings nicht. Will man mehr als eine Abfahrt hinlegen, ist also echter sportlicher Wille und Ehrgeiz gefragt. Die lustigste Sache des Visitor Centers ist jedoch ein Warnhinweis: Beim Herunterfahren vom Berg muss man auf »invisible cows«, also unsichtbare Kühe, achten. Hä? Dieses Phänomen lässt sich folgendermaßen erklären: Auf dem Mauna Kea gibt es eine Kuhfarm, deren Kühe manchmal das Weite suchen. Fährt man also im Dunkeln den Berg wieder herunter und passiert links und rechts schwarze Lavafelder, kommt es vor, dass man auch die schwarzen Kühe darauf übersieht: unsichtbare Kühe!
Während der restlichen 1500 Meter Höhenuntschied kommt man sich vor wie auf einem anderen Planeten. Auch Hollywood entdeckte diese Marskulisse für sich und drehte Teile des Films »Contact« mit Jodie Foster auf dem Mauna Kea. Wer den Film kennt: Die riesige Satellitenschüssel steht in knapp 3,8 Kilometern Höhe. Die NASA nutzte den hawaiianischen Riesen ebenfalls bereits für ihre Zwecke. So wurde beispielsweise das erste Mondauto auf dem Mauna Kea getestet.
Auf dem Mauna Kea befindet sich auch der dritthöchste See der Welt. Leider können wir den grünen See nicht sehen. Interessant ist hierbei, dass sich die Wissenschaft lange nicht erklären konnte, weshalb das Wasser des Sees nicht einfach abfließt, wo doch der Berg aus löchrigem Lavagestein besteht, was kein Wasser auf Dauer halten kann. Die Lösung des Rätsels ist nicht weniger interessant: Da in dieser Höhe 40 % weniger Sauerstoff als normal in der Luft vorzufinden ist, hat das Lavagestein des Gipfels weniger und dünnere Löcher. Hinzu kommt noch ein Gletscher, der sich unter dem Gestein befindet. Somit kann das Wasser nicht einfach abfließen und der Mauna Kea hat seinen eigenen Bergsee.
Irgendwann erreicht man dann tatsächlich die 13 Observatorien. Nebenbei sollte erwähnt werden, dass der Mauna Kea für die Hawaiianer ein heiliger Berg ist. Nachdem die Observatorien auf dem Mauna Kea errichtet wurden, entschuldigten sich die Amerikaner bei den Hawaiianern hierfür, woraufhin sich die Hawaiianer bei ihrem heiligen Berg für die ungläubigen und unwissenden Amerikaner entschuldigten.
Die älteste und kleinste der dortigen Sternwarten stammt aus den späten 60er Jahren und gehört der Universität Hawaiis. Des Weiteren haben u.a. die Japaner, Kanadier und Franzosen Teleskope auf dem Mauna Kea postiert. Der Grund für diesen »astronomischen Andrang« erklärt sich dadurch, dass man vom Mauna Kea aus den weltweit besten Blick auf den Sternenhimmel hat! Nicht nur, dass man von hier aus 100 % der nördlichen und 80 % der südlichen Hemisphäre bewundern kann, nein: Hier oben sind auch fast alle Nächte des Jahres absolut klar … sternenklar!
Um die Arbeit der Observatorien nicht zu erschweren, werden in Hilo übrigens Straßenlaternen eingesetzt, die kein Licht nach oben abgeben.
Dass es auf dem Mauna Kea kalt sein würde, hat man uns bereits vorher offenbart. Dass es jedoch so kalt wird, hätten wir uns beim besten Willen nicht gedacht. Neben unseren langen Pullis und Hosen ziehen wir uns noch stylishe Polarjacken an. Amre, unser zweiter Reiseführer aus Ägypten, läuft indes mit Shorts und Hawaiihemdchen herum. Buah!
Von den Observatorien aus muss man noch gute 200 Meter laufen, um auf den tatsächlichen Gipfel zu gelangen … den höchsten Punkt Hawaiis, des Pazifiks und eigentlich sogar der gesamten Welt.
Kurz darauf wird es magisch: Zwischen 18 Uhr und 18:30 Uhr geht die Sonne in erstaunlicher Geschwindigkeit unter. Der komplette Himmel verfärbt sich und jede Himmelsrichtung – wirklich jede Himmelsrichtung – wird in eine andere Farbe getaucht. So etwas haben wir noch nicht gesehen. Dies, in Verbindung mit dem genialen Ausblick über den Mauna Loa und den Pu’u O’o im Süden, den Hualālai Mountain im Westen und der Insel Maui im Norden macht den heutigen Sonnenuntergang zum wunderschönsten Sonnenuntergang, den wir je sehen durften. Es ist der pure Wahnsinn!
Betrachtet man die 13 Observatorien, weiß man sogar, dass man den bestmöglichen Sonnenuntergang der Welt gesehen hat. Denn so viele Observatorien auf einem Flecken gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.
Mit der Dunkelheit verlassen wir die 13.796 Fuß in Richtung Visitor Center. Jetzt ist Sternegucken angesagt. Und was sollen wir sagen: Dem schönsten Sonnenuntergang aller Zeiten folg der tollste Sternenhimmel der Welt! Man sieht, wie sich die Milchstraße von einem Horizont bis zum anderen zieht. Es leuchten so unendlich viele Sterne am Firmament, dass der Himmel eher weiß denn schwarz aussieht. Trotzdem steht man in der Dunkelheit. Und es ist komplett wolkenfrei.
Nachdem uns der am nördlichen Horizont gelgene Polarstern sowie einige Sternenbilder wie Pegasus, Skorpion und Steinbock gezeigt worden sind, geht es wieder herunter nach Hilo. Ein tolles Erlebnis.
Dies war also Grund Nr. 2 für unseren Umzug nach Hilo: Als Gäste von Arnott’s Lodge sparten wir gegenüber anderen Anbietern dieser Tour ganze 100 Dollar pro Person. Für 60 Dollar kann man absolut nicht meckern, denn: Was wir heute gesehen haben … Solche Bildern bleiben einem für immer.

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