Tag 60: Verflucht sei der 27. August 2004!

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Samstag, 9. Oktober 2004
Hilo, Hawaii

Zurück zum Vulkan!
Nachdem Bill, der Chef des Nautilus Dive Centers, sich mal wieder nicht all zu sicher ist, ob er heute tauchen gehen wird, entscheiden wir uns gegen den Ozean und für den Vulkan. Tauchen werde ich auf der Big Island somit leider nicht mehr. Ich habe mittlerweile einen ganz schönen Hals auf Bill und seine bescheurte Tauchschule. Ich weiß nicht, wie oft ich ihn in den letzten Wochen angerufen habe, um ihn zu fragen, wann ich wieder mit ihm abtauchen kann. Die sonst üblichen festen oder gar täglichen Tauchgänge gibt es bei Herrn de Rooy nämlich nicht. Ich hab keine Ahnung, wie er damit seinen Laden am Leben erhalten kann. Wie dem auch sei: Jedes Mal, wenn ich beim Nautilus Dive Center anrief, hieß es, dass er noch nicht weiß, wann er mir wieder einen Tauchgang anbieten kann. Sobald er es aber wisse, würde er sich telefonisch im Hostel melden. Das hat er aber nachweislich nie getan. Einmal kam es sogar vor, dass ich ihn anrief und er mir sagte: »Oh! Well, we were yesterday.«
»Why didn’t you call me?«
»Uhm – I didn’t know that I shall call you.«
Tja, und so hat es der Held doch tatsächlich geschafft, mich seit dem 22. September kein einziges Mal mehr mitzunehmen! Volldepp.
Unsere Reise zum 28 Meilen entfernten Volcanoes National Park beginnt wie immer mit dem Problem, aus Hilo herauszukommen. Im Nationalpark angekommen, wandern wir zunächst zum K?lauea Iki Crater, einem Krater, der sagenhafte 210 Meter tief ist. Zuletzt ausgebrochen ist der K?lauea Iki im Jahre 1959. Da der Ausblick über den Krater so gigantisch ist, entscheiden wir uns dafür, ihn zu durchwandern. Da wir mittlerweile ganz schön hart im Nehmen sind und unsere Wanderausdauer einfach nur als übermenschlich zu beschreiben ist, können uns die – laut Karte – vier bis sechs Kilometer Weg nicht abschrecken. Der Pfad hinab in den Krater führt durch den Urwald. Im Krater beginnt man zunächst über A’a zu stolpern, bevor sich die Lava in Pa’hoe’hoe ändert. Der K?lauea Iki Crater ist – im Gegensatz zum Halema’uma’u – nicht kreisrund, sondern eher oval. Ein schöner Spaziergang, bei dem ich mich für immer und ewig auf Hawaii verewigt habe und zudem noch einen Teil von mir in den pazifischen Winden verteilen kann: Ich pinkle – ob der schwarzen Wüste zu sämtlichen Seiten – in eine Steam Vent. Nun fließt ein Produkt meiner selbst ins Erdinnere, um sich dort teilweise mit der Magma für ewig zu verbinden und – zu einem anderen Teil – als Vulkandampf aus irgendeinem Loch im K?lauea Iki Crater wieder hervorzusteigen. Romantik pur – und Bekki filmt diesen äußerst sinnlichen Moment sogar …
Durch den Regenwald verlassen wir den Krater wieder und erreichen den Crater Rim Drive, also die Straße, in Höhe der Thurston Lava Tube. Die Thurston Lava Tube heißt auf Hawaiianisch Nahuku und ist eine von unzähligen Lavahöhlen Hawaiis mit den kleinen Unterschieden, dass man:
a) aufrecht durchlaufen kann
b) Lampen das Höhleninnere ausleuchten und
c) man von Touristen – vornehmlich Japanern – über den Haufen gerannt wird.
Nette Tube, nervige kleine Wanderung, die aber nach 200 Metern schon wieder beendet ist.
Weiter geht es knappe dreieinhalb Kilometer in Richtung Chain of Craters Road. Heute wollen wir es schaffen bis zum Ozean zu kommen, wo die Lava seit 1986 fast ununterbrochen ins Meer fließt. Fast ununterbrochen? Ja, fast ununterbrochen. Denn seit dem 27. August 2004 fließt die heiße Suppe nicht mehr in den Pazifik. Na super. Nichtsdestotrotz: Da müssen wir hin!
Erstaunlicherweise müssen wir auch nicht all zu lange warten, bis uns ein Auto die angeblich 39 Kilometer lange Strecke mitnimmt. Ein polnisches Pärchen aus Chicago, welches die Big Island heute Abend um 19 Uhr verlassen wird, nimmt uns mit. Ich sollte kurz erwähnen, dass es bereits kurz nach 16 Uhr ist. So heizen wir also schnellstmöglich die relativ enge, steile und ab und an recht kurvenreiche Straße hinunter zum Ozean. Dies jedoch nicht ohne eine – erstaunlicherweise – absolut korrekte Beschreibung dessen, was sich links, rechts, über und unter uns befindet: »This is flow from 1976.«
»This is flow from 1974.«
»This is flow from 1982.«
»This is flow from 1969.«
Und so weiter …
Unten angekommen, bietet er uns an, uns in exakt 50 Minuten wieder mit nach oben zu nehmen. Klingt gut, denken wir uns und marschieren in Richtung Lava Flow from 2003. Wie bereits erwähnt, fließt seit 1986 Lava in den Pazifik. Bevor der Strom jedoch in den Pazifik floss, musste er noch die befestigte Straße mit dem Namen Chain of Craters Road überqueren. Diese war früher eine gewöhnliche Straße, die entlang einiger Krater eine weitere Touristenstrecke im Nationalpark darstellte und in den Ort Kalapana führte, der ja bekanntlich 1990 von der Lava zerstört wurde. Im Frühjahr 2003 entstand das neueste Stück des riesigen Lavaflusses. Die Chain of Craters Road endet mittlerweile abrupt vor einem Lavateppich. Zwischendrin, also inmitten des Lavateppichs kann man sogar noch Verkehrsschilder stehen sehen. Verrückt.
Leider ist der Lavateppich wegen des Zur-Zeit-nicht-mehr-ins-Meer-Fließens der Lava nicht »kochend heiß«, wie es einem in den Reiseführern versprochen wird. Fließende Lava gibt es auch keine. Schade also.
Wir verzichten auf unser polnischen Taxi und warten lieber die Dunkelheit ab. Als es gegen 18:30 Uhr soweit ist, kann man in der Ferne – laut Ranger-Info drei Meilen von der Straße entfernt – tatsächlich doch noch fließende Lava aufleuchten sehen. Trotz der Entfernung ist das ein tolles Schauspiel. Zudem bauen die Ranger auf der Straße ein Teleskop auf, durch das man den aktiven Lavafluss sehr gut beobachten kann.
Zurück »nach oben« geht es erneut erstaunlich schnell und leicht. Während der Fahrt überzeugt uns das neuseeländische Pärchen endgültig davon, nächsten Winter für zehn Wochen oder mehr, ihre Heimat zu bereisen. Sehr gute Idee.
Einen stressfreien Heimweg vom Eingang des Nationalparks zurück nach Hilo ermöglicht uns ein freundlicher Inder, der uns sogar bis zu Arnott zurückfährt. Rock und Roll!
Heute sind wir knappe zehn Kilometer gelaufen. Die Füße – pah! –, die schmerzen schon gar nicht mehr! Wir sind nun mal richtige Wandersleut’ geworden … und schlafen können wir nach solchen Trips auch noch saugut.

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