Tag 59: Vom Trampen, der Haschbutterbong und dem heiligen Hut des Jesus Freaks

Serendipity – Teil 2

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Montag, 7. Januar 2013
San Francisco – Belmont – San Jose – Santa Cruz

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Gegen zehn Uhr verlasse ich die Wohnung des hilfsbereiten, aber seltsamen Gastgebers mit der Deutschphobie. Aus einer Mülltonne suche ich mir ein Stück Karton und gehe in eine Wäscherei auf der Lombard Street. Die Lombard Street gehört zum Highway 101, der sich quer durch die Stadt zieht. Die Asiaten in der Wäscherei verstehen zunächst nicht, was ich mit einem Edding will. Als ich ihnen mein Stück Karton vor die Nase halte, verstehen sie noch immer nicht so recht, geben mir aber den Stift. Als ich in großen Lettern »Santa Cruz« auf die Pappe schreibe, geht ein Raunen durch den Laden. Der Groschen ist gefallen. Nachdem ich den Laden verlassen habe, dauert es keine 30 Sekunden und schon hält der erste Wagen an. Das finde ich ziemlich erstaunlich, so mitten in der Stadt. Courtney heißt das tramperfreundliche Mädel, das schon fast ein wenig aufgeregt wirkt: Ich bin der erste Anhalter, für den sie jemals angehalten hat. Bis nach Santa Cruz kann sie mich leider nicht fahren. Sie will San Francisco gar nicht verlassen. Sie denkt aber, dass es sinnvoller für mich wäre, nahe der Auffahrt zum Freeway zu stehen. Das sehe ich genauso. Wir beratschlagen kurz, wo sie mich am besten rauslassen könnte und wenig später stehe ich an der Ecke Van Ness und Mission. Ich postiere mich an der Tankstelle gegenüber der 12th Street. Das sollte meine Chancen erhöhen, von Tankenden mitgenommen zu werden.
Auf der Van Ness Avenue dauert es etwas länger, bis sich endlich jemand erbarmt. Die Jungs, die sich meiner annehmen, wirken zudem zunächst etwas abschreckend: Die rechte hintere Scheibe ihres Wagens ist eingeschlagen. Die Scherben liegen noch auf dem Sitz. Dort darf ich mich hinsetzen und mir den Wind ungehindert ins Gesicht schießen lassen. Neben mir sitzt ein American Bulldog, der außer ein paar wenigen braunen Flecken an den Ohren und der schwarz gefleckten rosa Schnauze, komplett weiß ist. Turbo heißt der Kampfhund, dessen Fellfarbe womöglich aus rassistischen Gründen eine wichtige Rolle spielt. Zumindest heißen mich Fahrer Derrick und sein Beifahrer Nick kurz nach der Abfahrt direkt mit einem solch ekelhaft geprägten Spruch im Auto willkommen: »We would have never picked you up if you were black … like this guy there.«
Wir fahren an einem obdachlosen Schwarzen vorbei und mir vergeht mehr und mehr die Lust, bei den beiden mitzufahren. Nick ist übrigens Asiate und Derrick kommt mit seiner Uschanka eher wie ein Russe daher. Tja, Rassismus ist ja bekanntlich auch ein Beweis für Schwachsinn.

Passend dazu heizt Derrick wie ein Geisteskranker über den Freeway. Ich habe mich zwar mittlerweile daran gewöhnt, dass man in Amerika auch rechts überholt, was Derrick aber veranstaltet, ist nicht mehr feierlich. Wir fahren gut und gerne doppelt so schnell wie der Rest und quetschen uns in jede mehr oder weniger vorhandene Lücke. Einmal will uns sogar ein Truck nahezu abdrängen, als Derrick zum nächsten vollkommen gestörten Überholmanöver ansetzt. Ich friere mir derweil im Fahrtwind den Arsch ab und gehe mit Turbo auf Kuschelkurs. Der Hund ist mir bislang bei Weitem der sympathischste im Wagen – und warm ist er außerdem. Glücklicherweise scheint Turbo mit dem Streicheln und Handauf- beziehungsweise -unterlegen einverstanden zu sein.
»What happened to your window?«, versuche ich herauszufinden, ob die Jungs das Auto geklaut haben und ich mich auf eine Verfolgungsjagd mit dem nächsten Polizeiwagen gefasst machen muss. Man weiß ja nie. Der Wagen ist nicht gestohlen, versichern sie mir umgehend und ohne Umschweife.
»Do you smoke pot? Oh, we’re going to make you high!«, drehen sie sich bei Tempo viel-zu-hoch beide grinsend zu mir um. Kiffende Rassisten. Diese Mischung hatte ich auf meiner bisherigen Reise auch noch nicht. Wir verlassen den Freeway in Belmont. Abgesehen von dem scheiß Spruch zu Beginn der Fahrt und der bei mir mittlerweile zur Gewohnheit werdenden verspürten Lebensgefahr, scheinen die beiden keine weiteren ernsthaften charakterlichen Schwächen und Abarten zu haben. Sie entschuldigen sich sogar dafür, dass sie mich nicht bis nach Santa Cruz fahren können. Dafür, schlagen sie mir vor, könnte ich in Belmont mit dem Caltrain nach San Jose und von dort aus mit dem Bus nach Santa Cruz fahren. Nick checkt die Abfahrtszeiten und genaue Route auf seinem Smartphone und schreibt mir einen detaillierten Zettel. Das ist lieb und wurde noch nicht einmal von mir erbeten. Schließlich will ich heute trampen, wie ich die Jungs wissen lasse. Die beiden grinsen sich gegenseitig an. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. In Belmont lenkt Derrick den Wagen in irgendwelche Straßen, die sich immer weiter vom Freeway entfernen. Was soll das jetzt? Ich beginne wieder zu überlegen, ob die Jungs vielleicht doch nicht so nett sind und mich als Nächstes ausrauben wollen. Wo wollen die hin?
»Can you drop me off closer to the freeway, please?«
Derrick lacht: »We make you high first!«
Ach so, das hatte ich ja schon fast vergessen.
»And then we’ll bring you to the train station. You won’t be able to hitchhike anymore after that«, legen die Jungs nach und lachen. Jetzt verstehe ich auch das vorherige Grinsen der beiden. Der Wagen wird vor einem Haus geparkt. Ein Mann mit Laubbläser wuselt hinter unserem Wagen umher, während Derrick für wenige Minuten in einer Wohnung im oberen Stockwerk verschwindet. Wir sind also beim Dealer. Als er wieder kommt, hält er eine Wärmflasche in der Hand. Falls die voll sein sollte, hat er wohl einiges an Kröten in der Wohnung gelassen.
»Did you ever smoke a hash butter bong?«
Ich rauche keine Bongs. Aber was zum Geier macht eine Haschbutterbong aus?
»Look at this«, grinsen mich die beiden an. Derrick kratzt mit einem Stift ein wenig Haschbutter aus der tatsächlich randvollen Wärmflasche, während Nick die Bong auspackt. Der Kopf des Chillums ist aus Metall und wirkt schon fast wie ein Topf oder eine sehr tiefe Pfanne. Das unterscheidet sie optisch schon einmal von klassischen Bongs. Hochinteressant wird die Prozedur, als Nick auf einmal einen – Achtung, es wird spektakulär – Bunsenbrenner auspackt und mit blauer Flamme den noch leeren Kopf erhitzt. Derrick schaut konzentriert auf den glühenden Kopf und streicht nach einiger Zeit das Messer mit der Butter daran ab. Die Haschbutter zergeht sofort und brutzelt wie Öl in einer Pfanne. Tabak befindet sich übrigens nicht im Kopf. Er zieht einmal ordentlich an der Bong, pustet aus … und ist breit. Die Zeremonie wird für Nick wiederholt und dann komme ich an die Reihe.
»Don’t touch the chillum. It’s hot«, lautet Derricks nette, aber unnötige Warnung, während er mir die Bong nach hinten reicht. Ich ziehe, während ich aus der vorderen Reihe gebannt angegrinst werde. Es kratzt erstaunlicherweise kein bisschen und schmeckt sogar ganz gut. Ich puste aus … und fühle mich ganz schön leicht: »Höhö«, grinse ich breit nach vorne. Die Jungs freuen sich diebisch und jubeln: »We told you that we’ll make you high!«

Derrick und Nick fahren mich an den Bahnhof, wünschen mir alles Gute und fahren sehr glücklich dreinblickend von dannen. Ich war selten von einmal ziehen so breit und entscheide mich dazu, tatsächlich den Zug zu nehmen und das Trampen für heute sein zu lassen. Zug fahren klingt jetzt viel entspannter …
Am Fahrkartenautomaten schiebe ich einen 20-Dollar-Schein rein und bekomme 13 goldene Ein-Dollar-Münzen als Wechselgeld. Ich finde das wahnsinnig lustig, weil ich noch nie goldene Dollarmünzen gesehen habe. Außerdem hat sich Barney aus »How I Met Your Mother« mal über Kanada lustig gemacht, weil es dort Dollarmünzen gibt. Und jetzt das hier. Ach, ist das alles witzig. Ich fotografiere meine Hand mit den glänzenden Münzen darin, was die Aufmerksamkeit eines anderen Wartenden auf mich zieht.
»I’ve never seen dollar coins!«, grinse ich ihn mit einem vermutlich ziemlich breiten Gesichtsausdruck an. »Höhö, cool.«

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Im Zug fotografiere ich mich mit meinem Tramperschild. Ich finde mich ziemlich cool damit – obwohl ich ja eigentlich gerade peinlich betrüge. Egal. Ich hab’s drauf … ich bin drauf. Meine Fresse, Haschbutterbong.

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In San Jose will ich wieder mein Glück als Tramper versuchen. Da ich von San Jose bisher nur die Diridon Station, also den Bahnhof kenne, gibt es den zusätzlichen Anreiz, die Stadt ein wenig kennenzulernen und nicht einfach wieder in einen Bus zu steigen.
San Jose ist mit 984.000 Einwohnern hinter Los Angeles und San Diego die drittgrößte Stadt Kaliforniens und die zehntgrößte der kompletten USA. Ich mache mich schlau, wo der Highway 101 entlangführt und spaziere los in Richtung City. Ich passiere den direkt neben dem Bahnhof gelegenen HP Pavilion, in dem große Sportevents und Konzerte stattfinden, und unterquere als Nächstes die Brücke der California State Route 87. Unter der State Route wurde der Guadalupe River Trail angelegt. Der Spazierpfad, der am gleichnamigen Fluss und schmalen terrassenförmigen Grünflächen entlangführt, bringt eine seltsame Idylle an einen eher weniger idyllischen Ort. Der Weg zieht sich von einer Autobahnbrücke zur nächsten: Ein seltsamer Ort, um Entspannung zu suchen.

An der Ecke East San Fernando Street und South Market Street befindet sich links die Cathedral Basilica of St. Joseph.

<center>Cathedral Basilica of St. Joseph</center>
Die Geschichte der hübschen weißen Basilica minor mit den vier Rundtürmen, der zentralen Kuppel und der pompösen Kolonnade ist vorrangig von Zerstörung geprägt. Die erste Kirche wurde 1803 errichtet. Drei Erdbeben und ein Feuer später stehe ich heute vor dem fünften Anlauf, den römisch-katholischen Menschen von San Jose ein Gotteshaus anzubieten. Diesmal scheint es auch längerfristig zu funktionieren. Die Cathedral Basilica of St. Joseph steht mittlerweile seit fast 140 Jahren.

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Gegenüber der Basilika befindet sich seit 1969 das San Jose Museum of Art, in dem vor allen Dingen Werke von Künstlern der West Coast des 20. und 21. Jahrhunderts ausgestellt werden. Direkt neben dem Museum wurde der Circle of Palms Plaza angelegt, der – naheliegend – ein kleiner Platz ist, der von einem Kreis aus Palmen umrahmt wird. Meine Faszination hält sich in Grenzen. Der Platz zwischen dem Museum of Art und dem mächtigen Fairmont San Jose Hotel erinnert daran, dass San Jose von 1849 bis 1851 die Hauptstadt Kaliforniens war. Im Winter fährt man hier Schlittschuh. Die South Market Street teilt sich gegenüber dem Museum, dem Circle of Palms und dem Fairmont auf und bietet der Plaza de César Chávez die Möglichkeit, sich zwischen den Fahrspuren auf 9000 m² zu entfalten. Die Parkanlage wird regelmäßig für allerlei Veranstaltungen genutzt. Heute ist nichts los.
Ich gehe zur South 1st Street, dem augenscheinlichen Zentrum der Stadt. Alles in allem muss ich sagen, dass San Jose bislang eher langweilig daherkommt. Für eine Downtown bietet dieser Bereich zu wenig. Die South 1st Street ist zwar mit vielen Bäumen und breitem Bürgersteig ganz nett angelegt, das war’s dann aber auch schon. Am lustigsten finde ich noch, dass es in San Jose ein Gebäude gibt, auf dem in dicken Lettern »Knight Ridder« geschrieben steht. Mal schauen, ob ich David Hasselhoff alias Michael Knight und K.I.T.T. noch treffe. Diesen mäßigen Humor habe ich wohl noch der Haschbutterbong zu verdanken. Cari kommentiert meine Erlebnis mit der Haschbutterbong übrigens folgendermaßen: »Hash butter bong?! Holy sheeba!«

Apropos Cari: Ich bestelle mir in einer mexikanischen Taqueria einen Burrito und stecke Tacos hinein. Das schmeckt und ist Caris beliebteste Art einen Burrito zu verdrücken. Kann ich zur Nachahmung sehr empfehlen.
Um zum Highway 101 zu gelangen, schlendere ich die East Santa Clara Street entlang und komme an der erst 2005 errichteten San Jose City Hall vorbei.

<center>San Jose City Hall</center>
Die City Hall wurde von Richard Meier geplant, der auch das Getty Center in Los Angeles und das Museu d’Art Contemporani de Barcelona entworfen hat. Vor dem 18 Stockwerke hohen, postmodernen Gebäude steht eine metallene Kuppel, die wiederum von einer halbrunden Steinmauer umgeben wird – durchaus ein beeindruckender Bau. Im Turm des vom Sonnenlicht durchfluteten Hauptgebäudes hat nicht nur der Bürgermeister sein Büro. Nein, auch die Wanderfalkendame Clara und ihr Terzel mit dem greifvogeltypischen Namen Esteban Colbert sind hier Zuhause. Señor Colbert wurde vom amtierenden Bürgermeister höchstpersönlich nach dem Comedian der »Daily Show« Stephen Colbert benannt. Aha.

Während ich die East Santa Clara Street entlanglaufe, strecke ich bereits meinen Daumen den vorbeikommenden Autos entgegen. Mein Schild habe ich um einen misslungenen Smiley und: »or Monterey«, erweitert. Vielleicht erhöht das ja meine Chancen, mitgenommen zu werden.

Hinter der South 28th Street bleibe ich stehen, da ich nun vor der Auffahrt zum Highway 101 stehe. Es ist 15 Uhr. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die Five Wounds Portuguese National Church hübsch in der Landschaft. Die weiße Kirche hat zwei Türme mit roten Zwiebeldächern und jede Menge Kreuze.

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Auf meiner Straßenseite kommt mir nach einer guten halben Stunde plötzlich ein Tramperkollege entgegen, der mich mit einem Lächeln begrüßt, das von einem Ohr zum nächsten reicht. Der Grinsende trägt lange Haare, eine zerrissene Jeans und eine blaue Jacke. Sein auffälligstes Merkmal ist jedoch seine grüne Kappe. Vom Grün des Basecaps sieht man allerdings nicht mehr allzu viel, da er es über und über mit allem möglichen Zeugs bestückt hat: kleine Figuren, Würfel, Schnuller …

Mir wird sehr schnell klar, dass Justin nicht nur ein ziemlich ulkiger Freak, sondern auch ein Jesus Freak ist: »God bless you!«, begrüßt er mich. Wir kommen sofort und locker ins Gespräch. Bis auf seine regelmäßig auftretenden religiösen Sprüche nervt er nicht und ist mir sogar sehr sympathisch. Wir beschließen, unser Glück gemeinsam zu probieren, was aus rein logischer Betrachtungsweise keine schlaue Idee ist. Im sich bislang als äußerst anhalterskeptisch präsentierenden San Jose dürfte es schwer werden, als ein Team zweier (männlicher) Tramper mitgenommen zu werden. Justin reist schon länger und hat auf seiner Reise sichtlich Erfahrungen mit der Obdachlosigkeit gemacht. Er hat die üblichen dreckigen Fingernägel und ein bisschen Schmutz im Gesicht, wobei er sonst gepflegt wirkt. Seine Haare sehen zum Beispiel frisch gewaschen aus. Justin packt sein Schild aus, auf dem »I don’t bite – San Diego« geschrieben steht. Er erklärt mir, dass Humor immer gut ankommt und die Mitnahme erleichtert. Ja, mein dämlicher Smiley dürfte von eher schlechtem Humor zeugen, denke ich mir indes. Justin macht sich generell erstaunliche Gedanken über sein Erscheinungsbild. So achtet er nicht nur auf seinen Anhalterkarton, sondern bezweckt auch mit seiner Kappe, die er »The Hat« nennt, bei den Menschen, die ihm begegnen, bleibenden Eindruck zu hinterlassen und wiedererkannt zu werden. Beispielsweise beim Trampen oder wenn er auf Grasplantagen zum Trimmen fährt: Die Grasbauern sollen ihn sehen und sich wegen »The Hat« sofort an ihn erinnern: »I remember this dude’s hat. He worked here last year!«
Den Kram für seine Kappe findet Justin übrigens auf der Straße.

Ja, die Straße … Kein Arsch hält an und bis auf die Kirche und einer Menge Tauben, die auf der Ampel sitzen, gibt es nichts zu sehen. So vergehen weitere zwei Stunden mit Justin. Die Sonne geht unter und ich beschließe kurz nach halb sechs, wieder zurück zur Diridon Station zu marschieren und den Bus 17 nach Santa Cruz zu nehmen. Auf eine obdachlose Nacht, im inzwischen bei Justin und mir äußerst unbeliebten San Jose, habe ich keine Lust. Justin beschließt, es noch etwas weiter zu versuchen und später auf der Straße zu übernachten. Wir tauschen Nummern aus, drücken uns zur Verabschiedung und wünschen uns gegenseitig viel Glück.

Um lächerliche fünf Dollar erleichtert, komme ich nach einer knappen Stunde mit dem Highway 17 Express Bus gegen 20 Uhr in Santa Cruz an. Wow, es ist schon wieder 50 Tage her, dass ich hier war. Auf der Pacific Avenue kaufe ich mir im New Leaf Community Market eine Thai-Suppe und setze mich vor dem Laden auf den Bürgersteig. Vor mir performt ein Straßenmusiker. Zwei Obdachlose setzen sich neben mich und unterhalten sich kurz mit mir. Ich will versuchen, noch eine Übernachtungsmöglichkeit zu bekommen und verabschiede mich nach der Suppe schnell wieder. Die Toilette meines »Stammcafés«, der Santa Cruz Coffee Roasting Company ist kaputt, weswegen ich heute lieber gegenüber zu Starbucks gehe. Und das soll sich als ein weiterer Glücksgriff in meine Serendipity-Kiste erweisen: Ich schreibe bis 22 Uhr Anfragen an Couchsurfer. Zwischendurch fällt mir auch wieder ein, dass ich ja vor zwölf Tagen Demian begegnet bin: Der schweizamerikanische Künstler saß neben Cari und mir im grandiosen Herbivore Restaurant und bot mir seine Couch an, falls es mich noch einmal nach Santa Cruz verschlagen sollte. Ich krame seine Visitenkarte aus meinem Portemonnaie und schreibe ihm eine SMS.
Die Damen von Starbucks wollen den Laden schließen. Beim Einpacken meines Notebooks unterhalte ich mich kurz mit einer der Angestellten, die mich daraufhin zu einer kleinen Party von Starbucks-Angestellten in der Redroom Bar einlädt. Ja, cool! Die Mädels wollen noch einmal nach Hause, um die Starbucks-Klamotten gegen Partykleidung zu tauschen. Ich schlendere solange schon einmal alleine zur Bar an der Ecke Locust Street und Cedar Street, als Demian antwortet: Er freut sich, dass ich mich tatsächlich bei ihm gemeldet habe, und will mich sehr gerne heute bei sich aufnehmen. Rock und Roll! Ich lasse ihn wissen, dass ich uns auch schon eine Party organisiert habe und wir uns in der Redroom Bar in der Locust Street, Ecke Cedar Street treffen sollten.
Die kleine Party in der mit gemütlichen Sofas und einem Kamin ausgestatteten sowie komplett rot ausgeleuchteten Bar im Obergeschoss des historischen Santa Cruz Hotel ist ganz nett, aber nichts, was mir auf ewig in Erinnerung bleiben wird. Demian stellt sich als äußerst cooler Typ heraus. Es freut mich, dass das mit uns heute klappt und wir uns ein wenig kennenlernen.

Zum Abschluss des Abends gehen die »Starbuckser«, Demian und ich noch zum Billard spielen ins The Catalyst. Machen wir’s kurz: Das Duo Demian und Dennis verliert – welch Überraschung.

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Mit Demians Schrottschüssel fahren wir in sein erschreckend kaltes Häuschen. Die Kälte bezieht sich ausschließlich auf die Temperatur: An den Wänden hängen überall seine Bilder, er hat ein Schlagzeug und – typisch Westküste – ein Einmachglas voll wahnsinnig gutem Homegrow.
Als ich mich dick eingepackt zum Schlafen auf die Couch lege, überlege ich, was mein Plan für morgen sein wird. Ich habe heute auch bei Ford nachgefragt, weswegen er in Los Angeles festsitzt. Er hat tatsächlich all sein Geld in die Weihnachtsflüge gesteckt und wurde zusätzlich anscheinend von Rain mit der Miete übers Ohr gehauen und verliert somit wohl sein Wohnrecht im Bordello. Von Rain, einer seiner besten Freundinnen abgezockt? Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Außerdem klang Ford so locker, als wäre er gar nicht sauer. Mit Ford zu telefonieren ist aber auch immer so eine Sache: Da verstehe ich immer nur die Hälfte. Fakt scheint aber zu sein, dass meine Bromance in Schwierigkeiten ist. Sollte ich morgen trampen, könnte ich ganz schnell im Nirgendwo hängen bleiben und damit mehrere Tage verlieren. Ich werde daher auf ein Hitchhike-Abenteuer auf dem Highway 1 mit seiner tollen Landschaft verzichten und mit dem Bus auf der Interstate 5 nach Los Angeles fahren. Dort werde ich ein Wiedersehen mit Ford feiern und, wer weiß, vielleicht reisen wir ja sogar fortan zusammen weiter …

Quellen
Informationen zu San Jose, der Cathedral Basilica of St. Joseph, dem San Jose Museum of Art, dem Circle of Palms Plaza, dem Plaza de César Chávez, der San Jose City Hall und der Five Wounds Portuguese National Church: Wikipedia

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