Tag 74: Leaving Las Vegas … immer der Sonne entgegen!
Serendipity – Teil 2
Dienstag, 22. Januar 2013
Las Vegas – Baker – San Diego
Nervös warte ich auf Caris Antwort.
»He hasn’t called back yet …«
Ich schalte schon einmal den Computer an und warte darauf, dass sich Caris neuer Boss meldet, um ihr hoffentlich mitzuteilen, dass sie noch ein paar wenige Tage Zeit hat, bevor sie ihren Job antreten darf. Das Angebot auf dollar.com ist noch genauso niedrig wie gestern. Das ist doch schon einmal etwas Positives. Ich buche einen Mietwagen für eine Woche. Das kostet gerade einmal 172 Dollar mit unbegrenzten freien Meilen. Unglaublich. Mein Telefon klingelt: »I can come!«
Nachdem wir uns gegenseitig in den Hörer gejubelt haben, müssen wir uns schnell und dennoch wohl durchdacht um die Logistik unseres Wiedersehens kümmern. Zunächst einmal geht es um die wichtigste Frage: Wo treffen wir uns? Wir gehen noch einmal die Angebote durch und entscheiden uns für San Diego. Cari wird um 19 Uhr in der Stadt an der mexikanischen Grenze landen. Ihr Rückflug ist bereits am frühen Freitagmorgen. Weil ich den Wagen bis Montag haben werde, hänge ich noch einen Zettel an das Schwarze Brett: Ich suche Mitfahrer für einen Road Trip von Samstag bis Montag. Vom Hostel Cat aus soll es zunächst zum Hoover Dam gehen, danach in ein kleines Kaff namens Chloride, von dem mir ein paar Jungs aus dem Hostel vorgeschwärmt haben. Es folgt Flagstaff, von wo aus wir am nächsten Tag den Grand Canyon und – falls dafür die Zeit reichen sollte – Sedona anfahren werden. Mal sehen, ob sich jemand meldet.
Da Cari keine Kreditkarte besitzt, man Flüge aber nur damit buchen kann, muss ich ihr meine Daten durchgeben.
»What is your ›verified by Visa‹ password?«
Äh, keine Ahnung.
»You animal!«
Und was hat das zu bedeuten?: »Animal? Uhm …? Password? Uhm …?«
Sie klärt mich darüber auf, dass meine selbst gewählte Begrüßung bei Visa »Dennis, du Tier!« lautet. Oha. Ja, das kann sein … ups. Durch die Suche nach dem richtigen Passwort und sicherheitshalber auch nach alternativen Zahlungsmöglichkeiten, steigt der Stress und schwindet die Zeit. Ich muss schließlich auch irgendwann einmal losfahren, damit Cari nicht stundenlang am Flughafen auf mich warten muss.
Gegen 13 Uhr breche ich vom Hostel Cat auf. Ich werde überraschend liebevoll von den Leuten verabschiedet, die ich ja eigentlich kaum kennengelernt habe. Speziell Karmell und Ezana, der Kerl, der meinen Bart so toll findet, sind zuckersüß. Außerdem ist da noch Shawn aus dem Iran. Die Verabschiedung ist meine erste Unterhaltung mit ihm. Vorher habe ich den Mann noch nie gesehen. Da er aber mein T-Shirt vom Monarch Film Festival sieht, fragt er mich, ob ich Filmemacher sei. Also kommen wir noch kurz ins Gespräch, wobei die kurze Konversation noch sehr lange hätte werden können, würde ich ihn nicht irgendwann einfach abwürgen. Der Gute ist Drehbuchautor und will mir sein neuestes Werk zuschicken. Soll er machen, winke ich und bewege mich schnellstmöglich zum Bus in Richtung Flughafen.
Erst verpasse ich fast den Bus und dann fehlt mir das nötige Kleingeld. Als ich vor dem Fahrer stehe und meinen Zwanziger zücke, frage ich in den Bus, ob mir jemand den Schein kleinmachen kann. Sämtliche Insassen schauen mich amüsant doof dreinblickend an. Was für ein Bild. Da die Amis sonst so kommunikationsfreudig sind, habe ich nicht damit gerechnet, dass diese Frage solch eine Verwunderung auslösen könnte. Wie dem auch sei: Keiner will meinen Schein gegen Kleingeld eintauschen. Wehleidig blicke ich den Busfahrer an, der daraufhin eine gleichgültige Handbewegung hinter sich wirft: »Come on, it’s just two fucking bucks. Get inside.«
Cool!
Der Bus fährt auf der östlichen »Rückseite« des Strip entlang, was eine stellenweise interessante Aussicht auf die Skyline zulässt. An einer Haltestelle kommt ein aussteigender Afroamerikaner auf mich zu und drückt mir sein Tagesticket in die Hand. Schon wieder: Cool! Am Flughafen angekommen, übergebe ich das geschenkte Ticket wiederum einem anderen Afroamerikaner, der mit zwei Dollar bewaffnet, gerade einsteigen will. Er freut und bedankt sich, während ich mich über gewonnene Karmapunkte freue. Yeah, Baby!
Es gibt einen Bus, der die Kunden der Autoverleiher zu deren Terminal in der Gilespie Street, südlich des Flughafens, fährt. Dort angekommen reihe ich mich in die Schlange vor meinem Anbieter an. Hoffentlich dauert das nicht so lange. Ich will endlich los! Am Schalter angekommen, begrüßt mich der Dollar-Mann zunächst freundlich, schafft es kurz darauf aber, mir meine komplette Stimmung zu versauen. Der Witzbold klärt mich darüber auf, dass ich noch die Nevada tax von 36 % zu zahlen habe. Davon war bei meiner Buchung auf der Website nirgendwo etwas zu lesen. Darüber hinaus muss ich plötzlich auch noch eine Versicherung abschließen. Auch davon stand nirgends etwas. Er fragt mich, ob ich den Wagen mit vollem oder leerem Tank verliehen bekommen möchte. Er empfiehlt, das Auto vollgetankt zu mieten, da der Benzinpreis bei ihm billiger ist als an jeder Tankstelle. Außerdem kann ich den Wagen mit leerem Tank zurückgeben. Okay. Als Nächstes muss ich wählen, welche Art von Versicherung ich abschließen möchte. Ähm, keine?
»You have to.«
Was soll das denn jetzt schon wieder? Diesmal bin ich mir aber nicht sicher, ob bei der Onlinebuchung etwas von einer bereits mitgebuchten Versicherung stand oder ob ich schlichtweg auf den ältesten Trick der Autovermieter reingefallen bin. Ich habe in meinem Leben noch nicht allzu oft Autos gemietet. Ich entscheide mich natürlich für die preiswerteste Versicherung, woraufhin ich mir schlechte Horrorgeschichten anhören muss: Im Prinzip übernimmt meine gewählte Versicherung einen Scheiß. Klar, der Sack will, dass ich mir eine noch teurere Versicherung leiste. Lass mal gut sein: 23,50 Dollar pro Tag kotzen mich schon zur Genüge an und ein unfallfreier Fahrer bin ich obendrein. Außerdem steht mir Serendipity zur Seite. Wobei es im Moment ja nicht so geil läuft …
Bevor ich überhaupt groß zu rechnen beginne, druckt der Mann mir meine Rechnung aus: 422 Dollar.
»What?!«
Ich mache den Mann darauf aufmerksam, dass bei meiner Onlinebuchung »estimated grand total« zu lesen war. Wie kann es also sein, dass der »geschätzte Endpreis« sich mal eben mehr als verdoppelt? Das ist doch wohl die reinste Verarschung! Toll, was soll ich denn jetzt machen?: »Hi Cari. Wie war dein Flug? Sorry, aber das Auto ist mir doch noch zu teuer geworden. Mach dir ein paar schöne Tage in San Diego. Kuss!«
Quatsch. Ich überlege angestrengt, während sich der dummdreist lächelnde Typ auf der anderen Seite des Tresens unwissend in akute Lebensgefahr begibt. Ich könnte ihn erwürgen! Wenn ich nun durch das Terminal renne und die Preise der anderen Anbieter vergleiche, verliere ich wertvolle Zeit und lande letztendlich vermutlich überall in derselben Preiskategorie. Man lebt nur einmal, Geld ist nur Geld und die Welt war noch nie übermäßig gerecht. In Rheinhessen sagt man: »Druffgeschisse.«
Sekunden später ist mein Konto belastet und ich schwöre mir, bei meiner Rückkehr noch einmal auf die Kacke zu hauen, um mein Geld wiederzubekommen. Damit hake ich das Thema ab, suche mir irgendeines der freien Autos mit vier Rädern aus und düse los. Aber wohin eigentlich? Vor lauter Hektik habe ich doch tatsächlich vergessen nachzuschauen, wie ich mit meiner mal wieder erstaunlich dicken Karre nach San Diego komme. Cari muss helfen und schickt mir die wohl simpelste Wegbeschreibung, die man sich für eine knapp 520 Kilometer lange Strecke nur wünschen kann: »Take I-15 South for 320 miles. Take exit 12 for CA-163 South and take that for ten miles. You should be in San Diego then!«
Um 15 Uhr lasse ich die Stadt der Sünden hinter mir, zünde mir trotz ausdrücklich ausgesprochenen Verbots durch den Penner vom Verleih erst einmal eine Kippe im Wagen an und fahre voller Bewunderung durch den Wüstenstaat Nevada. Was für eine Landschaft! Weit und breit ist keine Siedlung, kein Haus, einfach nichts zu sehen. Verkehr ist außerdem so gut wie keiner vorhanden, sodass ich während der lockeren Fahrt mit Tempomat unzählige Fotos der beeindruckenden Wüstenhügel schießen kann. Kakteen stehen am Straßenrand, die Telefonmasten sind aus Holz und die Hügel entweder rund und mit trockenen Pflanzen bewachsen oder aus scharfkantigem Gestein. Manchmal entfernen sich die Hügel bis zum Horizont und machen Platz für ewig weite Sand- oder Steinwüsten. Da ich in Richtung Westen fahre und es bereits Nachmittag ist, fahre ich immerzu der Sonne entgegen. So macht Autofahren Spaß!
Ich passiere die Abzweigung nach Needles und frage mich, ob sich der Ort früher vielleicht einmal mit zwei »S« geschrieben hat. »Überflüssig« dürfte zumindest das Schicksal so mancher Wüstenstadt geworden sein, als sich die Eisenbahn zurückzog.
Nach einer knappen Stunde erreiche ich ein anderes kalifornisches Wüstenkaff namens Baker, das an den südlichen Ausläufern des Death Valley liegt, aus einer einzigen breiten Straße besteht, die parallel zur Interstate verläuft und dessen Hauptattraktion das weltgrößte Thermometer darstellt. Dieser Ort lebt von der Interstate. Von was auch sonst? Ich habe heute noch nichts gegessen, weswegen ich im Kaff haltmache. Baker entspricht so manch einem Klischee, das man von amerikanischen Wüstenstädtchen hat. Schwere Trucks fahren auf und ab und riesige Vögel – die allerdings keine Geier, sondern Krähen sind – spazieren über den staubig trockenen Boden oder landen erschreckend laut auf dem rissigen und mit Sand bedeckten Beton der Straße. Da bekommt man ja fast schon Angst.
Jedes zweite Geschäft in Baker macht den Anschein geschlossen zu sein. Die Scheiben sind mit Staub bedeckt und die Werbetafeln – falls überhaupt noch vorhanden – sind schon seit den 70ern nicht mehr erneuert worden. Das Thermometer nehme ich als solches ehrlich gesagt gar nicht wahr, was vermutlich daran liegt, dass ich etwas ganz anderes als die Attraktion Bakers ausmache: ein Shop, in dem primär Trockenfleisch verkauft wird. Was soll das denn für eine bescheuerte Attraktion sein? Nun, das Spektakuläre an dem Laden lässt sich bereits von seinem Namen ableiten: Alien Fresh Jerky. Das Logo des Geschäfts ist – wie könnte es auch anders sein – der Kopf eines grünen Aliens. In der Fassade des gelben, flachen Gebäudes klemmt ein UFO. Da hatte es jemand im Landeanflug wohl etwas zu eilig. Direkt vor dem Eingang des Ladens dürfen nur Aliens parken. Ich empfinde das als diskriminierend. Wer bis zu unserem Planeten fliegen kann, sollte auch in der Lage sein – wie ich – 20 Meter zu laufen. Naja. Im Gegensatz zu den meisten Behindertenparkplätzen sind zwei der Alienparkplätze auch belegt. Auf dem einen parkt ein UFO und den anderen belegt der silberne Schlitten der Galaxy Peace Patrol. Die grünen Schützer des galaktischen Friedens sitzen gerade in ihrem Vehikel, als ich staunend an ihnen vorbeiziehe. Mit Aliens hatte ich heute nicht mehr gerechnet. Der Außerirdische auf dem Beifahrersitz dreht musternd seinen Kopf zu mir, während der Kollege auf der Rückbank freundlich seine Hand samt Zigarre zum Gruß hebt. Der Blick des Fahrers bleibt indes konzentriert auf die Straße gerichtet. Die Herren der IGF, der Interplanetary Galactic Federation, sind sowohl mit schweren Waffen als auch mit Flügeln ausgerüstet und die Reifen haben tiefe Profile, damit man auch mal offroad intergalaktische Verbrecher jagen kann. Ich fühle mich gleich sicherer und sorge mich auch nicht länger wegen der Aliens, die auf dem Dach des Ladens sitzen. Wenn das die IGF nicht juckt, sollte es mich auch nicht länger belasten.
Das Innere des Ladens enttäuscht mich aber leider. Das angebotene Dörrfleisch stammt gar nicht von Aliens, sondern von so irdischen Geschöpfen wie der Kuh und dem Schwein. Langweilig. Auch bei den Oliven wird erst gar nicht versucht, sie als Alienhoden oder einer ähnlich exotischen Leckerei zu verkaufen. Da hatte ich mir etwas mehr Kreativität erwünscht. Was gibt es sonst noch? Ein Alien mit Turban, das in einem Glaskasten sitzend die Zukunft voraussagt. Langweilig. Ansonsten werden noch T-Shirts, die »Hottest Fucking Nuts«, Thermosflaschen und so weiter und so lahm angeboten.
Keine drei Minuten später verlasse ich den Shop wieder. Ich habe es aber sowieso eilig, weswegen ich nun auf die andere Straßenseite zu Subway spurte und mir schnell ein fußlanges Sandwich kaufe. Subway gehört zur Spezies der Schnellrestaurants. Fast Food. In der Mojave-Wüste scheint Subway entweder einen anderen Rang zu haben oder man hat die Definition nicht wirklich verinnerlicht. Vielleicht bin ich aber auch der erste Mensch (oder Außerirdische), der sich seit Ewigkeiten mal wieder in den Food Court der Valero Tankstelle verirrt. Der Verkäufer ist auf jeden Fall irgendwo hinten am Herumrödeln und nimmt mich nicht wahr. Irgendwann kommt er dann doch mal wieder nach vorne, sieht mich und nimmt meine Bestellung mit größter Motivation entgegen: Er redet so leise, dass ich ihn kaum verstehe und immer wieder nachfragen muss. Ich frage ihn, ob es auch eine scharfe Soße gibt: »No.«
Auf der Scheibe seiner Zutatenbar klebt hingegen groß ein Aufkleber, der auf die brandneue hot sauce hinweist. Ich erkundige mich, ob in der Buffallo sauce irgendwelche tierischen Produkte enthalten sind. Ich bezweifle es, weil die Soße sehr rot ist: »Yes, I think so«, meint jedoch der dicke Verkäufer, der entweder asiatische Wurzeln haben oder von amerikanischen Ureinwohnern abstammen dürfte. Ich zahle mit meiner Kreditkarte.
»Credit or debit?«, flüstert der junge Mann hinterm Tresen.
»Credit«, antworte ich in einer normalen Konversationslautstärke.
»Credit or debit?«, wiederholt er seine Frage.
»Credit«, entgegne ich erneut und auch leicht irritiert.
»Credit or debit?«
Ja, will der mich denn verarschen?
»Credit!«, rufe ich. Diesmal klappt’s. Ich schnappe mir mein Sandwich und entdecke zu meiner Verwunderung eine Wand voll Auszeichnungen, die diese Filiale bereits eingeheimst hat. Irgendwie muss man seine Sklaven in der Wüste ja motivieren, denke ich mir, kaufe mir noch eine Coke und setze mich für die erste Hälfte meines Sandwiches in den Essensbereich des Food Court. Da ich noch ein gutes Stück Weg vor mir habe, verdrücke ich die zweite Hälfte während der Fahrt und genieße den Blick auf die sensationell schön untergehende Sonne.
»40 bucks«, sage ich dem Tankwart also und frage, ob ich mir bei ihm auch noch die Hände waschen kann. Ich habe mit dem übervollen Sandwich doch ordentlich herumgesaut.
Mein Tank ist nach 33 Dollar wieder randvoll. Moment mal: Das darf doch gar nicht sein! Die Gallone kostet an der Tankstelle mehr als beim Verleih und dennoch bekomme ich meinen nahezu leeren Tank hier für sieben Dollar weniger wieder komplett aufgefüllt? Ich erkläre der Dollar Thrifty Automotive Group hiermit den Krieg. Und was passiert eigentlich mit den übrigen sieben Dollar, die bereits von meiner Kreditkarte abgebucht wurden? Ich gehe relativ entnervt zum Tankwart und frage nach. Der Mann teilt mir mit, dass ich mir keine Sorgen machen muss und der überschüssige Betrag wieder auf mein Konto zurückgebucht wurde. Die Maschine erkennt das. Dann ist ja alles gut.
Wieder auf dem Freeway frage ich mich, ob der Flughafen vielleicht gar nicht auf dieser Strecke liegt und Cari mir die Route zur Innenstadt geschickt hat. Ich rufe sie an und lasse sie anhand der Ausfahrten wissen, wo ich mich befinde. Gleichzeitig versuche ich Flugzeuge am Himmel auszumachen, um zu sehen, wo sie landen oder von wo sie gerade abheben. Ich glaube, ich bin falsch. Cari widerspricht. Ich bin auf dem richtigen Weg und soll nach wie vor die I-15 am Exit 12 verlassen und auf die 163 South wechseln. So wird’s gemacht. Noch immer ist weit und breit nichts vom Flughafen zu lesen. Wie weit ist das denn noch? Ich will endlich ankommen! Nun soll ich auf die I-5 North wechseln und … ah! Endlich wird der Flughafen ausgeschildert. Eine Ausfahrt weiter darf ich die Interstate schon wieder verlassen. Links auf die Hawthorn Street … und schon stehe ich mitten in der City und sehe keine Flughafenschilder mehr. Hä? Ich fahre auf den Hafen zu. Die haben ihren Flughafen doch nicht neben dem Hafen, mitten in der Stadt errichtet? Ich frage einen Radfahrer, der mir mitteilt, dass ich tatsächlich am Hafenbecken nur noch einmal nach rechts abbiegen muss und wenige Meter später schon direkt den Airport erreiche. Verrückt.
Cari teilt mir mit, dass sie vor dem Terminal 2 auf mich wartet. Ich kann nirgends parken und vor mir stauen sich die Autos. Ich werde noch bekloppt! Dann sehe ich sie. Sie trägt eine nur knapp unter dem Hintern abgeschnittene Jeans, schwarze Stiefel mit weißen Kniestrümpfen und offenes Haar. Sie ist tatsächlich da! Die Autos stauen immer noch. Egal. Ich stelle den Motor ab, springe aus dem Wagen, renne auf Cari zu und falle ihr um den Hals …
Cari findet mein Parkmanöver äußerst cool und irrwitzig: »You can’t park that way, you geek!«
»Freak«, verbessere ich sie mal wieder und schüttle meinen Kopf: diese Amis … immer so überkorrekt und regelkonform.
Wir brauchen ein Hostel: »Yelp might help«, stößt Cari ihre Lieblingswerbezeile aus, die, soweit ich weiß, noch nicht einmal der offizielle Slogan des Unternehmens ist. Vielleicht sollte es Cari mal in der Werbung versuchen. Dank der App finden wir das nahe gelegene und recht preiswerte R.K. Hostel. Wir kündigen uns per Telefon an, müssen aber erst noch einen Parkplatz finden. Das gestaltet sich als erschreckend schwierig. Überall ist entweder kein Platz vorhanden oder der sweeping service, die Straßenreinigung, kommt heute Nacht und verlangt leere Straßen; sonst drohen Strafzettel.
Der Rezeptionist des Hostels, ein grauhaariger Mann Mitte 50, ist maßlos überfordert. Seine Unfähigkeit, uns einfach ein Zimmer zu vermieten, schiebt er auf die Tatsache, dass er bereits seit fünf Uhr morgens am Arbeiten ist. Alles dauert ewig und plötzlich werden aus den angekündigten 35 Dollar 40, was Cari und ich nicht wirklich lustig finden. Wenn die es mit der Preisauskunft verkacken, sollen die auch dafür haften und nicht wir. Der Mann ist nicht diskussionsfreudig und erklärt uns lieber, wie wir die Haustür aufbekommen. Sonderlich kompliziert ist das zwar nicht, doch Cari soll trotzdem probeweise einmal versuchen, die Tür alleine aufzuschließen. Den Sexismus seiner Aktion versucht er zu verstecken, indem er behauptet, dass dies nur der Sicherheit dient, falls sie einmal alleine und in Gefahr sein sollte. Aha. Muss ja eine schlimme Gegend sein. Depp. Jetzt sollen wir noch fünf Minuten warten, da unser Zimmer noch geputzt werden muss. Boah. Aus den fünf werden mehr als 15 Minuten, weshalb wir uns von einem anderen Typen zum Zimmer führen lassen. Der Rezeptionist, der wahrhaftig noch am Schrubben ist, fragt seinen Kollegen, ob wir nicht warten konnten.
»No«, antwortet der.
Cari ist sehr genervt von den Angestellten und auch ich finde es langsam ziemlich albern. Die beiden Helden erklären uns mehrfach, dass unser Zimmer wegen des Blicks auf den Hafen eines der besten ist: »It’s so amazing!«
So wahnsinnig ist’s nicht, aber durchaus nett. Auch nett ist die Tatsache, dass die sich im Anflug befindlichen Flugzeuge fast direkt über das Hostel jagen. Was spektakulär aussieht, uns aber leichte Sorgen bezüglich der Nachtruhe macht, stört später aber tatsächlich überhaupt nicht. Es scheint ein Nachtflugverbot zu geben.
Und dann ist es endlich vollbracht: Wir sind zusammen, haben ein Zimmer und sind endlich alleine. Cari hat mir so gefehlt …
Wir ziehen los und schauen uns die Gegend an, in dem sich unser Hostel befindet: Little Italy. An den Straßenlaternen hängen Bilder von im Filmbusiness erfolgreichen Italo-Amerikanern. Von Martin Scorsese bis Roberto Benigni sind sie alle dabei, wobei ich mich frage, was an Benigni amerikanisch sein soll. Das Viertel sieht süß aus. Blöderweise ist es aber bereits Mitternacht und alles geschlossen. Mit dem Craft & Commerce finden wir in der Beech Street dann doch noch eine sogar sehr schöne Bar, die uns zwar freundlich mit einem Schild begrüßt, auf dem »You Look Good« geschrieben steht, jedoch dummerweise in 15 Minuten dichtmacht. Schade, denn die Mischung aus grünen Ledersofas und rustikaler Bücherregalwand, gepaart mit vielen Kerzen, schweren Holztischen und Planken an den Wänden ist wirklich sehr gemütlich.
Man empfiehlt uns stattdessen The Lion’s Share, ein Gastropub, der sich einen Kilometer weiter südlich auf dem Kettner Boulevard befindet. Im Nachbarbezirk von Little Italy, dem Marina District, kommen wir am Downtownableger des Museum of Contemporary Art vorbei. Das Hauptgebäude befindet sich im mehr als 20 Kilometer nordwestlich der Innenstadt gelegenen La Jolla. In Leuchtbuchstaben laufen Gedichte und Weisheiten an der Fassade des Gebäudes entlang, was uns kurz stoppen und lesen lässt.
Wie zuvor das Craft & Commerce, kann auch The Lion’s Share mit sehr viel Style überzeugen: Tolle Gemälde hängen an den Wänden im sonst eher schlicht und damit ziemlich cool ausgestatteten Lokal. Obendrein serviert man uns hier auch noch zur späten Stunde Speis und Trank. Für je acht Dollar gibt es drei Scheiben Bruschetta und den Winter Salad mit Pistazien. Die Pommes aus eigener Herstellung, die obendrein in Erdnussöl frittiert werden, gibt es für weitere fünf Scheine. Das ist alles in allem nicht unbedingt billig, aber lecker. Speziell der Salat kann überzeugen.
Gegen zwei Uhr genießen wir noch den Ausblick unserer Dachterrasse, die wir für uns alleine zu haben scheinen. Überhaupt macht es den Eindruck, als ob außer uns kein anderer Gast im R.K. abgestiegen ist. Es gibt Schlimmeres, als das Gefühl zu haben ein Hostel komplett alleine zu bewohnen. Die Aussicht auf den fünf Blocks unter uns gelegenen Hafen ist schön, Palmen umsäumen unsere Terrasse, der Mond leuchtet hell am Himmel und ich kann es noch immer nicht glauben, dass Cari und ich wieder zusammen sind. Ich bin glücklich …
Quelle für Informationen zu Primm: Wikipedia