Die Protagonisten
Die Belegschaft des Lost Cabaret

»Der Baron« Ernst Eduard
Ernst Eduard, genannt »Der Baron«, wird 1888 als Sohn Ernst Gottlieb Eduards – des kaiserlichen Hof-Spirituosen-Lieferant unter Franz Joseph I – und seiner Frau Isolde geboren. 1908 übernimmt Ernst das väterliche Geschäft. Im Krieg wird er Proviantmeister in der österreichischen Armee. In dieser Funktion verfügt er über erhebliche Geldbeträge, mit denen er 1917 desertiert und sich nach Berlin absetzt. Mit gefälschten Adelspapieren schlägt er sich zunächst als Gigolo und Tagelöhner in Nachkriegsberlin durch. In den 20ern gerät der »Baron« in Berliner Künstlerkreise und übernimmt 1928 die Geschäftsführung des Berliner Tangoetablissements »Lost Cabaret«.
Bruni d’Eduard
Bruni wird 1900 als Rita Schulze – Tochter des Maurers Fritz und der Reinemachefrau Gerda Rita Schulze – in Berlin-Pankow geboren. Rita träumt von der glamourösen Welt der Reichen und Schönen. Nach Beendigung der Volksschule verdient sie sich ihr Geld als Taschendiebin und verlässt ihr Elternhaus, um ein besseres Leben zu finden. Ein Besuch im Lichtspielhaus, wo sie das erste Mal bewegte Bilder sieht, ändert ihr Leben. Rita trifft die Entscheidung, fortan eine umwerfend tolle französische Schauspielerin zu sein und nennt sich selbst Bruni de Beauvoir. Sonderlich weit kommt sie mit diesem Plan allerdings zunächst nicht … bis zu dem Abend, an dem sie das Lost Cabaret betritt. Hier sieht sie ihre Chance, doch noch etwas zu erreichen.
Es dauert nicht lange, bis sie das Herz des »Barons« erobern kann. Dafür dauert es umso länger, bis endlich die Hochzeitsglocken läuten. Bei der Hochzeit kommt es zum Eklat, als Brunis ehemaliger Verehrer Horst mit seinen braunen Schlägern den Saal stürmt.
»Der Baron bin immer noch ich!«, ertönt es aus Ernst Eduards Kehle, bevor ein lauter Knall aus dessen langläufiger Pistole die Horst auf ewig zum Verstummen bringt. Die Zeremonie kann kurz darauf wieder aufgenommen werden und aus Bruni de Beauvoir wird Bruni d’Eduard. Fortan wird das Lost Cabaret regelmäßig von der Staatsgewalt – meist in zivil – observiert. Dass Bruni als »Rote Rita« noch eine weitere Identität aufzuweisen hat, soll selbst ihren engsten Vertrauten erst viel später offenbart werden …
Der mysteriöse schwäbische Garderobier Alexander H.
Alexander Heinrich Stemmle wird 1877 als achter Sohn des Dorfpolizisten Alexander Wilhelm Stemmle und der Schneiderin Elisabeth Sieglinde Trauf am Fuße der Schwäbischen Alb geboren. Ein eintöniges Leben als Kleiderpuppe seiner schneidernden Mutter im Wilhelminischen Reich scheint sein Schicksal zu sein. 1909 endliche zieht es ihn nach Friedrichshafen, wo er sich in der Zeppelin-Werft als Träger-Loch-Stranzer verdingt. In kriegswichtiger Industrie tätig, bleibt Alexander H. vom Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg verschont. 1924 gelangt er nach Berlin, wo er sich als Aushilfsarbeiter und Eintänzer durchschlägt … und scheitert. Bis er als Garderobier im Lost Cabaret mehr als ein Auskommen findet.
Josef Harlanski
Josef Harlanski wird 1899 in Warschau geboren. Nach den zermürbenden Erfahrungen als Soldat im Weltkrieg flüchtet sich Harlanski 1919 nach Berlin. Er schwärmt für das Kintopp und es gelingt ihm, als Hilfsarbeiter bei der Ufa in Babelsberg Anstellung zu finden. Hier arbeitet sich der verschrobene, aber fleißige Harlanski vom Handlanger beim Kulissenbau bis zum 3. Kameramann in Reserve hoch. 1927 lernt er bei Dreharbeiten Bruni kennen, die als Statistin in Babelsberg ihr Glück versucht. Sie holt ihn ein Jahr später ins Lost Cabaret, um mit seiner Hilfe einen gefälschten Wochenschaubericht über die verschwundene Miss Daisy zu inszenieren. Danach verliert man sich wieder aus den Augen. 1929 kehr Harlanski ins Cabaret zurück, um dort seinen »großen« Film zu drehen … denn in Babelsberg bleibt er immer der Kameramann der Reserve.
Max von Zimmer
Herr Max von Zimmer erblickt am 13. März 1898 in der Hansestadt Hamburg als Sohn der »von Zimmers« das Licht der Welt. Wenn auch unter verarmten Verhältnissen aufwachsend, verspricht die Zugehörigkeit zum Adelsstand hervorragende Voraussetzungen für Bildung und Benimm. Seinem musikalischen Talent verdankt er die Stellung als Militärmusikkapellmeister in Reserve, in der er den Weltkrieg überdauert. Seine Fähigkeit, andere Menschen emotional mitzureißen, bringt ihm schließlich die Stellung des Chef-Claquers im großen Schauspielhaus des Erik Charell ein. Ein Verhältnis mit der Schauspielerin Marie Magdalene Dietrich führt jedoch zum Bruch mit Charell und Herrn von Zimmer ins Lost Cabaret.
Stephan Wuthe
Um das genaue Geburtsdatum des Tanzmeisters Walter Carlos – Créateur der Tänze »Charleston« und »DeTa« sowie Erfinder der Schrittschemata in Druckform – ranken sich unzählige Gerüchte, wie auch um die Erfolgsaussichten im nicht endenden Rechtsstreit mit Frau Josephine Baker ob der Urheberschaft des Charleston-Schrittes. Aus Überdruss des öffentlichen Aufsehens und um sich vor der Vereinnahmung nationaler Tanzdilletanten zu schützen, ist Walter als »Schallplattenunterhalter Stephan Wuthe« im Lost Cabaret abgetaucht und zeichnet sich fortan als Verantwortlicher des Tanzvergnügens im Etablissement.
Bauchladenfräulein Tilli
Mathilda Borgwardt wird 1908 als eines von sieben Kindern in dem malerischen Ort Domsühl im schönen Mecklenburg-Vorpommern geboren. Dort hat ihr Vater Frieder einen kleinen, aber gut gehenden Hühnerbetrieb. Nach kurzem Besuch der Volksschule hilft sie ihrer Mutter in der Bewirtschaftung des Hofes und beim Brennen des hausgemachten Quittenschnapses. Auf Betreiben ihrer Mutter beginnt Tilli eine Brieffreundschaft mit einem jugendlichen Herrn P. aus Berlin. Als sie seiner Einladung in die Metropole folgt, um sich – wie er schreibt »um Tilli zu kümmern« – ist ihre Mutter froh und glücklich, ein Mundwerk weniger stopfen zu müssen. Tilli reist in die große Stadt und findet sich als Bauchladenfräulein im Etablissement des Professors, im Lost Cabaret wieder.
Nora Menzen
Der Professor
Der Professor ist der mysteriöse Impresario des Lost Cabaret. Aus dem Hintergrund agiert er und mittels eines elektromagnetischen Abspielgerätes – dem sogenannten Monokelphon – spricht er zu den Gästen von seinem »großen Plan«. Ihm geht es um Macht und die Manipulation der Gesellschaft. Das Lost Cabaret ist sein ganz persönliches Sammelbecken für Vergnügunssüchtige, Gestrandete und Einsame im dunklen Herzen der Metropole. Niemand hat ihn je zu Gesicht bekommen und doch ist er in aller Munde. Ein Nervenarzt auf Seelenfang, auf Abwegen, jenseits des glitzernden New York Europas.
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Ehemalige des Lost Cabaret
Die Eduards
Ein Jazzensemble, bestehend aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug, welches sich speziell fĂĽr das Lost Cabaret formiert hat.
Klavier: Uri Gincel
Bass: Andy Lang
Schlagzeug: Eric Vaughn
Kassenfräulein Erika
Erika Kohut wird Ende des 19. Jahrhunderts als eine von zweieiigen Zwillingen geboren. Sie versteht sich als Dame der gehobenen Gesellschaft, stand aber bislang lediglich in deren Diensten; unter anderem als Empfangsdame im Adlon. Ihr Sinn für Sitte und Anstand wird ihr zum Verhängnis, als ein Gast sie bittet, ihm eine »Bordsteinschwalbe« zu vermitteln. Kurz darauf findet sie eine neue Anstellung als Modell bei Chanel. Doch schon bald gibt es Streit, als Erika es wagt, die Entwürfe der Chanel zu kritisieren. Das »Kleine Schwarze« ist eigentlich eine Idee von Erika gewesen, doch Madame Coco wirft sie im März 1927 kurzerhand hinaus. Über die Zeit von da an bis zur Anstellung im Lost Cabaret schweigt sich Fräulein Kohut aus …
Tanja Homut
Lady Iris
Mutmaßlich in der Nacht vom 30. April 1899 geboren, wird Ramona am Morgen des 1. Mai, in einen Leinensack gehüllt, in Schäßburg – der Perle Siebenbürgens – auf dem Burgplatz, unweit des Stundenturm, aufgelesen. Sie wächst bei einer alten Zigeunerin auf und schon früh zeigt sich ihre Gabe als Seherin. Um einer Verfolgung durch die abergläubische Bevölkerung zu entgehen, schickt die Zigeunerin ihr Findelkind im zarten Alter von zwölf Jahren mit einem Zirkus auf Wanderschaft. Hier erlent sie die hohe Kunst der Wahrsägerei und feiert erste Erfolge als Lady Iris. In den Wirren des ausklingenden »großen Krieges« gerät sie über Budapest und Wien nach Berlin, wo auch sie im Lost Cabaret nach langen Irrwegen endlich eine neue Heimat findet.
Die Königin der Nacht
Anita gilt Anfang der 20er Jahre als eine der Tänzerinnen in Berlin. Über ihre Kindheit schweigt sie sich aus und der Verlust ihres Tanzpartners Seb sowie die sich darauf häufenden Exkursionen in die Welt der Spirituosen führen schließlich zu einem längeren Aufenthalt zur Entwöhnung im Sanatorium Sankt Absinthus. Hernach wieder im Lost Cabaret erfolglos auf der Suche nach dem Tanzstil, nach einem reichen Mann und einem ordentlichen Drink, wechselt sie bald darauf zur Konkurrenz ins Eldorado.
Bauchladenfräulein Michaela
Das Bauchladenfräulein Michaela entstammt der Kaufmannsdynastie Kretschmaninov, einem Kurzwarenimperium aus dem ehemaligen St. Petersburg. Sie wird 1898 in St. Petersburg geboren und wächst in gut situierten bürgerlichen Verhältnissen auf. Während des russischen Bürgerkrieges flüchtet die Familie vor der Verfolgung durch die Bolschewiki und strandet in Berlin. Nach kurzer Zeit etabliert man sich mit Zündhölzern und Strumpfsocken direkt aus dem Bauchladen heraus. Doch schon bald erkennt Michaela, dass die vergnügungssüchtige Meute Berlins nach anderem dürstet: Strumpfhalter, Daumenkintopp, Puderdosen und selbst gebrannten Absinth.
Michaela
Kretschmann