Tag 5: Monarch Film Festival: Tag 1 – Mein Whirlpool vs. Joe und Kiki
Serendipity – Teil 1
Mittwoch, 14. November 2012
San Francisco – Pacific Grove
Rachael ist sehr sympathisch und die zwei Stunden nach Pacific Grove vergehen wie im Fluge. Die hübsche Amerikanerin ist auf dem Weg zu ihrer Mutter, um mit den ersten Vorbereitungen für Thanksgiving zu beginnen. Der Festtag fällt in diesem Jahr auf den 22. November und klingt nach richtig viel Arbeit. Bereits heute wird mit der Zubereitung der Desserts angefangen, vermutet Rachael. Wir passieren San Jose und ein riesiges Knoblauchanbaugebiet. Als wir durch das »Garlic Valley« fahren, riecht es auch tatsächlich minutenlang überall nach frischem Knoblauch. Die Leute aus dieser Gegend fahren auch voll auf ihr Produkt ab und veranstalten alle möglichen Knoblauchfeste. Dass Knobi bei keiner Mahlzeit fehlen darf, ist selbstverständlich.
Rachaels Mutter lebt im Carmel Valley. Bevor sie mich in Pacific Grove rausschmeißt, gönnt sie mir noch eine kurze Sightseeingtour mit dem Auto und erklärt mir, dass John Steinbeck der populärste Sohn der Stadt ist und wir im Moment die »Straße der Ölsardinen«, die Cannery Row entlangfahren. Clint Eastwood, der ein langjähriger Bewohner des Nachbarortes Carmel-by-the-sea ist und dort in den 80er Jahren sogar als Bürgermeister die Geschicke des Städtchens lenkte, ist laut Rachael allerdings aufgrund seiner Politik bei vielen Bürgern der Gegend äußerst unbeliebt. Hm, und eines meiner zwei T-Shirts, die ich dabei habe, ist mit seinem Gesicht geziert. Hoffentlich verprügelt man mich deswegen nicht …
Pacific Grove scheint unheimlich sauber und spießig zu sein. Nachdem ich Rachael fünf Dollar für den Sprit gegeben habe, dauert es keine drei Minuten, bis sich dieser erste Eindruck manifestiert. Pacific Grove ist ganz schön – fast schon übertrieben – putzig. Die Lighthouse Avenue, Pacific Groves zentrale Straße, ist zunächst einmal übermäßig breit. Natürlich ist die vierspurige Straße wenig befahren und jedes Auto stoppt, sobald man auch nur in die Nähe eines Zebrastreifens kommt. Die Häuschen sind klein und aus buntem Holz. Hier steht zwar keine herrschaftliche Villa, dennoch sieht man den Häusern an, dass die Bewohner durchaus das nötige Kleingeld beisammen haben. Das Kino ist sehr stylish und old-school. Über dem Eingang des Kinos prangt die klassischste aller Filmankündigungstafeln: In Pacific Grove werden die Buchstaben noch von Hand beziehungsweise mit einem Stab auf dem Bürgersteig stehend ausgetauscht. Das hat Style.
Es ist noch früh, kurz nach neun Uhr. Das Appartement, das mir die Festivalleitung organisiert hat, dürfte noch nicht verfügbar sein. Also setze ich mich in das Café der Carmel Valley Coffee Roasting Company, welches sich genau gegenüber des Kinos befindet. Kaffee, Klo, E-Mails checken und schon dürfte es spät genug sein, um mal im Kino: »Hello«, zu sagen und dann zu meiner Lodge zu spazieren. Im Kino kann keiner so recht etwas mit meinem »Hello« anfangen. Es sind bisher lediglich Kassierer anwesend, aber noch niemand vom Monarch Film Festival, das um 16 Uhr beginnt. Also auf ins neue Zuhause: Lighthouse Lodge and Cottages.
Ich schlendere die Lighthouse Avenue entlang. Je weiter ich komme, desto ländlicher wird die Gegend. Die Zahl der Geschäfte nimmt ab, bis es schließlich nur noch Wohnhäuser gibt. Kurz darauf mischen sich wiederum Hotels und andere kleine Ferienkomplexe dazwischen, bis der Tourismussektor schließlich die Überhand gewinnt. Die spärlich befahrene Straße bleibt unerhört breit, die Bäume werden höher und die Umgebung grüner. Es ist unglaublich idyllisch.
Nach einer guten viertel Stunde finde ich meine Herberge. An der Rezeption lasse ich mir den Schlüssel und eine Beschreibung geben, wie ich zu meinem Appartement komme. Die Spannung steigt: Was hat die Festivalleitung springen lassen?
Mein Appartement befindet sich im Komplex auf der anderen Straßenseite. Ich passiere das Haus, in dem das Frühstück und das Abendessen serviert werden und steuere auf das von der Rezeptionistin markierte Haus zu. Im Erdgeschoss sind überdachte Parkplätze, die Appartements befinden sich im ersten Stock. Nummer 315. Ich öffne meine Tür, betrete meine neue Bleibe und … bin geschockt! Alter! Das ist … das ist … purer Luxus! Die Festivalleitung hat sich hier aber mal so überhaupt nicht lumpen lassen. Die Butze ist sagenhaft! Direkt links neben der Eingangstür befindet sich ein Wandschrank für die Kleidung, samt Bügelbrett und -eisen. Zwei Meter weiter folgen ein unglaublich weicher Teppichboden und das Wohnzimmer. Rechts im Wohnzimmer befindet sich die Minibar in einem großen Kühlschrank, auf der Ablage darüber ein Fresskorb mit Chips und kostenlosem Kaffee. Die Kaffeemaschine fehlt natürlich auch nicht. Die Sitzecke mit Sofa und Couchtisch liegt gemütlich neben einem Kamin, in dem das Holz bereits zum Entzünden angerichtet ist. Über dem Kamin wurde ein Flachbildfernseher angebracht. Sitzt man auf dem Sofa, hat man einen schönen Blick auf das Bettchen. Hier passen locker drei Personen gemütlich nebeneinander. Die Anzahl der Kissen reicht zudem sogar für sechs bis acht Schläfer aus. Damit man seinen Hals nicht so wenden muss, steht natürlich ein zweiter Fernseher direkt neben dem Bett. Eine Ablage und Schubladen, viele Fenster und schon bewegen wir uns ins Bad meines kleinen Palastes: Aha, mattbronzene Armaturen und Griffe auf gelblichem Marmor, dazu in stylishen Formen. Doch, doch … gefällt mir. Natürlich dürfen die kleinen Hygienegeschenke nicht fehlen. Body Lotion, Shampoo, Conditioner, Aloe Vera Body Creme, Seife bla und blub, einige Handtücher, großer Spiegel, Fön, breite Badewanne mit kleinen Löchern und seltsamem Knopf … Hä? Was ist das? Das ist doch wohl nicht … Doch! Ich habe einen Whirlpool! Haha! Ein Whirlpool! Das ist das absolute Highlight meiner Residenz – sollte man meinen. Doch durchschreiten wir zunächst noch die Toilette: Ein Handtuchhalter, die obligatorische Schüssel – ein Glück – und schick gefaltetes Klopapier. Der Burner ist jedoch eindeutig meine LAN-Steckdose in der Wand! Fehlt nur noch der ausklappbare Couchtisch und eine zweite Minibar und schon befinden wir uns hier in nerd’s paradise.
Ich packe erst einmal aus und rieche an meinen Klamotten. An der bereits getragenen Unterwäsche muss ich nicht schnuppern. Das warme Wasser wird aufgedreht und schon schrubbe ich das Stück Seife an meiner getragenen Wäsche klein. Das Wasser ist brühend heiß. Ich habe selten so heißes Wasser direkt aus einem Wasserhahn bekommen. Autsch. Saubere Wäsche, feine Sache. Als Nächstes wird die Badewanne gefüllt. Der Bub steigt in den Whirlpool! Yeah!
Herr Knickel residiert wie Gott in … Pacific Grove.
Wenige entspannte Stunden später mache ich mich auf den Weg zurück zum Kino. Das Festival geht bald los! Ich habe noch nichts gegessen, finde aber auch weit und breit keinen Supermarkt. Die meisten Restaurants sind in ihrer Mittagspause, die anderen einfach zu teuer. Im liquor store werde ich schließlich fündig. Es gibt zwar nur Junkfood, was aber momentan wesentlich besser als nichts ist. Ich bin eine knappe halbe Stunde zu früh dran und steuere die Bushaltestelle gegenüber des Kinos an. Ein junger Kerl kommt auf mich zu und fragt mich nach Geld. Das finde ich in diesem Örtchen etwas verwirrend. Er bekommt nichts von mir. Ich setze mich auf die Bank und esse meine Chips. Ein anderer Typ kommt vorbei und wird vom Schnorrer um eine Zigarette erleichtert. Ich schaue mir den Jungen genauer an und stelle fest, dass er tatsächlich obdachlos zu sein scheint. Das erkennt man am leichtesten an den Hosen und den Finger- und Fußnägeln. Wir kommen ins Gespräch und Joe setzt sich neben mich auf die Bank. Er wirkt müde, aber nicht high. Außerdem ist er nett und wirkt auch nicht sonderlich blöd. Er ist seit 18 Monaten auf der Straße, weil er es sich mit seiner Familie verscherzt hat, wie er sagt. Joe kommt aus dem über 200 Kilometer entfernten Stockton. Ich schätze, dass er nicht älter als 23 Jahre ist. Vermutlich ist er sogar erst 18, 19 oder 20. Er ist attraktiv, hat strahlend blaue Augen und ein sympathisches Gesicht.
»I guess I should work a little bit to earn some money.«
»Did you already try to get jobs?«
»No … not really. Don’t know why. Don’t know why.«
Er spricht sehr langsam und nachdenklich. In jedem einzelnen Wort, das er ausspricht schwingt eine gewisse Traurigkeit mit.
»I’m starving.«
Er fasst sich an den Bauch.
»You can ask me for food, Joe. I just don’t give money. You want some chips?«
»Sure. Great. Thank you.«
Da ich sowieso bereits satt bin, überlasse ich ihm die komplette Tüte. Er greift sehr bedächtig, langsam und selten in die Tüte. Ich kann sehen, dass es ihm schmeckt. Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass er bewusst langsam isst. Nach der vierten oder fünften Handvoll Chips, greift er sich wieder an den Bauch: »Uh, I have an ache here.«
Ich frage Joe, warum er in Pacific Grove obdachlos ist und nicht beispielsweise in San Francisco. Ich muss dazu sagen, dass ich vermutlich auch lieber in Pacific Grove auf offener Straße schlafen würde als in San Francisco. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass es in San Francisco einfacher ist, an Geld oder Essen zu kommen. Es scheint, als ob Joe sich nicht so recht traut, auf meine Frage zu antworten. Ich glaube, dass er sich schlicht nicht sicher fühlt und Ärger aus dem Weg gehen will, den er in San Francisco nachts bestimmt eher bekommen kann als hier. Kenny hatte mir obendrein erzählt, dass vor kurzem ein Obdachloser vor seinem Haus vergewaltigt wurde. So ganz ohne ist das also nicht. Statt zu antworten, erzählt Joe mir lieber, dass er letzte Nacht im Waschsalon übernachtet hat.
»How did you get to Pacific Grove?«
Ich frage mich wirklich, wie man auf die Idee kommt, in einem solch pittoresken Örtchen sein Glück als Obdachloser zu versuchen.
»I don’t know. And it’s been a while …«
»Do you smoke crack?«
»Hell, no! Just weed. But not so often anymore. No more money, you know.«
Joe wirkt auch nicht wie ein Crackhead. Er tut mir ernsthaft leid und ich würde ihm liebend gerne irgendwie helfen. Duschen würde er auch gerne, meint er. Als er hört, dass ich wegen eines Filmfestivals hier bin, mein Film gezeigt wird und ich auf der Gästeliste stehe, sagt er: »Cool!«, und fragt, ob ich ihn ins Kino schleusen kann. Keine Ahnung. Käme auf einen Versuch an. Jetzt ist es sowieso Zeit, mal hinüberzugehen. Ich verabschiede mich von Joe und frage ihn, ob er denn noch eine Weile an der Bushaltestelle bleibt. Man könnte sich ja wieder treffen.
»Sure. I’ll be around here.«
Als ich das Kino betrete, werde ich sehr, sehr freundlich von Cristiana DiPietro begrüßt. Sie und ihr Mann Matthew Kalamane sind die Organisatoren des Festivals und total begeistert, dass ich den weiten Weg gekommen bin, um am ersten Monarch Film Festival teilzunehmen. Ich bedanke mich wiederum für das wahnsinnige Appartement. Alle sind glücklich. Wunderbar. An der Kasse lasse ich meinen Namen auf der Gästeliste streichen und sehe, dass ich einen weiteren Gast mitbringen darf. Cool, dann kann ich ja Joe reinlassen! Ich denke mir außerdem, dass es wohl kein Problem sein dürfte, Joe meinen Whirlpool benutzen zu lassen. Okay, ich kenne ihn nicht. Wenn ich ihn aber nur mal schnell baden lasse, kann er mich wohl kaum bestehlen. Also, ich sehe da kein Risiko. Als ich auf die Terrasse des Kinos trete, kann ich aber leider auch keinen Joe mehr sehen. Schade. Hätte mich gefreut und ihn sicherlich noch mehr.
Ich lerne noch ein paar weitere Filmemacher kennen. Der Award für den mit Abstand weitesten Anreiseweg ist mir auf jeden Fall sicher. Die Kollegen sind Joey Blackburne und sein Kollege Derrick, die auch in meiner Kategorie nominiert sind, und Nick Walker samt Crew und Freundin, die einen Langfilm im Wettbewerb haben. Die Stimmung ist seltsamerweise leicht verkrampft, was ich nach meinen Erfahrungen der letzten Tage nicht wirklich nachvollziehen kann. Sonst quatschen sich die Amis ständig gegenseitig zu und jetzt herrscht eher Schweigen, wenn man überhaupt mal zusammensteht. Hm, das wird hoffentlich noch besser. Festival Director Matthew ist dafür umso gesprächiger. Allerdings muss man ihm immer hinter das Kino hinterherrennen, wenn er einem gerade eine Kassette drückt, dabei aber eine rauchen möchte. Vor dem Kino geht das nicht: Wie sieht das denn aus? Das Publikum kommt leider nicht in Scharen daher. Matthew meint, es läge an der Presse, die sich im Datum vertan hat. Ich denke hingegen, dass es durchaus auch an den gesalzenen Eintrittspreisen liegen dürfte. Hier zahlt man nicht für Kurzfilmblöcke, sondern für jeden einzelnen Film und ein Tagespass kostet schmackhafte 50 Dollar. Wow! So kommt es dann auch, dass zwischen den einzelnen Kurzfilmen Pausen von bis zu 20 Minuten entstehen. Die meisten Gäste, die sicherlich nur Eintritt für einen Kurzfilm gezahlt haben, bleiben einfach sitzen und schauen sich die nächsten Filme an. Kontrolliert ja doch keiner. Gleichzeitig ist es aber natürlich auch sehr amüsant, da bei den geringen Zuschauerzahlen und der Größe des Örtchens den Kassierern sehr schnell klar sein dürfte, welche Mitbürger sich hier den Eintritt erschleichen. Ob das schon für Nachbarschaftsstreitereien ausreicht?
Der Sound bei »Erinnerungen« ist scheiße. Na super. Was ist denn hier passiert? Es klingt als hätten wir bei der Mischung alles viel zu laut gepegelt. Ich gehe raus und teile Matthew und den Jungs an der Kasse mit, dass sie den Film leiser zeigen sollen. Das bringt aber leider nicht wirklich viel. Irgendwann drehen sie den Sound dann sogar so weit runter, dass man kaum noch irgendetwas hört. Na, zum Glück sind die Zuschauer sowieso auf die Untertitel konzentriert und müssen die Sprache nicht verstehen. Trotzdem ist es ärgerlich. Matthew erklärt mir später, dass er noch einmal Kopien der Filme gemacht hat. Vielleicht lag’s ja daran. Wieso er nicht einfach die Datenträger verwendet hat, die ich erstellt, geprüft und ihm zugeschickt habe, verstehe ich indes nicht. Was soll’s: Der Film kommt gut an und das ich wichtig – Außerdem verstehen die Leute die Dialoge ja eh nicht, höhö.
Am Abend wollen wir Filmemacher etwas gemeinsam unternehmen, um uns kennenzulernen. Ich hatte zuvor schon ein Konzert vorgeschlagen, von dem ich auf der Couchsurfing-Website gelesen habe: Indie Pop. Sollte ja wohl massenkompatibel sein. Die Idee kommt nur mäßig gut an. Die Alternative Pub klingt aber auch gut … ist sie aber nicht. Boah, was für ein Scheißladen: Natürlich hängen hier acht Fernseher, die wiederum vier verschiedene Programme zeigen. Das Bier ist teuer und der Raum so laut, dass man sich nur schwerlich unterhalten kann. Außerdem haben sich hier augenscheinlich die Dorfdeppen verabredet. Also, ich mag den Laden nicht und beschließe, zum Konzert zu gehen. Joey, ein Mädel und ein Kerl, deren Namen ich wieder vergessen habe, kommen mit mir. Wir finden den Laden problemlos. Allerdings findet der Laden mich nicht so ganz problemlos: Das Fräulein an der Tür will mich nicht reinlassen, weil sie solch eine ID noch nie gesehen hat. Also muss erst einmal der Boss gefragt werden. Ich muss ihr folgen und mich vor dem Tresen aufbauen, hinter dem der Boss nun meinen Perso überprüft: »How old are you?«
»29.«
»Your birthdate?«
»1983.«
»The complete birthdate. Day and month.«
»October 27th 1983.«
»Okay.«
This is America …
Die Bands heißen Cowboy Starr und Strawberry Girls. Die einen machen melodischen und eingängigen Indie Pop mit harten Gitarren und gutem Gesang, die anderen sind ein gesangloses Trio, das irgendwo zwischen Post-Rock und Post-Hardcore vor sich hinbrettert und aus richtig guten Musikern besteht, die auch eine ordentliche Performance abliefern. Kurz und knapp: ein schönes Konzert … obwohl Tische und Stühle auf der Tanzfläche jegliches Herumzappeln verhindern.
Ich lasse den Sänger von Cowboy Starr nach dem Konzert wissen, dass ich über Couchsurfing auf heute Abend aufmerksam wurde. Das versetzt den Barden in große Freude, was ihn wiederum dazu anstiftet, plötzlich ein Couchsurfing-Banner herzuzaubern und ein Gruppenfoto mit Joey und mir zu schießen. Yeah.
v.l.n.r.: Christopher Heerdt (Cowboy Starr), icke und Regisseur Joey Blackburn
An der Bar sitzt ein mexikanisch aussehender Kerl mit Hut und Tattoos. Er belauscht offenbar Joeys und mein Gespräch, zumindest steigt er irgendwann mit ein. Kiki ist ein ganz ulkiger Vogel, der beschließt, sich an Joeys und meine Fersen zu heften. Joey vermutet, dass sein Kollege Derrick, der in Monterey lebt, heute eine Party schmeißt. Wir laufen zu Joeys weit entfernt geparktem Auto und versuchen dabei, Derrick zu erreichen. Auf einmal steht mitten im Ort und keine drei Meter vor uns im Dunkeln ein Reh auf dem Weg. Das ist Pacific Grove, Baby! Kiki spricht derweil von seinem Leben. Er ist kein Latino, sondern Navajo. Seine Band ist nach eigener Aussage ziemlich berühmt. Joey und ich kennen sie nicht. Ja, okay: Sie selbst sind nicht so berühmt, haben aber schon als Opener von diesen und jenen fetten Bands gespielt, relativiert Kiki. Joey und ich haben von keiner dieser nun aufgezählten Bands jemals etwas gehört, nicken diesmal aber ehrfürchtig und sagen: »Wow! Nice!«
Kiki singt uns einen Reggaesong in seiner Sprache vor und philosophiert vor sich hin, während er alle drei Meter auf den Boden spuckt. Ich mag den langhaarigen Freak. Als wir am Auto angelangt sind, teilt uns Joey mit, dass es wohl keine Party mehr gibt und er nun nach Hause fahren wird. Ich muss sowieso noch weiter in die bereits eingeschlagene Richtung laufen, wohingegen Kiki wieder dorthin zurück muss, wo wir hergekommen sind. Joey reagiert darauf nicht. Kiki wiederholt: »So, I’ve gotta walk back all the way?«
Diesmal reagiert mein Kollege: »I guess so.«
»I’ve gotta walk back? All the way?«
»Hm.«
»You want me to walk back?«
Was zum Geier ist denn mit Joey los? Ist das die Paranoia vor dem Fremden im Auto? Hat er Angst, Kiki könnte ihn skalpieren?
»You can at least bring me down to the traffic lights.«
»Well, okay.«
Na, klappt doch.
Am nächsten Tag erzählt mir Joey, dass Kiki seine Eltern bei einem Autounfall verloren hat und seine Frau sich von ihm hat scheiden lassen. Es klingt makaber, aber ich konnte mir nicht merken, ob sein Sohn bei der Ex lebt oder im verunglückten Auto saß und nun auch tot ist. Was auch immer: Selbst in einem so offensichtlich malerisch verträumten Örtchen wie Pacific Grove gibt es Schicksale wie die von Joe und Kiki …
Das mit dem Luxus im Hotel kenne ich.
Mich lud man mal nach Norditalien ein, ein Werk besichtigen und ein paar Seminare besuchen. Untergebracht war ich im Grand Hotel. Da lagen sogar Hausschuhe und Bademantel bereit, alles in weiß. Ich hätte das Zimmer inkl. Nebenräume am liebsten gar nicht mehr verlassen. Und musste erst mal alles fotografieren. Weil! Das hätte mir niemand geglaubt. Vom Balkon hatte einen freien Blick über so einen oberitalienischen See. Und die Drinks an der Hotelbar hat auch der Gastgeber bezahlt.