Tag 8: Das dicke B und ein nicht zu widerlegender Gottesbeweis

Kaffee, Kiffer, Killerkatzen

Mittwoch, 18. August 2004
Kona, Hawaii

Das Wetter auf dem Berg ist schon am Morgen so beschissen, dass wir uns das Farmarbeiten besser mal sparen …
Um halb eins folgen wir unserer gestern von Trent erhaltenen Einladung zum Lunch. Was sind wir gespannt, was es zu Essen gibt … Und, ta-daa: Fast Food vom Fast-Food-Restaurant! Um welche Kette es sich dabei handelt, steht seltsamerweise nicht auf der Verpackung drauf. Ein Fast-Food-Gourmet-Restaurant? Für Bekki gibt’s einen Fischburger, für mich einen Salat. Außerdem bekommen wir endlich unseren ersten Kaffee zum Probieren! Mehr als ein »Probiertässchen«, also ein Espressotässchen Kaffee schenkt er uns aber nicht ein.
Dafür lernen wir Trents Kinder kennen:
Brice scheint ein ganz sympathischer Kerl von 22 Jahren zu sein, der die Touristen, die das Bed-&-Breakfast-Angebot der Mountain Thunder Coffee Farm wahrnehmen, begrüßt und ihnen ein Probiertässchen Kaffee einschenkt. Ich denke, dass er wohl mal die Farm übernehmen wird, wohingegen Bekki gerade nur müde die Stirn runzelt und mir vorwirft, ja wirklich jeden Scheiß aufzuschreiben … Tse!
Brent ist ein ziemlich dümmlicher Zeitgenosse, der, obwohl er der Älteste der Folgegeneration ist, sicherlich nicht die Farm übernehmen wird. Gleichwohl beherrscht er zwei deutsche Wörter wie aus dem Effeff, die er uns dann auch gleich mal näher bringen muss: »Aufsf Widschterteyn« und »Sieg Heil!«
Juchhu.
Daraufhin müssen wir ihm erst einmal erklären, dass »Sieg Heil!« nicht (mehr) unbedingt als freudige Begrüßung in Deutschland aufgefasst wird und diese Zeit bei den allermeisten Deutschen seit nunmehr knapp 60 Jahren vorbei ist. Das hat ihn, glaube ich, ziemlich erstaunt … Des Weiteren haben wir ihm erzählt, dass es in Europa Burgen und Schlösser gibt, aber keine Märchenprinzessinnen und -prinzen. Hat ihn auch erstaunt. Zudem hat er uns DEUTSCHE – Aaah! Aliens! – ununterbrochen angestarrt, wie … ähm, ja … Aliens eben. Brent ist geschätzte 24 Jahre alt und dumm wie Holz.
Bleibt last but not least – oder doch eher last and least noch die Tochter übrig: Eine arrogante Schnepfe, die es noch nicht mal für nötig hält, sich uns vorzustellen. Das hochnäsige Mädel ist etwa 17 bis 20 Jahre alt. Von Brice erfahren wir dann doch noch ihren Namen: Brook.
Somit heißen Trents Kinder Brent, Brice und Brook. Schön doof. Um Dich, werten Leser, nicht zu enttäuschen, kommt jetzt noch der absolute Überhammer, der Finishing Move, der Coup de grâce:
Der Nachname lautet B-b-b … Brokeman! Ja, Wahnsinn!
Ah! Zwei weitere Familienmitglieder hätten wir ja fast vergessen: Zunächst natürlich die Mama: Lisa. Ich habe es, ehrlich gesagt, noch nicht geschafft, ihr richtig ins Gesicht zu gucken, da sie sich mordsmäßig vom Onkel Doktor was vor die Hütte hat setzen lassen. Meine Güte! Sie scheint aber charakterlich soweit ganz okay zu sein. Charakterlich eher zwielichtig erscheint uns hingegen Hund Harley zu sein, der offenbar alles und jeden töten möchte.
Nach dem Essen zeigt uns Trent – der seinen Sohn tatsächlich Brent genannt hat – die Farm etwas genauer und erklärt uns, was unsere Aufgabe für die nächsten Tage sein wird. Oha: Arbeit! Tja, und es klingt nach einer durchaus lustigen Beschäftigung: Irgendwo zwischen allen möglichen Bäumen und Sträuchern wachsen auch Teebäume. Der Name des Tees ist uns blöderweise entfallen. Bekki überlegt gerade: »Maakay, Macki, Muckhai, Mmm, Mamk, …«
Wie dem auch sei: Unsere Aufgabe ist es, durch den Dschungel zu rennen, die wild wachsenden Teebäume zu finden und die großen Blätter davon abzupflücken. Dabei sollen wir aufpassen, dass keine hawaiianischen Wildschweine unsere Trampelpfade kreuzen. Falls uns das dann doch mal passieren sollte, hat Trent den ultimativen Überlebenstipp für uns parat: »Just hide. Climb up a tree.«
Na, wenn’s weiter nichts ist.
Trent zeigt uns bei unserem Rundgang noch die Köstlichkeiten seiner Farm: »You can eat this flower!«
»This is eatable!«
»Did you ever try to eat a coffee bean? No? Try it!«
Also picken wir uns eine rote Bohne von der Pflanze, schieben sie uns in den Mund, kauen darauf herum und empfinden es als relativ ungenießbar. »Tastes good, right?«
Hm, nee.
»Coffee beans are like grapes. The difference is, that grapes have a small stone, whereas coffee beans have a huge stone, but less fruit that’s eatable!«
Na toll. Danke. Zu diesem Zeitpunkt haben Bekki und ich bereits das bisschen, das essbar war heruntergeschluckt und quälen uns mit dem ziemlich unguten Kern herum.
Danach essen wir noch eine Blume, die vom Geschmack her Pfeffer ähnelt. Wir verspeisen Teeknospen direkt vom Baum, von denen man angeblich high werden kann … hehe … und wir zerreiben ein Curryblatt in unseren Händen, die jetzt also nach Curry riechen. Cool.
Des Weiteren erfahren wir, dass unser Berg ein Vulkan ist, in dem sogar noch das Magma brodelt – uiii, gruselig! –, Trent bis gestern noch Pfauen hatte, die aber von Wildschweinen durch ein Loch im Zaun verscheucht wurden – wegfliegen können die armen Vögel leider nicht mehr: Onkel Trent hat ihnen die Flügel gestutzt –, dass es hier auf und neben der Farm Lavatunnel gibt und dass wollfreie Schafe keine Kaffeebohnen fressen, sondern lediglich düngen und das Unkraut fressen. Gleiches gilt für Gänse …
Trent offenbart uns auch, dass wir Überstunden, wie auch immer das funktionieren soll, mit einem Päckchen Kaffee belohnt bekommen. Ja, dann machen wir halt mal Überstunden. Samstags und Sonntags haben wir im Übrigen frei: »Mahalo!«
Das heißt »Danke«.
Später – wir haben gerade einen Fünf-Liter-Eimer mit Teeblättern vollgestopft und zum Trocknen im Greenhouse ausgelegt – lernen wir Lolo, einen 60-jährigen Salvadorianer etwas näher kennen. Ich weiß nicht warum, aber mir passiert es immer wieder, dass Leute mit mir eine Grundsatzdiskussion über Gott anfangen. Auf jeden Fall erbringt Lolo mir den Gottesbeweis und ich kann ihn dabei nicht aufhalten: Als ich ihm aufgrund meines ausgeprägten geologischen und physikalischen Wissens erklären will, dass seine Mutter damals in El Salvador die aus dem Vulkan herunterströmende Lava nicht durch Beten gestoppt hat, verliere ich endgültig die Oberhand über die Gottesdiskussion: Mittlerweile gibt es in Lolos Heimat, am Fuße des Vulkans eine Statue seiner betenden Mutter, die die Lava allein durch ihren Glauben und ihre Herumbeterei gestoppt hat. Hmpf, was soll ich da noch erwidern: Natürlich muss es einen Gott geben … Hilfe!
Außerdem weiß Lolo, dass zuerst die Henne und dann das Ei da war! Hat er gesagt: »It’s sure. How can son be here before father?«
Ansonsten ist Lolo ein wirklich lustiger und sympathischer Hispano. Lolos Familie lebt in Kanada, weswegen er sie leider nur für etwa zwei Wochen im Jahr sehen kann. Das ist hart. Das restliche Jahr über muss er Geld verdienen. Und solch ein armer Mensch verschwendet seinen Glauben tatsächlich an einen Gott … oder gerade deshalb?
Lolo ist offensichtlich leicht fasziniert von mir, weil ich als »Bleichgesicht« halbwegs Spanisch sprechen kann. »El español es el idioma más bonito y el inglés es para hacer el dinero.«
Übrigens heißt Rebekka im lateinamerikanischen Spanisch anscheinend »Kuh«, höhö. Ich wusste bisher nur, dass »Strickjacke« in castellano »rebeca« heißt. Auf alle Fälle findet Lolo »Rebekka« ganz toll und muht auch ab und zu. Tse, diese Südländer …
Bekki mag diesen Absatz nicht und denkt, dass die Hispanos sich wohl denken: »Wie kann ein Trent seinen Sohn Brent und eine Mutter ihre Tochter Kuh nennen?«

Tage 6 & 7   Inhaltsverzeichnis   Tag 9

0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Comments
Inline Feedbacks
Lies alle Kommentare
0
Would love your thoughts, please comment.x