Tag 2: The Seahorse Captain

Serendipity – Teil 1

2012 11 11 14.38.08 Ausschnitt

Sonntag, 11. November 2012
San Francisco

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Craig und ich werden von Carlos mit Kaffee vollgepumpt. Wie sich herausstellt, haben Carlos und Dean aus ihrem kompletten Häuschen ein B&B gemacht. Zumindest scheint so ziemlich jedes Zimmer an irgendwen vermietet zu sein. Ich vermute auch, dass Carlos und Dean ein Pärchen sind. Dass der Mexikaner mit dem sympathischen spanischen Akzent schwul ist, wird mir spätestens klar, als er mir von der Schönheit meiner blau-grünen Augen erzählt, die ihn an den Ozean erinnern. Tja, wo er recht hat, hat er recht …
Irgendwann taucht dann auch mal Dean auf. Der wirkt wiederum so überhaupt nicht schwul, sondern ist eher von der Sorte Truckfahrer. Mit ihm kommen drei wild umherrennende Chihuahuas angerückt, die zwischendurch immer mal wieder das Wohnzimmer durch die geöffnete Verandatür verlassen, davor kacken und wieder reingewuselt kommen.
Der große, dicke Dean verdient seinen Lebensunterhalt mit der Vermietung seines Häuschens und einem, über eine App laufende, privaten Taxiservice, der wesentlich billiger ist als die offiziellen Taxis.
»Do the official cab drivers like this app?«
»They hate it! They hate it!«
Jerry kommt aus China, wohnt im Obergeschoss und frühstückt jetzt auch mit Craig und mir, während ein mexikanischer Fernsehsender die Wohnküche beschallt. Jerry ist auf einem Businesstrip und hat offensichtlich Craig bereits erfolgreich für seine Firma rekrutiert. Der rotblonde 22-Jährige kommt von der East Bay und scheint herzlich wenig Ahnung davon zu haben, wie er seine Zukunft gestalten soll. Dank Jerry hat er nun aber offenbar die Option, nach China auszuwandern.
Zeit für einen kleinen geografischen Exkurs:

San Francisco Bay Area
In der San Francisco Bay Area, die von jedem nur kurz »The Bay Area« genannt wird, leben über sieben Millionen Menschen. Die größte Stadt der Bay Area ist nicht etwa San Francisco, sondern die im Süden der Bucht gelegene Millionenstadt San Jose. Städte der East Bay sind unter anderem die mit 401.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Oakland, die mit 220.000 Bewohnern viertgrößte Fremont, Hayward mit 149.000 Bürgern, Berkeley mit 113.000 sowie das 104.000 Seelen zählende Richmond. San Francisco liegt am Meer und folglich im Westen der riesigen Bucht. Außerdem wird die Stadt im Norden durch das Golden Gate begrenzt, jener Meerenge die die Bucht mit dem Pazifik verbindet. Somit liegen San Francisco und die südlich der Metropole gelegenen Städte auf einer Halbinsel. Daly City, 101.000 Einwohner, und South San Francisco, 64.000, sind solche eigenständigen Städte. Das erklärt dann auch, weshalb hier am Abend keine Busse mehr fahren.

Zurück zu Craig: Wie gesagt kommt er von der anderen Seite der San Francisco Bay. So ganz habe ich nicht verstanden, weshalb er nun in der West Bay in einem B&B wohnt. Er hat einen Job in der East Bay, der allerdings nicht so wirklich satt macht und tingelt nun von B&B zu B&B. Bei Carlos und Dean ist er zwar auch erst am Freitag angekommen, fühlt sich aber sehr wohl hier und plant länger zu bleiben. Obwohl San Francisco quasi in direkter Nachbarschaft zu seiner Heimat liegt, habe ich den Eindruck, dass der Umzug in die West Bay für Craig eine kleine Weltreise bedeutet.
Craig glaubt an Aliens und irgendwie überrascht das kaum. Klischees sind schließlich da, um bedient zu werden. Er fragt mich, ob man in Europa auch auf den 21. Dezember wartet. 21. Dezember?
»The Mayan …«
Ah, ja! Die Apokalypse …
Craig hofft, dass an jenem Tag die Aliens endlich mal auftauchen. Er freut sich schon richtig drauf. Apropos Freak: Craig will nach dem Frühstück in die Stadt, um am Pier als Straßenkünstler Geld zu verdienen.
»Cool! What are you doing?«
»Beatboxing. Acoustic dubstep.«
Als ich aufhöre zu husten und mir der Kaffee nicht mehr aus der Nase läuft, teile ich ihm mit, dass ich diesen Tag gerne mit ihm verbringen möchte. Einen Beatboxer, der Acoustic Dubstep performt, kann ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Das BART-Ticketsystem
Am Bahnhof angekommen, beginne ich zu verstehen, wie das BART-Ticketsystem funktioniert: Wie gestern beschrieben, wählt man kein Ziel am Automaten aus, sondern einen Betrag, den man zahlen möchte. Ich habe gestern acht Dollar gezahlt, was mich vom Airport bis nach Daly City bringt. Da ich in Daly City aber mein Ticket nicht in den Schlitz der Ausgangsschranke gesteckt habe, wurde mir auch kein Guthaben von meinem mit einem Magnetstreifen versehenen Ticket abgezogen. Dieses wurde mir erst subtrahiert, als ich in South San Francisco das Bahnhofsgebäude verlassen habe. Dementsprechend habe ich noch Guthaben auf meiner Karte, welche ich am Automaten einfach wieder aufladen kann. Cool. Sollte man übrigens weiter fahren als man Guthaben hat, kommt man nicht mehr so einfach aus dem Bahnhof heraus. Die fehlende Summe muss dann bei einem der an jedem Bahnhof arbeitenden BART-Mitarbeiter nachgelöhnt werden, bevor sich die Schranke öffnet. Sobald das Guthaben der Karte aufgebraucht ist, kommt diese übrigens auch nicht mehr aus dem Schrankenautomat heraus. Verrückte Hightechwelt.

Wir düsen mit dem Zug zum Embarcadero, was das spanische Wort für »Landungsbrücke« ist. Aufgrund der großen Abstände der Bahnhöfe, heizt der BART übrigens mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 53 km/h und einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 128 km/h über die Halbinsel.
Es dauert keine zwei Minuten, bis mir am Pier von San Francisco klar wird, dass diese Stadt richtig geil ist. Hier scheint so ziemlich alles zu stimmen: Vom Wetter über die Architektur bis hin zu den Menschen ist hier alles cool. Die Leute wirken so glücklich und gut gelaunt, dass es fast schon übertrieben wirkt.

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San Francisco scheint für Craig ein relativ neues Pflaster zu sein, weswegen wir zwei Mädels nach dem Weg fragen müssen. Die wissen aber auch nicht so recht Bescheid, wo es langgeht. Ein Paar, beide so um die 45, gesellt sich ungefragt zu unserer Rätselrunde und zeigt uns – wie sich fünf Sekunden später herausstellt – absichtlich den falschen Weg.
»Just kiddin’!«, lacht sich der Mann dabei fast kaputt und drückt, stolz ob seines Witzes, seine Frau an seine Brust. Das erinnert mich wiederum an den US-Piloten, der mich vor acht Jahren mal stolz an seine Brust gedrückt hat und mit patriotischem Pathos: »This is America! America!«, jauchzte.
Wir spazieren das gut besuchte Ufer entlang. Überall sind Straßenkünstler am Arbeiten.
»Don’t you need a license to perform on the street?«, frage ich Craig.
»Bullshit«, antwortet dieser. Ich bin beeindruckt vom »Land of the Free«. Die Qualität der street artists ist auch erstaunlich hoch. Hier stehen richtig gute Musiker und Entertainer auf der Straße. Selbst die Bettler geben sich nicht mit einfachem Herumsitzen zufrieden. Oder sind das auch Künstler? Da ist beispielsweise dieser eine Typ, der – verlottert aussehend – ein lila Schildchen vor sich hält, auf dem »Why lying? I need a beer!« geschrieben steht. Automatisch wandert der Blick zu seinen Füßen, wo der Spendenbecher steht. Schließlich will man wissen, ob so einer auch Geld bekommt. An den Becher angelehnt, sieht man ein zweites Schild: »Smile!«
Und das mache ich dann auch …
»Do you know the Bushman?«, möchte Craig wissen.
»Your former president?«
Der Gag kommt nicht an.
»He’s a very famous street artist.«
»What is he doing?«
»He looks like a bush and scares the shit out of the people.«
»?«
»Well, he sits somewhere, dressed like a bush. All of a sudden, that bush moves and screams. People get really shocked by that guy. He’s really famous, probably the most famous street artist of the Bay Area.«
Klingt cool, denke ich mir und halte die Augen offen. Wir passieren Pier 39, welcher eine Touristenattraktion mit massenhaft Restaurants und Buden ist.
»Where are you going to perform?«
»I need to find a place. I can’t perform everywhere. People already called the police to make me stop.«
Hätte ich jetzt einen Kaffee in der Hand, käme er mir wieder aus der Nase raus: »What?!«
»Yeah. Some people get scared by my sounds.«
»?«
»Well, I scream and make noise.«
Ich kann’s kaum noch erwarten …
Auf dem Boden sind – wie Parkplätze – Stellen markiert, an denen Straßenkünstler operieren dürfen. Gerade verlässt einer eine solche Stelle.
»Are you leaving?«, fragt Craig den »Baloon Man«.
»Yeah, but it’s this guy’s box now.«
»Why?«, fragt Craig.
»’Cause he paid for it.«
»What do you mean?«
»Don’t you have a license, man?«
»A what?«
Sind die Amis also doch nicht so liberal was Straßenkunst angeht. Ich will Craig jetzt aber unbedingt beatboxen sehen!
»Beatboxing?«, fragt der »Balloon Man« skeptisch. »Oh, man: That’s so dead! Nobody wants to hear that anymore. It’s so old and dead, man!«
»Hm, I thought I sort of invented it«, kontert Craig … und ich bin mir nicht sicher, ob er es tatsächlich ironisch meint.

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Wir laufen wieder in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Am Pier 23 waren Steinblöcke, die sich wunderbar als Bühne eignen. Allerdings müssen wir uns einen Block möglichst weit weg von Restaurants und Ähnlichem suchen. Sonst kommen wieder die Cops, sagt Craig.
Und dann ist es endlich soweit! Mir fehlen ehrlich gesagt die Worte. Es ist wohl mit das Speziellste, was ich jemals sehen und hören durfte. Es ist schlicht und ergreifend … pures Entertainment: Craig steht auf dem halben Meter hohen Podest, klatscht in die Hände, tritt mit einem Fuß den Takt und grölt mit einem sagenhaft komischen Gesichtsausdruck los: »Nöööööp! Däää, dööö, duuub. Däää, dööö, duuub dub di dub. Däää, dööö, duuub. Dub dub di dub dub dub di dub dub di dub. Näääääp nööööp nup, näääääp nöööööp nub di bub, bubub di bub, bubub di bub.«
Craig und seine sensationelle Kakofonie steigern sich immer weiter, erzeugen Klangbilder, die ich so noch nie gehört habe und es mir sehr schwer machen, die Kamera ruhig zu halten, ohne vor Lachen lauthals loszubrüllen. Erstaunlicherweise ist Craig bei seiner Show aber nicht wirklich peinlich. Er steckt so viel Überzeugung in seinen Auftritt, dass der Unterhaltungsfaktor weit über dem Grad des Fremdschämens anzusiedeln ist.
»Bu bwua, bu bwua, bababibwua!«
Gutturale Sounds beherrscht er also auch, um dann, im nächsten Moment, in eine, von einem Engel zwar weit entfernt klingende, aber dennoch erstaunlich hohen Kopfstimme überzugehen und zu scatten: »Babbeldibabbeldiebwuäää! Babbeldibabbeldiebwuäbob! Babbeldibabbeldiebwuäbob! Babbeldibabbeldiebwuäääääääää! Babbeldibabbeldiebuuuuu!«
Es folgen die Operette, Indianergesang und schließlich wieder der Brunftschrei eines betrunkenen Punkrockers. Diese Vielseitigkeit! Gebt dem Mann einen Vertrag und eine Bühne in Vegas! Sofort!
Zu einer guten Show gehört auch ein gutes Publikum. Ladys and Gentlemen, die Menschen in San Francisco sind ein großartiges Publikum. Niemand kommt ohne ein Grinsen oder einen verstörten Blick an Craig vorbei. Ein kleiner Junge, der Craig staunend aus einem vorbeifahrenden Auto bewundert, streckt ihm sogar seinen Mittelfinger entgegen. Ein Afroamerikaner kann sein Glück kaum fassen, ergeht in Ekstase, pult jubelnd eine Dollarnote aus seinem Geldbeutel und gibt dem besten Straßenmusiker der Welt im Vorbeigehen High five: »Yeah!«

20 Minuten später ist Craig zwei Dollar reicher und seine Stimmbänder leicht verknotet. Wir setzen uns zum Verschnaufen auf eine Bank des gegenüber vom Pier gelegenen Levi’s Plaza Park. In der kleinen Oase des Jeansherstellers teile ich dem mit hochrotem Kopf, gierig an einem Trinkwasserbrunnen schlürfenden Entertainer mit, dass ich seine Performance super fand. Das macht ihn stolz und er erklärt mir, welche Musik ihn und seine Kunst primär beeinflusst. Sein Künstlername ist übrigens Seahorse Captain und sein erstes Album wird den Titel »Blueberry Jam and Aliens« tragen. Blaubeermarmelade und Außerirdische sind die Grundpfeiler seiner Existenz. Darum dreht sich mehr oder weniger alles in seinem Leben. Na, dann ist das wohl der passendste Name den ein Debütalbum nur haben kann. Mein neuer Kumpel erzählt mir, dass er mal bei einer Open Mic Session aufgetreten ist. Der Besitzer der Bar hat vorher vollmundig behauptet, dass auf seiner Bühne alles erlaubt sei. Keine zwei Minuten später hat er Craig den Strom abgeschaltet und ihn von der Bühne geworfen. Kunstbanause.

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Wir laufen an einer Gruppe vorbei, die für mich nach einer geführten Touristengruppe aussieht. Craig sieht vielmehr eine Sekte vor sich und fragt einfach mal in die Runde, um was für ein Happening es sich denn hierbei handle. In Deutschland würde vermutlich kein Arsch auf Craig reagieren, zumindest nicht mit Interesse für seine Frage oder mit Freundlichkeit. In Amerika scheint das aber anders zu sein. Für die nächsten fünf Minuten haben wir Begleitung von einer knapp 50-Jährigen und einem Pärchen um die 30. Der männliche Teil des Pärchens ist so sehr von den Aufnähern auf meinem Rucksack fasziniert, dass er gegen ein Straßenschild rennt, während uns die 50-Jährige darüber aufklärt, dass es sich bei der Versammlung um eine Stadtwanderung der örtlichen Weight Watchers handelt. Die Wahrheit liegt also irgendwo zwischen Craigs und meiner Vermutung … This is America.
»And what are you guys doing? Where do you come from?«, möchte die Dame wissen.
»I’m from the East Bay and my friend here comes from Germany.«
50-Jährige: »Oh, wow!«
30-Jähriger: »Wow!«
30-Jährige: »Wow!«
»I might move to China soon«, merkt Craig noch an, bevor wir die Herrschaften wieder sich selbst überlassen. Wir essen noch zusammen viel zu große Sandwiches, bevor sich erstaunlich plötzlich auch unsere Wege trennen. Leider muss Craig wieder los in Richtung South San Francisco, bevor keine Busse mehr fahren. Schade. Vielleicht treffen wir uns aber bald wieder, um gemeinsam nach Seattle zu fahren. Da war er noch nie und Seattle wäre eine gute Alternative zu China, meint er.
Ich versuche für heute Nacht noch über das Couchsurfing-Netzwerk einen Platz zum Schlafen zu ergattern. Hierfür gehe ich zu Starbucks, ordere meinen x-ten Kaffee des Tages und habe somit das Recht auf freie Internetnutzung. Wie sich schnell herausstellt, ist es gar nicht so einfach, eine Couch zum Pennen zu bekommen. Als ich es schon aufgeben will, bekomme ich plötzlich doch noch eine Zusage: »Is it just for one night?«
»Yes.«
… Und auf geht’s zu Kenny in die Taylor Street!
Ich laufe den Broadway entlang. Mittlerweile ist die Sonne untergegangen und das Nachtleben beginnt – obwohl es noch gar nicht so spät ist. Der Broadway scheint primär von Stripclubs besiedelt zu sein. Neben dem Beat Museum führt eine Straße nahezu senkrecht nach oben, bevor sie dann – wie seitlich abgeknickt – zur vermutlich seltsamsten Straße innerhalb einer Stadt wird, die ich jemals gesehen habe. Wie um alles in der Welt fährt man denn da oben weiter ohne das Auto auf die Fahrerseite zu kippen? Ich mache ein Foto und sehe plötzlich einen Typen mit Irokesenschnitt aus dem Beat Museum kommen, der mich sofort freundlich anquatscht. Wir unterhalten uns fünf Minuten und tauschen unsere Visitenkärtchen aus, denn: Ford macht Filme. Ford agiert sowohl hinter als auch vor der Kamera. Letzteres demonstriert er mir sogleich, indem er sich zunächst größer macht als er sowieso schon ist und lauthals: »I can be really harsh«, brüllt. Direkt darauf nähert er sich langsam meinem Gesicht, setzt einen Hundeblick auf und schiebt ein herzerweichendes: »But I can also be nice and gentle«, hinterher. Beeindruckend. Auch diesen Freak finde ich auf Anhieb ziemlich cool, weswegen wir uns lose für morgen verabreden. Die Einfachheit der Kommunikation mit den Leuten hier ist wirklich bemerkenswert.
Ich biege in die Columbus Avenue ab, in der sich ein Restaurant an das nächste reiht. Wenig später stehe ich bei Kenny vor der Tür. Der 27-Jährige kommt aus Malaysia und hat eine wirklich bunte Mischung in seinem Blut: Die Mutter ist Engländerin, deren Vater wiederum Chinese war. Kennys Vater ist Malaie mit … ähm, japanischen Ahnen? Ich hab’s wieder vergessen.
Kenny ist ein wirklich sehr talentierter Designer. Er wirkt sehr androgyn und ist bisexuell. Er erklärt mir, dass »San Fran«, wie er es nennt, das Schwulenmekka Amerikas ist. Überhaupt scheint Sexualität ein wichtiges Thema in Kennys Leben zu sein. Zumindest fängt er immer wieder davon an und erzählt lustige Geschichten von Freunden und Bekannten. Da war zum Beispiel diese eine Freundin, die einen Deutschen abgeschleppt hat und ihn in einer Nacht achtmal hat kommen lassen.
»She found his P-spot, you know.«
»Pee spot? You mean she let him pee on her?«
»What? No! Women have the G-spot and men …«
»Ah! Okay, okay. The prostate.«
»Exactly.«
Kenny hat den wohl lustigsten und bescheuertsten Hund der Welt: einen Goldendoodle! Ja, so heißen die Tierchen, die eine Mischung aus Golden Retriever und Pudel sind. Ich frage mich, wie der Hund mit seiner Mähne überhaupt was sehen kann, während Teddy – einen passenderen Namen gibt es für diesen Hund nicht – offensichtlich ununterbrochen: »Küssen! Küssen!«, denkt. Das große weiße Wollknäuel klettert ständig an einem hoch und versucht einem das Ohr und die Backen abzulecken. Der Hund ist wahnsinnig putzig, aber auf Dauer vermutlich auch ziemlich anstrengend. Im Moment bin ich aber schwerst amüsiert!

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Ich frage mich, wie sich ein junger Designstudent ein so zentral gelegenes Loft leisten kann. Für einen Asiaten ist hier alles ziemlich preiswert, erklärt Kenny. Aha, wundere ich mich. Kurz darauf fahren wir in seiner BMW-Limousine in eine Schwulenbar. Verrückt.
In der Schwulenbar bin ich der Renner! Yeah! Ich bekomme von einem Typen eine Visitenkarte zugesteckt und werde von einer frisch gebackenen 61-jährigen Oma angegraben, die offensichtlich mit ihrem Schicksal, heute Großmutter geworden zu sein, hadert und dies in Alkohol zu ertränken versucht. Kenny ist so dreist und beantwortet ihre Standardfrage: »Was glaubt ihr, wie alt ich bin?«, mit: »35«, und ich bin betrunken genug, um: »36!«, hinterherzuschießen.
Da ich Deutscher bin, will mir Kenny sämtliche Biersorten vorstellen, was den Barkeeper veranlasst, Kenny in meiner Abwesenheit zu fragen, ob er mich abfüllen und abschleppen will. Will er nicht, sagt er und bezahlt sämtliche Getränke. Kenny ist cool.
Zuhause schwärmt mir Kenny vor, was für ein großer Masseur er doch ist. Soll er ruhig mal beweisen, lalle ich, ziehe Pulli und T-Shirt aus und lege mich bäuchlings aufs Sofa. Was soll ich sagen? Kenny ist tatsächlich ein großartiger Masseur. Lasst mal eure Ellbogen unterhalb der Schulterblätter eurer Massierten kreisen: Sie werden es euch danken. Da ich betrunken bin, schlafe ich während der Massage ein, werde aber rechtzeitig wach, als Kenny auf einmal mit Massageöl anrückt. Das finde ich dann doch etwas übertrieben, und bezweifle langsam auch, dass Kenny dem Barkeeper ehrlich geantwortet hat. Also bedanke ich mich herzlich und wünsche ihm eine geruhsame Nacht.

Quellen
Informationen zur Bay Area: Wikipedia

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Alex
Alex
11 Jahre zuvor

Grandios!
Der zweite Tag – besonders Craigs unglaubliche Performance – erfreut sich inzwischen sogar hier im Büro größter Beliebtheit.
Könnte u.U. ein Youtube-Hit werden! Bitte mehr davon!
Hackldiewutz!

Timey
Timey
11 Jahre zuvor

Ich mag den kleinen Jungen (1. Video; 0:46), der einzige der die Musik verstanden hat.
Couchsurfen ist ohne "Referenzen" nicht leicht, aber nach den Anfangschwierigkeiten geht es dafür desto besser, meiner Erfahrung nach. Viel Erfolg weiterhin.

Falls du dort noch nicht warst und sie immernoch da oben sind, geh mal auf das Campusgelände in Berkeley und besuch die Baumbesetzer!

Inch
Inch
11 Jahre zuvor

Ich will nach San Francisco. Sofort! Aber Craig ist schon in Seattle, oder?

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