Prolog

Serendipity – Teil 1

2012 10 07 Marbella Best Short

Sonntag, 7. Oktober 2012
Marbella – Berlin

Am 7. Oktober 2012 erhalte ich für meinen Kurzfilm »Erinnerungen« den Award für den besten internationalen Kurzfilm beim Marbella International Film Festival. Trotz meiner Anzugshose, hellblauem Hemd, einem lässig über den Arm gelegten Sakko und wahnsinnig schicken Flip Flops bekomme ich an jenem überraschend erfolgreichen Abend gleich dreimal mitgeteilt, dass ich dem Dresscode nicht zur Genüge entspreche. Punk’s not dead, baby! Die Dame vom US-Konsulat schafft es sogar, mir ihre Ablehnung gegenüber meiner – in meinen Augen durchaus galawürdigen – Tracht ohne Worte mitzuteilen: Vor mir stehend, mustert sie mich von oben bis unten. Nachdem sie bei den Füßen angekommen ist, hebt sie ihren Kopf wieder, sieht mir in die Augen und ächzt mir ein verächtliches: »Bäh«, entgegen. Es muss am Schuhwerk liegen … Allerdings ist mein zweites Paar Schuhe nicht wesentlich besser, fürchte ich.

2012 10 08 00.06.17 edited Ausschnitt Kopie
v.l.n.r.: Mark Chavez (Best Animation), Leonard Hill (Best Feature Film),
Dennis Knickel (Best Short Film), Azad Jafarian (Best Documentary)

Diese unwichtige Anekdote soll jedoch nur am Rande erwähnt werden. Viel wichtiger ist, dass ich während des fünftägigen Festivals eine Menge toller Menschen und Kollegen kennenlernen durfte. Zwei von ihnen sind Chris und Grace, die bei der award night neben mir an der runden Tafel sitzen. Wie sich nur wenige Tage später herausstellen soll, ist dies eine äußerst glückliche Fügung. Kurz nach meiner Rückkehr nach Berlin postet Chris auf meiner Facebook-Pinnwand irgendetwas von einer »Berlin/Los Angeles Bad Ass Co-Production«. Was genau er sich darunter vorstellt, ist dem kurzen Posting nicht zu entnehmen. Die Idee gefällt mir aber und ich bekomme eine Idee: Am Tag nach Chris’ »Bad Ass«-Kommentar schreibe ich eine Mail, die an ihn, seine Produzentin und Partnerin Grace sowie an die chinesische Regisseurin Miao Li, deren Produzentin Rinia Xin Du und Regisseurin Teresa Saporiti aus Argentinien adressiert ist:

Ich habe eine Idee: Wir drehen gemeinsam einen Episodenfilm!
Wir arbeiten zusammen an einer Story und dann dreht jeder von uns ein Viertel des Films in seiner Heimat. Somit muss jeder von uns nur das Budget für einen Kurzfilm aufbringen. Ich denke auch, dass wir einfacher Sponsorengelder bekommen können, wenn wir das Projekt als eine »weltweite Kollektivarbeit« verkaufen: Ein Film, der in vier verschiedenen Regionen dieser Welt spielt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir den einen oder anderen interessierten Unterstützer in Deutschland, China, Argentinien und den USA finden werden. Was für eine Kooperation! Weltweit!
Lasst mich wissen, was Ihr von meinem Vorschlag haltet, und dann lasst uns mit der Vorproduktion beginnen! Vielleicht werden wir 2014 bereits einen Langfilm in Produktion haben, der in Kinos auf vier verschiedenen Kontinenten gezeigt werden wird …

Rock und Roll,
Dennis

Die Antworten lassen nicht lange auf sich warten und fallen allesamt positiv aus. Genial! Tja, und das ist dann auch quasi der Startschuss für meinen großen Trip 2012/2013: Da »Erinnerungen« zusätzlich noch auf dem im November stattfindenden Monarch Film Festival in Pacific Grove, Kalifornien, für einen Preis nominiert wird, entscheide ich, dies als symbolisch zu betrachten und Chris und Grace mit einem Besuch in Los Angeles zu … naja, überfallen, um die »Weltkollektivfilmidee« schnellstmöglich in die Tat umzusetzen, bevor sie als eine gute, aber nie realisierte Idee im Nirgendwo versandet. Manche Chancen sollte man sich eben nicht entgehen lassen.
Am 31. Oktober buche ich die Flüge, am 10. November geht’s über Paris und Detroit nach San Francisco und 88 Tage später – am 5. Februar 2013 – von Los Angeles über Amsterdam wieder zurück nach Berlin. Gleich zu Beginn, am 14. und 15. November steigt das Monarch Film Festival im Monterey County. Was wann danach kommt, weiß ich selbst noch nicht so genau. Die Vorproduktion am Weltkollektivfilm bei Grace und Chris wird erst im Januar starten. Genügend Zeit also, um mir die West Coast mal genauer anzuschauen. Ob ich es schaffe, von Vancouver bis Mexiko zu kommen, werden wir sehen. Ich habe kaum Zeit, meinen Trip zu planen, nehme mir aber so einiges vor, was jetzt noch nicht verraten werden soll. Mal schauen, was alles funktioniert und was nicht. Ich sollte auf jeden Fall schon einmal damit rechnen, dass so manches schiefgehen und anders laufen könnte, wie ich mir das momentan vorstelle. Oder um es mit Dorothys Worten nach ihrer Landung in Oz zu sagen: »Toto, I have a feeling we’re not in Kansas anymore …«

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