Tag 17: Der Landlord

Serendipity – Teil 1

2012 11 27 17.00.22 edited

Montag, 26. November 2012
San Francisco

Ich habe noch immer nichts von den blöden Hippies gehört und gehe mittlerweile davon aus, dass die nicht mehr auftauchen werden. Die haben meine Handynummer. Vielleicht sind das aber üble Knauser, die keine SMS in ein fremdes Netz schicken wollen oder können. Ich sollte mir wirklich ein amerikanisches Billighandy zulegen. Ford und ich hatten heute Morgen schon das Gefühl, dass die Tree Hugger nicht aufkreuzen werden. Als Ford zur Arbeit ist, haben wir sogar auf eine anständige Verabschiedung verzichtet.
Ich möchte mir noch einmal den Mission District anschauen. Ford oder Brandi bekomme ich dort, glaube ich, nicht mehr hin. Da ich nicht denselben Weg wie gestern gehen möchte, sage ich meiner Nase, dass sie mich heute erst einmal in Richtung Süden leiten soll. Auf Höhe der 16th schwenke ich nach Westen, ins Herz der Mission. Ich habe Hunger und passiere die Taquería El Cumbre. An der Fensterfront ist ein kleiner Plastikhalter, in dem sich noch eine einzige Papierspeisekarte befindet. Die Seiten der Karte kleben zusammen. Das ist authentisch, das ist echt. Hier wird gegessen. Der Burrito ist gut und ich bekomme – weil die Guacamole nicht vegan ist – eine frische halbe Avocado reingeschnippelt. Auch hier kann man kostenlos Salsas scheffeln. Das ist also offensichtlich üblich in mexikanischen Taquerías.
Auf meinem Rückweg komme ich am SOMA StrEATfood Park vorbei. Hierbei handelt es sich um einen food court, also eine Ansammlung von Imbisstrucks. Der Food Park befindet sich direkt neben dem Highway 101, der sich allerdings eine Etage höher durch die Stadt schlängelt. In der Mitte des Platzes befindet sich ein offenes Haus. Dort wird gegessen – egal, von welchem Imbiss man sich Essen gekauft hat.
Zurück auf der belebten Market Street beobachte ich einen Junkie, der versucht, einen ziemlich dicken Stein auf dem Gehweg zu zerschmettern. Er schafft es nicht, wirkt aber bedrohlich high dabei. Ich komme wieder im Globetrotters Inn an, schließe mir mit Fords Schlüssel die Tür auf und warte, bis er von der Arbeit nach Hause kommt. Ich rauche ein Pfeifchen und arbeite ein wenig am Computer, als der Besitzer des Gebäudes, der Landlord, plötzlich ins Zimmer kommt. Er stellt sich mir kurz, freundlich und respektvoll vor und fragt mich, wer ich bin und was ich hier mache. Ich erkläre ihm, dass ich ein Freund von Ford bin und eigentlich schon längst weg sein müsste, meine Mitfahrgelegenheit mich aber im Stich gelassen hat. Erneut freundlich und respektvoll teilt er mir mit, dass ich morgen gehen muss. Oh, fuck. Beim Hinausgehen dreht er sich noch einmal zu mir um und erklärt bestimmt: »And don’t smoke pot in here! It is illegal! Even though this is San Francisco: It is illegal!«
Oh fuck, oh fuck!
Ich glaube, dass Fords Mitbewohner Sal den Landlord verständigt hat. Der Aussie hatte fünf Sekunden zuvor seinen Kopf durch die Tür gesteckt … Arschloch. Ford meinte heute Morgen schon, als Sal recht wortkarg und mies gelaunt wirkte, er solle sich nicht so anstellen. Schließlich habe er, Ford, für Sals Kumpel aus Australien den roten Teppich ausgerollt. Und Sal selbst belegt schon Fords Zimmer, ohne dass Ford das Räumchen jemals teilen wollte. Der Landlord hatte Ford ohne große Vorankündigung einfach den Australier ins Zimmer gesteckt, worauf mein Kumpel verständlicherweise von Anfang an keinen Bock hatte.
Ford kommt keine zehn Minuten später von der Arbeit nach Hause. Ich muss runter gehen und ihm die Tür aufmachen. Beim Hinausgehen sehe ich den Landlord noch im Nachbarzimmer stehen. Als ich das Haus verlasse, gebe ich deswegen Ford ein Zeichen. Er riecht den Braten aber bereits, weil er des Landlords Kutsche erkannt hat. Ford nennt ihn übrigens wirklich »Landlord«. Ich finde das ziemlich lustig. Das liegt wohl aber primär daran, dass ich bislang nicht wusste, dass man als Hausbesitzer tatsächlich solch einen edel klingenden »Titel« verliehen bekommt: Landlord …
Ich gebe Ford einen kurzen Abriss der Situation. Tja, und schon wird mein Freund wütend auf den Australier und stürmt in Richtung Haus: »Du willst nicht dabei sein, wenn ich ihm die Meinung sage«, warnt er mich. Oha … oh, oh. Als wir die Haustür erreichen, kommt der Landlord gerade durch ebendiese. Er nickt uns nur kurz zu und wir betreten das schmale Treppenhaus. Gerade als ich die Tür zumachen will, sehe ich, dass sich der Landlord noch einmal umdreht: »The room is small enough for two. Three is too much, Ford.«
Ford erwidert pampig, dass er schließlich auch den australischen Kumpel ausgehalten habe.
»Your roommate is paying, Ford. He is paying the rent. You are not
»Let’s talk about that on 6th«, gibt Ford nur cool zurück und steigt die Treppen hoch. Kurz darauf stellt sich heraus, dass nicht Aussie, sondern Wachhund Augie dem Landlord gepetzt hat. Babbsack.
Ford ist von der Arbeit ausgelaugt und geht spazieren. Ich schreibe noch ein wenig, als Ford mir eine SMS schickt. Er sitzt in der Oz Lounge und trinkt eine Pepsi. Na, da stoße ich doch besser mal dazu. Ich treffe Brandi auf dem Flur. Sie kommt mit. Cool.
Als wir am Oz ankommen, ist es bereits zu und Ford erst mal weg. Wir finden ihn aber kurz darauf wieder, essen einen leckeren Falafel Wrap bei den Iranern vom California Golden Cookies und gehen daraufhin gemeinsam ins Tempest, eine Kneipe, die sich hinter dem Gebäude des San Francisco Chronicle, an der Ecke Natoma und Mary, befindet. Die Kneipe ist eine »Bikerbar«. Diese Biker – Brandi ist eine davon und stolz darauf – sind allerdings ohne Motor unterwegs, weswegen überall Fahrräder hängen – auch unter der Decke. Die Musik kommt aus den 80ern, während Ford und Brandi darüber reden, wie es ist, lesbisch zu sein. Prost!

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