Tag 66: Ehrvolles Pearl Harbor und das beste chinesische Restaurant Hawaiis

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Freitag, 15. Oktober 2004
Honolulu, O’ahu

Es ist mal wieder Kultur angesagt! Mit dem Bus geht es in abartigen 90 Minuten von Waikiki nach Pearl City. Wie man am Namen bereits erahnen kann, befindet sich in diesem Stadtteil Honolulus das USS Arizona Memorial, das vielmehr unter dem Namen Pearl Harbor bekannt ist. Die tragische Geschichte Pearl Harbors sollte bekannt sein, über das Denkmal gibt es jedoch einiges zu berichten:
Diese Gedenkstätte ist so nervig wie Trampen in Hilo und so uninteressant wie unser Besuch bei den Big Island Candies. Big Island Candies? Was war das noch mal? Genau …
Im Hotel erfahren wir, dass man zwar seine Kamera mitbringen darf, Kamerataschen allerdings in der Gedenkstätte tabu sind. Dies lässt uns bereits erahnen, dass dort amerikanische Paranoialogik zu herrschen scheint. So bin ich bereits leicht genervt, als wir nach eineinhalb Stunden des Kamera-in-der-Hand-haltens endlich ankommen. Vor Ort bekommen wir dann die Erklärung für das Taschenverbot in Pearl Harbor: die erhöhte Sicherheitsgefahr … Was auch sonst?
Am Eingang des Memorials wird dann auch jeder Touri von einer Sicherheitsbeamtin begrüßt und zu einem Container geschickt, bei dem man gegen eine Aufbewahrungsgebühr von zwei Dollar seine Tasche abgeben muss. Hier wird dann auch aus dem Kamerataschenverbot, von dem wir sowieso nur durch viel Zufall gelesen hatten, auch interessanterweise gleich ein allgemeines Taschenverbot. Da naheuz ausnahmslos jeder Tourist eine Tasche dabei hat, ist diese »Sicherheitsmaßnahme« mit Sicherheit auch eine lohnende Vorkehrung. Wer hat schon Hosentaschen, die groß genug sind, um sein mitgebrachtes Essen und Trinken, Kamera und Portemonnaie darin unterzubringen? Ich! Harhar!
Bekki und ich wollen dem US-Militär keine zwei Dollar spenden. Also nehmen wir unsere Brieftaschen aus meinem Umhängetäschchen, rollen ebendieses zusammen und verstauen all das in meinen Hosentaschen. Mit prall gestopften Hosentaschen lässt uns die »Sicherheitsbeamtin« problemlos in die Gedenkstätte hinein – ohne jegliche Kontrolle übrigens. Dies ist für uns auch gleichzeitig der Beweis, dass die Panikmache von wegen »erhöhter Sicherheitsgefahr« lediglich zum Geld scheffeln und zur Manifestierung der allgemeinen Paranoia in der Bevölkerung, weniger aber zum Schutze vor Handtaschenbombern dient. Unser Freund Jeremiah aus Pahoa erzählte uns übrigens einmal, dass manche amerikanischen Sender seit dem 11. September 2001 im Untertitel immer die aktuelle Gefahrenstufe einblenden! Ein Volk in ständige Angst zu versetzen ist ganz offensichtlich ein lukratives Geschäft und zeitgemäße Politik …
So betreten wir – zum Schutze unserer Mitmenschen mit ausgebeulter Hose anstatt umgehängter Handtasche – das Ehrenmal, wo bereits der nächste Gag auf uns wartet. Wir bekommen einen Zettel mit einer aufgedruckten »20« in die Hand gedrückt. Eine Erklärung, was dies zu bedeuten hat, gibt es indes nicht. Nach kurzem Orientieren stellen wir fest, dass es hier lediglich einen Gift Shop, einen sehr kurzen Rundgang und einen Kinosaal gibt. Das eigentliche Denkmal befindet sich auf dem Wasser und wird alle 20 bis 30 Minuten mit einer kleinen Fähre angefahren. Zur Fähre kommt man allerdings nur, wenn man sich vorher einen Dokumentarfilm über den schicksalhaften 7. Dezember 1941 im Kinosaal angesehen hat. Na, wenn’s denn sein muss …
Als wir uns zu den anderen Menschen in der Schlange gesellen, stellen wir dank einer Lautsprechermitteilung fest, dass wir als Besitzer der Einlasskarte mit der Nummer 20 noch alle Menschen mit den Karten 16, 17, 18 und 19 vorlassen müssen. Mit anderen Worten: Wir müssen noch 80 Minuten dumm herumsitzen, bis wir endlich in dieses Kino hinein dürfen. Alter …
Der »Rundgang« ist auch nicht all zu interessant. Es gibt lediglich vier Tafeln mit hochtrabenden Informationen à la: »Da stand mal ein Funkturm.« Oder: »Auf diesem Foto war das Schiff noch über Wasser.«
Die restliche Zeit langweilen wir uns vor dem Kino, bis wir endlich an die Reihe kommen. Das bis hierhin Interessanteste an Pearl Harbor ist die Tatsache, dass Tauben einem aus der Hand fressen, wenn man ihnen japanische Kekse hinhält. Im Kino selbst heult uns eine Rangerin des Nationalparks – Pearl Harbor ist ein Nationalpark – vor, wie schlimm doch alles war und dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika es verbietet, Handys während der Vorführung eingeschaltet zu lassen. Der Film ist dann auch nicht viel besser: Patriotismus, Heldentum und eine Menge Pathos.
Dass der Angriff auf Pearl Harbor mit Sicherheit schrecklich war, steht völlig außer Frage. Schließlich starben bei dem Angriff 2388 Menschen, wovon 48 zudem noch unschuldige Zivilisten waren. Dass die Amerikaner jedoch vier Jahre später zwei Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abwarfen und somit eine weit höhere Zahl an – vor allem – zivilen Opfern in Kauf nahmen, wird in dieser Gedenkstätte in keiner Weise erwähnt. Gerade bei einem Staat wie den USA wäre es – meiner Meinung nach – wünschenswert, wenn ab und zu auch mal Selbstkritik laut werden würde. Stattdessen werden sämtliche Soldaten, damals wie heute, als Helden betrachtet und verehrt. Interessanterweise geht nämlich ein Großteil der zivilen Opfer beim Angriff auf das rein militärische Ziel Pearl Harbor auf Kosten der US Army, die ihre Kanonen falsch ausrichteten und ihre Waffen in die eigene Stadt abfeuerten. Dies wird jedoch nur als kleiner Nebensatz in einer Broschüre erwähnt.
Als der Propagandafilm vorbei ist, geht es schließlich mit der Fähre zum eigentlichen Denkmal. Das Ehrenmal ist ein weißes Gebäude, welches über der gesunkenen »USS Arizona« errichtet wurde. Es besteht aus drei Teilen: der Eingangsbereich, in dem lediglich einige Militärfahnen postiert sind, der Mittelteil, von dem aus man einen weniger faszinierenden Blick auf das gesunkene Schlachtschiff hat und ein Raum mit einer Gedenktafel. Das Ehrenmal ist man innerhalb kürzester Zeit komplett abgelaufen. Dann heißt es warten, bis man endlich wieder zurück an Land gebracht wird.
Der komplette Besuch nimmt in etwa drei bis vier Stunden in Anspruch, obwohl eine halbe Stunde bis Stunde vollkommen ausreichend gewesen wäre. All zu informativ ist die Gedenkstätte auch nicht, dafür gibt es massenhaft Merchandising zu kaufen: »Remember Pearl Harbor« auf T-Shirts, Kappen und als Anstecker.
… Man bekommt sowohl seinen Weg als auch seine Zeit im Ehrenmal vorgeschrieben und darf aus »Sicherheitsgründen« – selten so gelacht – seine Tasche nicht mitnehmen. Wenn man sie jedoch versteckt, kommt man problemlos hinein, ohne auf Sprengsätze oder sonst irgendetwas überprüft zu werden.
Zu viel Pathos, zu viel Ehre, zu viel Selbstmitleid, zu viel Arroganz, zu viel Paranoia und zu wenig Informationen machen den Besuch der Gedenkstätte Pearl Harbor zur sinnlosen Zeitverschwendung.
Von einem Besuch des Kriegsschiffes »USS Missourri« sehen wir daraufhin, ohne zweimal darüber nachzudenken, spontan ab. Dieses Schiff ist übrigens laut Flyern und Postern ein amerikanischer Held. Zum Kotzen …
Auf unserem Weg zurück beschließen wir, einen Zwischenstopp in Chinatown zu machen. Honolulus Chinatown ist in so mancher Hinsicht ziemlich cool. Die Straßenschilder beispielsweise sind nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Chinesisch! Ansonsten versprüht Chinatown genau den Flair, den man von einer Chinatown erwartet: Man ist in Asien!
Die Lebensmittel sind schön billig und alles ist irgendwie süß. Absolut widerlich ist dagegen die Art und Weise wie hier Fleisch verkauft wird. Das Fleisch liegt offen auf dem Verkaufstisch – lediglich von ein paar Eisklumpen gekühlt – und stinkt. Zudem erkennt man meistens noch, um was für einen Teil von welchem Tier es sich handelt. Einen Smoothie und einen Bubble Drink später machen wir uns zu Fuß auf in Richtung Downtown.
Honolulus Downtown besteht fast ausschließlich aus Wolkenkratzern und wirkt wie eine Bankenmetropole. Durch das tropische Flair, die vielen Brunnen und Palmen bleibt es dennoch ganz hübsch und nett. Wenn man sich hier jedoch nicht auskennt, wird es dafür aber schnell auch ziemlich langweilig . Irgendwann entdecken wir den Aloha Tower: »London has Big Ben, we have the Aloha Tower.«
Der Turm ist wirklich süß und befindet sich direkt am Hafen. Von der Turmspitze aus hat man einen schönen Ausblick über Honolulu … und man erfährt interessantere Dinge als in Pearl Harbor.
Nach dem Aloha Tower geht es zurück nach Waikiki. Heute Abend wollen wir in »The World’s Most Beautiful China Restaurant« gehen. Das Lau Yee Chai sieht wirklich krass aus: Vom Eingang aus wird man – ganz edel – zu seinem Tisch geführt. Der Hauptsaal des Lau Yee Chai fasst sage und schreibe 500 Gäste und man es fühlt sich an als sei man in einem dieser gewaltigen Essensäle in riesigen Schiffen. Bekki und ich werden an einen enormen Tisch geführt, der eigentlich für vier Personen gedacht ist und selbst dafür noch (zu) mächtig ist. Man stelle sich einen durchschnittlichen deutschen Küchentisch mal zwei vor: etwa so groß ist dieses Tischchen.
Ich bestelle mir zunächst ein Bier. Die freundliche Kellnerin will daraufhin meine I.D. sehen. Den Spaß hatten wir doch im Hard Rock Café in Kailua-Kona schon einmal … Die Kellnerin schaut sich meinen Perso an, zählt ganz genau nach … und stellt fest, dass ich erst in zwölf Tagen 21 werde: »Oh, I need to ask my manager.«
Der Arsch von Manager will mir kein Bier geben und so muss ich tatsächlich – im Alter von 21 Jahren minus zwölf Tagen – aus Altersgründen auf mein Bierchen verzichten. Das ist aber durchaus schon wieder lustig …
This is America! America!
Nun bestellen wir unser Essen. Bei Rebekka geht das relativ problemlos über die Bühne, bei mir gibt es allerdings mal wieder leichte Irritationen.
»Could I get this with tofu instead of meat?«
»No meat?«
»No meat.«
»What about fish?«
»No, thanks.«
»Shrimp?«
»No.«
»Chicken?«
»No, tofu, please.«
»Seafood?«
»Uhm, no.«
»Okay. No meat.«
Wir werden gefragt, ob wir denn noch Frühlingsrollen oder andere Vorspeisen haben möchten. Dies müssen wir jedoch verneinen. Das Lau Yee Chai ist zwar – in Bezug auf sein äußeres Erscheinungsbild – gar nicht einmal teuer, allerdings können wir uns solch einen Abend auch nur erlauben, wenn wir auf Vor- und Nachspeisen verzichten. Außerdem werden wir bei Asiaten immer satt, auch ohne Vor- oder Nachspeise.
Kurze Zeit darauf kommt auf einmal ein Kellner von der Seite an und nimmt meine Serviette auseinander. Leicht irritiert beobachten wir, was der Kellner damit vorhat.
»Excuse me,« sagt er höflich devot zu mir, faltet das Tuch auseinander, beugt sich über mich und legt es schön gerade auf meinen Schoß. Haha! Großes Kino! Ich raffe allerdings erst ziemlich spät, was der Gute mit mir vorhat, sodass er wohl bemerkt haben dürfte, dass wir noch nicht all zu oft in Restaurants der gehobenen Klasse gegessen haben …
An unserem Nachbartisch wird die Vorspeise, eine Frühlingsrolle, serviert. Als wir dieses Röllchen sehen, sind wir froh, keine bestellt zu haben: Es ist eine erschreckend kleine Frühlingsrolle.
Ob unser Essen auch so eine kleine Portion sein wird?
Die Kellnerin bringt die traurige Antwort: Ja.
Die kleinsten Portionen, die wir je in einem asiatischen Restaurant bekommen haben, werden uns auf den Tisch gestellt. Somit ist das Lau Yee Chai dann doch nicht mehr so preiswert.
Relativ schnell bemerke ich, dass sich nicht nur kein Fleisch, sondern auch kein Tofu auf meinem Teller befindet. Als unsere Kellnerin einige Zeit darauf an unseren Tisch tritt und sich erkundigt, ob denn alles in Ordnung sei, teile ich ihr mit, dass ich meinen Tofu vermisse.
»Tofu? Oh, no tofu,« spricht’s und verschwindet. Voller Erwartung beobachten Bekki und ich unsere Kellnerin noch einige Zeit: Bringt sie mir jetzt noch Tofu oder was passiert hier?
Letztendlich bringt sie mir keinen Tofu mehr. Interessanterweise lässt sich die Dame sogar kein einziges Mal mehr an unserem Tisch blicken! Plötzlich bringt uns eine andere Kellnerin die Rechnung. Einen Rabatt wegen des fehlenden Tofus in meiner eigentlich ja noch nicht einmal vegetarischen Speise gibt es auch nicht und einen kostenlosen Nachtisch zur Wiedergutmachung serviert man uns ebenso nicht.
»Best Chinese Restaurant in Hawaii.«
So nennt sich das Lau Yee Chai selbst. Best Chinese Restaurant in Hawaii? Beim besten Willen nicht.
Irgendwie ist an diesem Tag eine Menge schief gelaufen. Pearl Harbor war Zeitverschwendung und das »Best Chinese Restaurant in Hawaii« pure Geldverschwendung. Trotzdem war es wieder einmal hoch interessant und – im Nachhinein – auch durchaus amüsant.

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