Das Produktionstagebuch

Die Treppe

Die Treppe Making of 1
VorproduktionDreharbeitenPostproduktionDie Kür
Die erste Idee für Die Treppe habe ich im November 2004. Ich fahre mit dem Zug von Alzey nach Mainz, habe jedoch vergessen mir ein Buch oder Musik mitzunehmen. Einige Zeit zuvor hatte ich ein Bild vor meinem inneren Auge. In dieser Szene stößt ein Mann mit seinem Hintern die Tür zu einem Treppenhaus auf. Er betritt dieses in gebückter Haltung und zieht eine Leiche hinter sich her. Die Leiche ist mit einer Handschelle an ihn gefesselt …
Ich erinnere mich im Zug wieder an dieses Bild und frage mich, wie es zu solch einer merkwürdigen und offensichtlich unangenehmen Situation kommen kann. Nach 45 Minuten Zugfahrt weiß ich warum. Die Idee zu »Die Treppe« ist geboren.
Am 18. Januar 2005 beende ich das Drehbuch. Mittlerweile ist klar, dass ich »Die Treppe« zusammen mit meinem Freund Alex Richter verfilmen möchte, der sowieso Kameramann werden will. Wir nutzen den erfreulichen Anlass – »Drehbuch ist fertig!« – um die Tupamaros Film Productions zu gründen. Außerdem können wir direkt unseren ersten Schauspieler anwerben: Andreas Kneller – Alex’ Mitbewohner und einer unserer besten Freunde – soll den toten Streifenpolizisten spielen.
Alex fertigt zunächst einige Storyboardzeichnungen an. Da wir jedoch bereits unseren Drehort zur Verfügung haben, erleichtern wir uns bzw. Alex die Arbeit, indem wir Fotostoryboards machen.
Am 4. April 2005 versuche ich mein Glück und werfe den erfahrenen Theaterschauspielern Jörg Germann und Gerry Jansen mein Drehbuch in den Briefkasten. Um ehrlich zu sein, habe ich keine großen Hoffnungen, eine Zusage zu bekommen. Aber siehe da: Direkt am nächsten Morgen werde ich von Jörg per Telefon geweckt. »Hallo, ich wollte nur sagen: Ich bin dabei.«
Am 21. April bekomme ich von Gerry eine E-Mail mit der gleichen Nachricht. Hammer! Eine Absage bekomme ich aber doch noch: die Rolle des Schatz' bleibt vorerst unbesetzt.
Allerdings offenbart sich nun ein Problem: »Die Treppe« – ursprünglich als amateurhaftes kleines Projekt geplant, um mich bei Filmhochschulen zu bewerben – hat nun auf einmal professionelle Schauspieler vor der Kamera. Jetzt benötige ich auch hinter der Kulisse Leute, die wissen, was sie tun. Die Suche beginnt.
Kurz darauf muss mir Andreas Kneller, der »alte Studentekopp«, aus zeitlichen Gründen absagen. Ein neuer toter Streifenpolizist muss her. Nach einigem Überlegen stoßen Alex und ich – eher durch Zufall – auf Martin Ihm, der schon in mehreren Musikclips von Alex mitwirkte: Alex und ich sitzen gerade am Computer und rätseln, wer denn Andi Kneller ersetzen könnte, als gerade ein Videoclip von Alex, mit Martin in der Hauptrolle, über den Bildschirm flackert. Ich muss lachen und … Martin ist unser neuer toter Mann! Den Namen »Andreas Kneller« behalten wir jedoch – in Gedenken an unseren, während der Dreharbeiten über Sozialpädagogik referierenden Freund – bei. Die weibliche Rolle soll inzwischen Gerry Jansens Frau Tina übernehmen.
Am 4. Mai ist es dann soweit: Ich treffe mich erstmals mit meinen Schauspielern – oder auch nicht: Gerry, aus Frankfurt kommend, steht im Stau und kommt eine halbe Stunde zu spät; Jörg Germann irrt sich im Tag. Ein voller Erfolg …
Am darauffolgenden Tag bekomme ich eine Mail aus München. Holger Breiner (SFX-Factory) antwortet auf meine Anfrage, das Kostüm für den toten Polizisten zu »behandeln« und den Kopfschuss zu inszenieren. Holger und seine Assistentin Jessica Schmitt sind von nun an mit an Bord! Zudem wagen wir uns heute an eine Wiederholung des Cast-Treffens: diesmal wirklich erfolgreich!
Mein Versuch, über Rheinhessens Offene Kanäle Kameras zu mieten, gestaltet sich weit schwieriger als erwartet. Entweder sind sämtliche Kameras bereits vermietet oder die entsprechenden Offenen Kanäle besitzen nicht den gewünschten Kamera-Typus. Andere Vereine wollen mir keine Kameras ausleihen, weil »Die Treppe« nicht pädagogisch wertvoll genug ist …!? Also wirklich … wie sind die denn drauf?
Wo bekomme ich nun also zwei Kameras her, die auch etwas taugen? Immerhin finde ich einen professionellen Beleuchter: Heinz Backenköhler ist 75 Jahre jung und hat bereits 50 Jahre Berufserfahrung als Kameramann beim ZDF. Lustiger- und glücklicherweise zeigt sich Heinz Backenköhler sehr erfreut über das Drehbuch und die Storyboards: »Schön makaber.«
Eine Sorge weniger …
Ursprünglich war für »Die Treppe« noch eine Split-Screen-Kamerafahrt geplant. Hierfür wollte ich Schienen anfertigen lassen. Also fahre ich ins saarländische Homburg und treffe mich dort mit Alex Sassos, einem Freund und Kollegen meiner Schwester Andrea. Alex versucht nun – über Wochen hinweg – schwebende Kameraschienen mit zwei Kurven zu basteln. Hierfür belagert er den Homburger Baumarkt um dort – »kostengünstig« – zu basteln. Leider müssen wir jedoch den Plan mit der Schiene verwerfen.
Ende Mai fahren Alex und ich zum Shoppen nach Mainz. Nach sieben Stunden »Meenzer City« können wir folgende Einkäufe vorweisen: drei Trenchcoats, wovon ich zwei nach dem Dreh glücklicherweise unbenutzt – also ohne Blutflecken darauf – wieder zurückbringen kann, ca. 190 cm² Vliessto und eine Jalousie. Im Internet bestellen wir uns noch zwei Kameras (Canon XM-2). Das ist viel Geld, aber auch eine Investition für weitere Filme. Irgendwie muss man sich die Ausgaben ja schön reden. Ist dies der teuerste Tag meines bisherigen Lebens!? Ich denke schon …
Die Alzeyer Spedition Klamberg erweist sich als äußerst hilfreich und erklärt sich bereit, den wahren Mörder unserer Geschichte zu stellen: Thorsten Klamberg fährt den LKW. Zudem haben die Klambergs ihr Haus an die perfekte Stelle gebaut: am Rande von Alzey, wohin sich nur wenige Menschen verirren und es nur wenig Straßenbeleuchtung, etwas Industrie und null Verkehr gibt.
Mittlerweile konnten wir auch GEMA-gebührenfreie Musik finden. Die saarländische Hardcoreband Massick – sowieso eine meiner Lieblingsbands – erlaubt mir, Lieder aus ihrem Repertoire auszusuchen. Wie ich lustig bin darf ich Songs auswählen und kostenfrei verwenden. Was für eine coole Band! Ich habe mich schon vor der Zusage und dem tollen Angebot der Band für »Zur falschen Zeit« als unser Vorspannlied entschieden. Denn Streifenpolizist Andreas Kneller und unser »kaltblütiger« Protagonist sind in genau dieser Situation: zur falschen Zeit, am falschen Ort.
Etwa eine Woche vor Drehbeginn basteln Alex und ich unsere sogenannten »Hochziehbretter«. Diese sollen es Martin – und später dann auch Jörg – ermöglichen, auch nach dem Dreh ihre Wirbelsäule nutzen zu können.
Speziell Martin jedoch, der zwei Tage quasi ununterbrochen auf seinem Brett liegen wird, wird am Ende der Dreharbeiten der Rücken erheblich schmerzen. Der weitere Nutzen dieser Bretter besteht darin, Gerry beim Hochziehen der Leichen behilflich zu sein: Versuche mal zwei Männer an ihren Händen eine Treppe hinauf zu ziehen …
An jedes der Bretter kann man ein Seil befestigen. Als Gerry also die zwei Leichen hinter sich herzieht, sind nicht nur seine Muskeln, sondern auch die von unserem SFX-Artist Holger im Spiel, der – oben stehend – Gerry beim Hochziehen der toten Polizisten hilft.
Sechs Tage vor Drehbeginn fehlt uns noch ein zuverlässiger Tontechniker. Den Unzuverlässigen habe ich aufgegeben. Die Filmjobbörse auf der Website von Crew United ist mir bei der Suche nach einem neuen Tontechniker eine große Hilfe. Ich inseriere im World Wide Web und nur 30 Minuten später klingelt das Telefon: Marc Schneider … aus dem Nachbarort!
In Wiesbaden-Nordenstadt und in Ingelheim bekomme ich das benötigte Ton- und Lichtequipment für einen sehr, sehr guten Preis vermietet. Fehlt eigentlich nichts mehr. Dann jedoch, fünf Tage vor Drehbeginn fällt Gerrys Frau Tina aus gesundheitlichen Gründen aus: Kein Schatz, kein Film. Gerry jedoch, wie immer ganz cool, meint nur: »Ich kenne genug Leute, die mir noch einen Gefallen schulden oder einfach auch nur Zeit und Lust haben.«
Sein Vorschlag: Ariane Klüpfel.
Am 2. Juni 2005 empfangen Alex und ich Gerry, Jörg, Martin und Ari zum ersten Mal am Set: das Treppenhaus des Hauses, welches ich zurzeit mit meiner Freundin Rebekka bewohne. Vor Ort gehen wir gemeinsam das Drehbuch durch und machen die Kostümprobe. Ari, die ich heute zum ersten Mal sehe, passt perfekt in die Rolle der keifenden und frustrierten Freundin unseres trotteligen Unschuldslammes. Auch Gerry und Jörg passen genau so in ihre Rollen, wie ich es mir erwünscht habe. Gerrys urkomische Mimik und Betonung einzelner Worte und Jörgs dominante Stimme und seine famos dargestellte Genervtheit bereiten bereits bei den Probedurchläufen einen großen Spaß.
Den letzten Tag vor den Dreharbeiten verbringen Alex und ich damit, noch einmal sämtliche Kameraeinstellungen durchzugehen. Wir stehen unter einem gewissen Zeitdruck, da das meiste Equipment nur gemietet ist und Gerry nur zwei Tage in der Woche nicht auf seiner Theaterbühne im Gerry-Jansen-Theater Alzey steht. Genau in diesen zwei Tagen, einem Montag und einem Dienstag, müssen wir »Die Treppe« abgedreht haben.

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Unser erster Drehtag ist der 6. Juni 2005. Wir beginnen um 11 Uhr. Den ersten Take drehen wir um 12:45 Uhr. Die letzte Schlussklappe setzen wir um kurz nach Mitternacht bem Außendreh in Alzey: Szene 28, Take 2. Knappe 13 Stunden harte, aber unglaublich schöne Arbeit liegt nach dem ersten Drehtag hinter uns.
Doch damit noch nicht genug! Miu, der Kater der Familie meiner Freundin, verweigerte während der Dreharbeiten jede Zusammenarbeit, sodass wir sogar eine alternative Szene drehen mussten, in der das Blut ohne das Zutun eines Vierbeiners aus Martins Bauch fließt. Nachdem wir nach Mitternacht von unserem Außendreh nach Hause kommen, bemerkt unser SFX-Holger eine Katze auf der Straße: perfekt für unsere Zwecke. Geschickt locken wir das ahnungslose Tier in unser Treppenhaus. Nun wird Streifenpolizist Martin noch einmal schnell geschminkt und ich werde zu Gerrys Bein-Double. Und was für ein Glück: Trotz größtem Lampenfieber und einiger Irritationen bezüglich des ungewöhnlichen Fressnapfes knabbert die Katze, deren Name uns unbekannt bleibt, aus Martins Bauch, sodass wir die Katzenszene doch noch mit in den Film aufnehmen können. Sogar die alternative oder zusätzliche Szene können wir noch verwenden. Nun scheint es so, als ob die unbekannte Katze durch ihren Menschenfleischgenuss ein bluttriefendes Loch in den Bauch unseres toten Polizisten gerissen hat. Lässig!
Der zweite Drehtag – der 7. Juni 2005 – beginnt wieder um elf Uhr. Diesmal benötigen wir jedoch nur knappe zehn Stunden. Innerhalb von zwei Tagen und 23 Stunden Arbeit ist »Die Treppe« – bis auf zwei klitzekleine Sequenzen, die wir im Juli nachdrehen müssen – komplett im Kasten.
In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni feiern Kameramann Alex Richter, der echte Andreas Kneller, Tonassistent Jona Mink und ich erst mal leise am Rhein das Ende der Dreharbeiten. Danach fangen Alex und ich direkt mit dem Schneiden des Films an. Über Wochen hinweg verbringen Alex und ich Tage und Nächte vor dem Computer.
Nachdem wir in den letzten Tagen fleißig die Werbetrommel für unsere Weltpremiere am 5. Juli 2005 gerührt haben, mieten wir am 4. Juli dann auch mal einen Raum im Haus der Jugend in Mainz an. Besser sehr, sehr spät, als nie. Es wird noch der letzte Feinschliff vorgenommen und dann ist der Film fertig! Der kurz angedachte Feinschliff zieht sich dann aber doch noch über den gesamten Tag, wodurch »Die Treppe« erst knappe drei Stunden vor der Premiere fertig wird. Uff, das war knapp … Glück gehabt! Um 21 Uhr wird vor knapp 100 bis 120 Zuschauern Weltpremiere gefeiert.
2005 und 2006 hat der Film mehrere öffentliche Screenings, bevor dann am 15. März 2007 die »Die Treppe« auf DVD beim Major-Label e-m-s erscheint.

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