Tag 13: Golden Gate Bridge

Serendipity – Teil 1

2012 11 22 17.52.07 edited

Donnerstag, 22. November 2012 – Thanksgiving
San Francisco

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Ford muss heute arbeiten, also ziehe ich alleine los. Zunächst geht’s mit dem Computer zu Starbucks. Ich bin gerade am E-Mail Schreiben, als ich eine Kundin: »Thank you for working on Thanksgiving«, sagen höre. Ja, richtig: Heute ist Thanksgiving und wieder finde ich es schlicht großartig, wie unglaublich freundlich und offenherzig die Bewohner dieser Stadt sind.
Ich habe das Ticket von Peter, dem Australier, bei mir. Das heißt, dass ich mit den weltberühmten Cable Cars fahren darf. Also auf zum Union Square! Eigentlich kostet eine einfach Fahrt ganze sechs Dollar. Ich würde dieses Ticket also jedem empfehlen, der weniger laufen und dafür mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren möchte. Die Fahrt mit dem natürlich primär von Touristen genutzten Gefährt ist ein durchaus lustiges Erlebnis: Die kleinen Bahnen bestehen lediglich aus einem Wagen, den sich die Passagiere mit den zwei Cable-Car-Angestellten teilen. Man betritt die Kabelstraßenbahn, die es übrigens seit Ende des 19. Jahrhunderts in San Francisco gibt, entweder vorne oder hinten. Ich steige hinten zu und finde mich auf einer kleinen überdachten Plattform mit einem Geländer wieder. In der Mitte der Plattform ragt eine Eisenstange aus dem Boden. Am unteren Ende der Stange ist ein Zahnrad. Das obere Ende knickt S-förmig ab, sodass man die Stange drehen kann. Diese Kurbel ist die Radbremse. Der Bremser, der seine Arbeit auf dieser hinteren Plattform macht und auch als Schaffner fungiert, weist mich darauf hin, dass ich die gelb markierte Stelle rund um die Stange nicht betreten darf. Ups. Es geht steil die Powell Street hinauf. Ich kann es nicht oft genug sagen: Diese Straßen sind der Wahnsinn und verleihen dieser Stadt ein unvergleichliches Flair. Ich verlasse die Plattform und gehe ins überfüllte Innere der Bahn. Modern ist was anderes, aber Style ist wichtiger. Lederriemen hängen als Halt von der weißen hölzernen Decke. Die Wände sind braun und die beiden einander gegenüberliegenden Sitzreihen ungepolstert. Verlässt man das Abteil durch den Vordereingang, kommt der Außensitzbereich. Links und rechts, direkt an der Kante der Bahn sind Sitzbänke, auf die je fünf Leute passen. Dazwischen operiert der Gripman. Das ist quasi der Lokführer. Mit seinen Hebeln hebt er das unter dem Wagen verlaufende Seil in die Spannklaue. Schließt er die Klaue, hält er das Seil fest, wodurch Fahrt aufgenommen wird. Er kann das Seil aber auch durch die nicht geschlossene Spannklaue durchlaufen lassen und zeitgleich die Bremse betätigen, um an Haltestellen zu stoppen. Das Seil bleibt hierbei in Schleifstellung in der Spannklaue. Somit kann direkt wieder weitergefahren werden. Sind alle Passagiere an oder von Bord, geben sich der Gripman und der Bremser mithilfe einer Glocke das Zeichen zum Weiterfahren. Das Bedienen der Hebel sieht nach Arbeit aus. Ein Gripman braucht Kraft und Lederhandschuhe, um die Hebel bedienen zu können.
Ich fahre bis zur Endhaltestelle durch und beobachte amüsiert und interessiert, wie die Bahn auf ein anderes Gleis gehievt wird. Nun kann es also wieder zurückgehen. Die Endhaltestelle auf der anderen Seite der Strecke ist übrigens noch spektakulärer: Die Bahn steht auf einer runden Holzplattform, die sich karussellartig drehen lässt. Schwuppdiwupp die Scheibe gedreht und schon ist das Cable Car gewendet.
Ich befinde mich nun an der Ecke Bay und Taylor und bewege mich in Richtung Fisherman’s Wharf. Als ich die Jefferson Street entlangflaniere, sehe ich wieder den Bushman. Okay, jetzt gucke ich ihn mir mal länger an: Der Busch passt einfach nicht in die Szenerie, aber niemand bemerkt ihn, da jeder woanders hinguckt. Plötzlich bewegt sich etwas vor den Passanten und macht: »Bäh!«
Und tatsächlich: Die Leute lassen sich von ihm erschrecken, machen lustige Geräusche und zucken oder springen auf die Seite. Das ist schon absurd: Zehn Meter hinter dem Bushman stehen ein gutes Dutzend Schaulustige, die von seinen Opfern jedoch genauso wenig wie der Busch bemerkt werden. Da sieht man mal, wie gut so manch einer seine Umwelt wahrnimmt.
Zu Mittag geht’s mal wieder zum King of Thai Noodle House. Ich weiß, ich bin langweilig, aber der Panang Curry war sagenhaft. Diesmal gibt’s die gute alte Tom Kha Suppe und die ist abartig groß. Vor mir steht eine Schüssel mit gut einem Liter Inhalt. Uff. Dementsprechend geht es mir nach Verspeisen der diesmal nur guten, aber nicht tollen Suppe. Jetzt kann ich auch mal woanders essen gehen.
Da heute Thanksgiving ist, will ich nicht komplett alleine sein. Da sollten drei Jungs sein, die genauso denken, vermute ich. Also schreibe ich den drei Freebies Joshua, Keegan und Mr. Fox eine SMS. Es dauert eine Weile, bis die Antwort kommt: Joshua und Mr. Fox sind in Berkeley. Was mit Keegan ist, schreiben sie mir nicht. Ich fürchte aber, dass sein Thanksgiving nicht so berauschend ausfällt, da er seiner Freundin in Chicago spätestens heute mitteilen muss, dass das Gras und die Kohle geklaut wurden und die Flucht verschoben werden muss. Oh, Mann … Ich hoffe, ihm geht’s gut.
Heute ist der Tag, an dem ich den Sonnenuntergang von der Golden Gate Bridge aus sehen werde! Die Zeit wird allerdings schon wieder knapp. Verdammt. Wo fährt der Bus in Richtung Brücke? Ich frage eine Busfahrerin in der Beach Street, ob sie in Richtung Golden Gate Bridge fährt.
»No, but I can bring you to the right bus stop.«
Das klingt doch cool. Eine Ecke weiter, das dürften ganze 500 Meter gewesen sein, schmeißt sie mich schon wieder raus.
»Line 30.«
Allet klärchen.
Blöderweise frage ich den Busfahrer der Linie 30 wenige Minuten später nicht auch noch einmal, ob er direkt zur Brücke fährt. Erst als ich mich wundere, wie und wo er um die Blocks zuckelt, frage ich ihn.
»You should have taken line 28 … like everyone else does.«
Klugscheißer. Um in die Linie 28 zu kommen, hätte ich Chestnut, Ecke Laguna aussteigen müssen. Jetzt wird’s knapp mit dem Sonnenuntergang. Ach, das wird nicht knapp. Das wird gar nichts mehr. Verdammt. Da ich jetzt aber schon auf dem Weg bin, schaue ich mir die Brücke eben im Dunkeln an.
Diese Entscheidung ist mehr als richtig. Okay, die Sonne ist weg und der Fußgängerbereich beschränkt sich auf die östliche Seite der Brücke, also auf die dem offenen Meer abgewandte Seite. Allerdings sieht man noch immer die bunten Lichter der Sonne, die irgendwo weiter im Westen noch auf den Ozean scheinen. Was soll ich sagen? Die Golden Gate Bridge ist ein magischer Ort! Durch die vielfältig bunten Farben der Sonne, in Kombination mit der sensationellen roten Brücke, entsteht eine solch surreale Atmosphäre, die schwer zu beschreiben ist. Es ist atemberaubend. Es ist wunderschön!

Im Osten sieht man die Städte der Bay leuchten. Allen voran natürlich San Francisco. Egal wo man steht und schaut: Diese Stadt ist magisch, sexy, spannend und schön.
Ich laufe auf der Brücke in Richtung Sausalito. Als Fußgänger muss man zum Glück – im Gegensatz zu den Autos – keine Maut zahlen. Allerdings kostet die Nutzung der Brücke mit dem PKW nur dann Geld, wenn man aus Richtung Norden kommend nach San Francisco hineinfährt. Bei meiner Fahrt von San Francisco nach Pacific Grove habe ich bereits festgestellt, dass stellenweise lediglich Autos mit mindestens zwei Insassen die linke Spur auf dem Freeway nutzen dürfen. Auf der Golden Gate Bridge werden Autos mit mindestens drei Insassen zu den Spitzenzeiten mit kostenfreier Nutzung belohnt. Ansonsten sind für einen gewöhnlichen PKW fünf Dollar fällig. In Amerika wird man also dafür belohnt, wenn man Mitfahrer hat. Es lebe der grüne Gedanke! Die Maut ist notabene notwendig, um das nicht rostfreie Metallgerüst erhalten zu können. Die salzige Luft setzt dem Material ordentlich zu.
Der Boden vibriert aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens unter meinen Füßen. Ein kalter Wind weht mir entgegen. Ich will heute noch nicht bis auf die andere Seite, bis nach Sausalito, spazieren. Das mache ich, wenn ich wiederkomme, um den Sonnenuntergang zu sehen. Ich mache ungefähr die Hälfte der Strecke und gratuliere der Brücke ungefähr in der Mitte zu ihrem 75. Geburtstag.

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<center>Die Geschichte der Golden Gate Bridge</center>
Die Golden Gate Bridge wurde 1937 am Eingang der San Francisco Bay erbaut. Im Osten tut sich die komplette Bucht mit all ihren Städten auf. Alleine von der Brücke aus müsste man San Francisco, Oakland, Richmond und Berkeley sehen können. Im Westen erstreckt sich der Pazifische Ozean. Die Durchfahrtshöhe, also die Anzahl an Metern zwischen Wasser (bei Hochwasser) und Unterkante der Brücke, liegt bei 67 Metern. Die Höhe der Pylone liegt bei 227 Metern. Die beiden Kabel, die von den Pylonen hinunterführen, haben einen Durchmesser von je 92 Zentimetern. Die Golden Gate Bridge ist 2737 Meter lang und 27 Meter breit. Gut 120.000 Fahrzeuge brettern tagtäglich über die stählerne Brücke, die insgesamt 887.000 Tonnen wiegt.
27 Jahre lang war die Golden Gate Bridge der Welt längste Hängebrücke. 1964 überbot die Konkurrenz aus New York, die Verrazano-Narrows Bridge, das rote Wahrzeichen. Mittlerweile ist die Brücke in den Top Ten weiter nach hinten durchgereicht worden und ist – Stand August 2009 – nur noch auf dem neunten Rang. Zur Zeit als die Brücke errichtet wurde, dachte man, dass sie Rekorde für die Ewigkeit aufstellen wird: die höchsten Pfeiler, die längsten und dicksten Kabelstränge und die größten Unterwasserfundamente.
Der Name der Golden Gate Bridge kommt übrigens aus der Zeit des Goldrausches in Kalifornien. 1846 erhielt die Buchteinfahrt den Namen Golden Gate oder auch Chrysopylae. Letzteres leitet sich vom griechischen Chrysoceras ab, was wiederum »Goldenes Horn« bedeutet. Namensgeber war der offensichtlich weit gereiste Captain John C. Fremont, den die Buchteinfahrt an das Goldene Horn in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul erinnerte.
Den roten Farbanstrich haben wiederum primär die Bürgerinnen und Bürger San Franciscos entschieden. Bauingenieur Joseph B. Strauss wollte die Brücke ursprünglich wie üblich grau streichen, die Navy gar schwarz mit gelben Streifen. Das Rot ist eigentlich ein orangefarbener Rostschutz, der der Bevölkerung allerdings so gut gefiel, dass Strauss sich überzeugen ließ und die Brücke somit ihre heutige berühmte Farbe hat.
Bereits 1872 überlegte man übrigens, eine Brücke über die Bucht zu spannen. Finanzielle und architektonische Bedenken verhinderten aber das Bauvorhaben zu diesem frühen Zeitpunkt. Als in den 1920er Jahren die Fähren langsam überlastet wurden, nahm man die Idee wieder auf. Die Fährmänner fanden die Idee allerdings überhaupt nicht lustig und klagten. Die Klage wurde allerdings wieder zurückgezogen, als die Bevölkerung anfing, die Fähren zu boykottieren. Anfang Januar 1933 wurde dann mit dem Bau begonnen, der am 19. April 1937 vollendet wurde. Das Hirn hinter dem Bau, sprich: der Architekt, war Othmar Ammann, der auch schon die George Washington Bridge plante.
Als man den letzten der 600.000 Niete, die die Türme zusammenhalten, in ebendiese rammte, lud man selbstverständlich die Presse ein. Die Macher der Brücke hatten sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Der letzte Niet muss aus purem Gold sein! Allerdings hat man die Rechnung nicht mit der Physik gemacht und dachte nicht daran, dass Gold als Edelmetall sehr weich ist. Es kam, wie es kommen musste: Das Gold wurde heiß, löste sich und fiel ins Wasser. Bis heute hat man den goldenen Niet nicht wiedergefunden.
Neben dieser lustigen Geschichte hat die Golden Gate Bridge aber auch tragische Geschichten zu erzählen. Zum einen dient sie vielen Suizidenten und zum anderen gab es während der Bauphase Tote. Bis Ende Januar 1937 gab es während der Bauarbeiten lediglich einen Toten. Am 10. Februar 1937 fiel jedoch ein mit zwölf Personen besetztes Gerüstteil von der Brücke. Unter der Brücke hatte man, um fallende Arbeiter zu retten, ein Netz gespannt. Dieses hatte bis dahin bereits 19 Arbeitern das Leben gerettet, welche als »Half Way to Hell Club« bekannt wurden … was lustig ist. An jenem Mittwoch hielt das Netz der Wucht des Gerüsts aber nicht stand und zehn Arbeiter stürzten in den Tod. So gab es final also elf Tote während des Baus zu beklagen. Es klingt makaber, aber das sind weniger als ursprünglich »eingeplant« wurden. Man ging davon aus, dass man pro Million Dollar Baukosten einen Arbeiter verliert. Glücklicherweise starben 24 Menschen weniger.

Ich fahre mit dem Bus zurück. Allerdings fährt der Bus nicht bis Downtown. Mit mir fahren noch andere Touristen, die auch nicht wissen, wie man am besten zum Union Square kommt. Die Busfahrerin, eine gut gelaunte dicke Afroamerikanerin lässt uns wissen, wann wir den Bus verlassen müssen und zu welcher Haltestelle wir als Nächstes gehen müssen. Irgendwie verstehen wir ihre Beschreibung zur Linie 30 aber alle falsch, weswegen sie den Bus noch einmal stoppt, hupt, die Scheibe runterkurbelt und halb aus dem Fenster hängend zu uns rüberbrüllt, dass wir an der falschen Ecke warten. Ein Berliner Busfahrer hätte wahrscheinlich nur den Kopf geschüttelt und wäre weitergefahren.
Der Fahrer der Linie 30 ist einmal mehr schwer amüsant und kündigt – ähnlich wie der Lokführer auf meiner Fahrt von San Jose nach San Francisco – jede Haltestelle wie ein Radiomoderator an.
Am Union Square angekommen, spaziere ich ein wenig in der näheren Umgebung umher und unterhalte mich mit vier Chinesinnen, die als Lehrerinnen in Utah arbeiten, während wir uns von einer Straßenband zum Tanzen und Mitsingen animieren lassen. Ich nutze noch einmal mein Wochenticket und fahre eine Station mit dem Cable Car. In der Powell Street, nur wenige Meter vom Union Square entfernt, beschließe ich, mir das noble Sir Francis Drake Hotel von innen anzusehen. Mamma mia! Das Hotel ist ein Prachtbau mit einer beeindruckenden Lobby und Bar. Ich muss aufs Klo und kann problemlos die Toilette des Hotels nutzen. Um zur Toilette zu gelangen, gehe ich in der Lobby eine Treppe hinauf und stehe plötzlich in einem königlichen Raum vor einem reich geschmückten Weihnachtsbaum. Hier steht auch ein schickes Sofa. Steckdosen gibt es auch. Na, dann mache ich mir diesen Raum einfach mal schnell zum Büro und packe meinen Computer aus. Internet funktioniert auch. Wunderbar.

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Ich organisiere mir online eine Mitfahrgelegenheit nach Portland. Hierfür nutze ich das rideshare-Portal auf craigslist.org. So wie es aussieht, fahre ich mit einem Hippiebus gen Norden. Zumindest bezeichnen sich die beiden selbst als »tree hugger« und bieten einige freie Plätze für die Fahrt an. Der Abfahrtstermin steht allerdings noch nicht so ganz fest. Der 25. oder 26. November wird es wohl werden. Es kommt darauf an, wie lange sie brauchen, um von sonst woher nach San Francisco zu kommen.
Ford kommt gegen 23 Uhr von der Arbeit nach Hause. Als ich auf ihn stoße, telefoniert er gerade vor dem Hostel mit seiner Mutter. Zunächst entschuldigt er sich dafür, dass er sich an Thanksgiving so spät meldet. Es ging leider nicht früher, weil er auf der Automesse arbeiten musste. Es ist niedlich, dem gut 1,90 Meter großen und toughen Typen zuzugucken, wie er mit seiner Mama telefoniert. Speziell die Verabschiedung ist an Zucker kaum zu überbieten: »I love you! Love you! Bye!«
Mama reicht das Telefon weiter oder schaltet die Freisprechfunktion ein: »Hey guys! Love you all! I love you all!«
Während er alle liebt, gestikuliert er wild, als wären sie direkt vor ihm. Es ist putzig und nicht zum ersten Mal denke ich mir, dass Ford einfach nur ein verdammt lieber, herzlicher und toller Mensch ist. Nun will er allerdings die Colorado-Girls beziehungsweise Roxy The Rockit Belle treffen. Oje. Die Colorado-Gang war zwar lustig und cool, ich will aber nicht von Elane vergewaltigt werden und hoffe somit insgeheim, dass die Mädels nicht aufkreuzen …
Glück gehabt: Die Girls feiern in einem Club, der 20 Dollar für den Eintritt verlangt. Das schenken wir uns. Ford lässt indes nicht locker und will ein Treffen danach arrangieren. Also mixt sich Ford wieder einen seiner glutenfreien Cocktails und beschließt, mit mir einen weiteren night walk, einen nächtlichen Spaziergang, zu machen. Als ich mir ein Bier kaufe, nimmt unser Streifzug kriminelle Ausmaße an: Wir trinken auf offener Straße Alkohol. Bei Fords Drinks, die er sich jeden Abend in eine Plastikflasche füllt, müssen wir keinen Ärger befürchten. Die sehen immer nach Softdrinks aus. Wegen meiner Bierdose fallen wir da schon eher auf. Ich fühle mich wie ein 14-Jähriger, da wir die Getränke versteckt trinken müssen und einander gegenseitig kurz mit: »Cops«, warnen, wenn Polizeiwagen unseren Weg kreuzen.
Es geht steil bergauf und ein weiteres Mal stehen wir plötzlich und ohne irgendeine Ankündigung von Ford vor etwas Spektakulärem: der Grace Cathedral in der California Street. Während Ford neben mir auf einem im Boden eingelassenen Labyrinth ständig im Kreis läuft und irgendetwas von dessen meditativer Wirkung faselt, genieße ich lieber den fantastischen Ausblick von den Treppen der pompösen und europäisch aussehenden Kathedrale. Und ich habe meine Kamera nicht dabei … Wer rechnet denn auch mit so etwas? Ich glaube aber, dass ich bei Ford mit so etwas einfach rechnen muss. Bester Freak!
Apropos bester Freak: Wir wollen gerade eine Kreuzung überqueren, als ein älterer schwarzer Obdachloser anfängt »My Girl« zu singen. Ich lächle nur freundlich als Ford plötzlich: »Oh, I wanna sing with you!«, ruft und: »1, 2, 3, 4«, anzählt. Ich denke noch: »Was?«, als auf einmal Ford und der Obdachlose mit großer Gestik, voller Inbrunst und erschreckend guten Stimmen »My Girl« durch San Franciscos nächtliche Innenstadt trällern. Wie cool ist denn bitteschön das schon wieder? Ford kann auch ernst und so haben wir nach dem Spontanauftritt ein langes und richtig gutes Gespräch über Sachen, die andere Leute nichts angehen …
Als wir wieder ins Hostel zurückkehren, lerne ich Erika, Fords (vermutliche) Ex in der Küche kennen. Ich koche Nudeln, während Jessy uns wieder mit hebräischer und türkischer Musik nervt. Speziell für mich legt er den »Kuss-Song« von Tarkan auf. Hurra …
Happy Turkey Day!

Quellen
Informationen über die Golden Gate Bridge: Wikipedia

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