Tag 21: Tauchen am Boonsung Wreck

Curry-Competition

Igelfisch

Dienstag, 16. März 2010
Khao Lak

Früh am Morgen geht es los. Außer Schwaben-Micha himself und mir betauchen noch Simone und Klaus aus Halle (beide so um die 50) das alte Zinnabbau-Wrack.
Zunächst fährt uns Michael zum Longtail Boat, das einige Kilometer außerhalb von Khao Lak an einem Strand liegt. Das Wrack, das sich seit 1983, meinem Geburtsjahr, unter Wasser befindet, ist mit dem Longtail in einer guten halben Stunde zu erreichen. Wie auch schon auf Koh Tao bewundere ich den thailändischen Bootsführer, wie er ohne GPS oder andere Hilfsmittel wie massenhaft gesetzten Bojen beispielsweise eine versunkene Plattform, die in 18 Metern Tiefe, mitten im blauen Ozean liegt, finden kann.

Michaels Briefing vor dem Tauchgang informiert uns darüber, dass der Tsunami, der vor etwas mehr als fünf Jahren quer durch den Indischen Ozean bis an Thailands Ufer gewütet hat, das Wrack in drei Teile gerissen hat. Klaus aus Halle erzählt von einem Bekannten, der während des Tsunamis tauchen war. Als die Welle über ihn drüber fegte, schaute er gerade auf seinen Tauchcomputer, der von einer Sekunde auf die nächste von 20 Metern auf 30 Meter als momentane Tiefe wechselte. Ich wiederum erinnere mich an die Meldungen, dass jene, die während der Katastrophe tauchten, nahezu unversehrt geblieben sind und es keine tauchenden Todesopfer gab. Ich frage daher Michael, der den Tsunami damals in Khao Lak erlebte, ob denn das Wrack betaucht wurde, als der Tsunami darüber hinweg rollte. Er hat keine Ahnung und erklärt uns, dass es für die Taucher lediglich mal kurz wie in einer Waschmaschine gewesen sein muss und sie nur darauf achten mussten, nirgends dagegen zu schlagen, damit sie nicht ohnmächtig werden. Ansonsten: Lungenautomat im Mund behalten und schon passiert nichts. Wie das mit der Körperbeherrschung funktionieren soll, wenn man an nichts Böses denkend plötzlich gemeinsam mit einem Zinnmienenbagger von einer Riesenwelle umhergeschleudert wird, entzieht sich meines geistigen Horizonts.
Michael selbst »war nicht im Wasser«, sondern in der Tauchschule, in der er damals arbeitete, die sich an der sicheren, weil höher gelegenen Hauptstraße befand. Ob seine Tauchschule damals ein Boot draußen hatte, weiß er nicht mehr. Also, ich erinnere mich noch genau, was ich am 11. September 2001 getan habe, obwohl ich weder in New York war, noch jemanden kenne, der irgendwie Bekannte, Freunde oder Familienmitglieder in einem der Türme oder Flugzeuge sitzen hatte. Michael war mitten in der größten Naturkatastrophe der letzten Jahrzehnte und weiß noch nicht einmal mehr, ob seine Tauchschule damals ein Boot auf dem Meer hatte? Traumatisiert wirkt er ganz nebenbei in keiner Weise. Ich werde einfach nicht schlau aus dem Kerl.
Hier hat sich so viel Fisch angesammelt, weil es weit und breit kein Riff gibt. Drumherum befindet sich ausschließlich Sand, weswegen die Sicht nicht immer allzu gut ist. Heute ist die Sicht beim Abstieg auch nicht optimal. Das Wrack und den Boden kann man erst in gut fünf Metern Tiefe erahnen. Am Wrack angekommen, geht es los: Dieser Tauchplatz erschlägt mich! Es ist nicht nur so, dass an manchen Stellen »Fischsuppe« wirklich das passende Wort ist: Man ist eingeschlossen! Hunderttausende Fische der verschiedensten Couleur sind um uns herum. Die Sonne ist stellenweise nicht mehr zu sehen. Das ist verrückt! Grandios!
Außer den Massen an Fisch gibt es hier unten auch noch eine hohe »Qualität« an Tieren: Rotfeuerfische, Hunderte (!?) Muränen, unter anderem auch wunderschöne Netzmuränen, Zacken- und Streifenbarsche ohne Ende, Nacktschnecken (Gift-Warzenschnecken, Sternschnecken etc.), massenhafte (friedlich entspannte) Drückerfische, unzählige Kugel-, Igel- und Krugfische, ein Fetzengeisterfisch, Drachenköpfe, zwei unglaublich große Oktopusse, Garnelen, Krebse … einfach alles! Lediglich Großfische fehlen heute. Aber: Nach diesen beiden Tauchgängen bleibt kein Wunsch mehr offen. Was für ein Tauchplatz …

Als ich vom Tauchen begeistert und von Sonnenbank-Michaels Art genervt wieder zurück nach Khao Lak komme, nutze ich die Zeit, die ich von Rebekka getrennt bin, um eine kleine Überraschung für sie vorzubereiten: Wir haben morgen unser 10-Jähriges!
Ich schleiche mich zu den Fun Divers und lerne die dort angestellte Alex kennen. Die findet meine Idee, Rebekka mit irgendetwas Romantischem zu überraschen, dufte, kann aber keine Geige spielen. Damit wäre Plan A geplatzt. Plan B wäre das romantische Dinner und das scheint auch zunächst schwierig zu werden, da es auf den Similan Inseln keine Restaurants gibt. Dafür begeistert sie mich mit einer Information, die kein Restaurant der Welt uns morgen bieten könnte: Wir sind alleine auf dem Boot! Keine weiteren Tauchgäste! Uuaaaaaaah!!! Wie geil ist das denn?! Und wie kann man nur so viel Glück haben!? Ich renne also in den Supermarkt, schnappe mir eine Flasche Sekt und stelle fest, dass das komplette Geld bei Rebekka ist. Oh, fuck. Verschämt grinsend gehe ich also zurück zur Fun Diverin Alex und frage sie, ob sie mir Geld leihen könnte beziehungsweise meine Rechnung mit dem entsprechenden Betrag zusätzlich belasten würde. Kein Thema. Wenige Minuten danach stehe ich mit der Sektflasche wieder da und lasse sie im Geheimen von den Fun Divers mit an Bord nehmen. Das geliehene Geld reicht noch für ein kleines Geschenk. Die Verkäuferin fragt mich, ob ich das Armband für meine Freundin kaufe. Dies bejahe ich und erkläre stolz, dass wir morgen bereits seit zehn Jahren ein Paar sind. Sie bemerkt selbstverständlich mein jugendliches und frisches Aussehen und ist überrascht, wenn nicht sogar geschockt. Ob wir denn nicht verheiratet seien, möchte sie wissen. Diesmal reagiere ich wohl etwas geschockt und winke ab. Sie mustert mich und stellt dann vollkommen richtig fest, dass meine Freundin sehr glücklich sein muss. Yeah, Baby. Zum Armband schenkt die nette und offensichtlich sehr intelligente Verkäuferin mir beziehungsweise Rebekka noch einen Ring zum Jubiläum. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich zum x-ten Male wiederhole: Hier sind alle so unglaublich nett!
Später spazieren Rebekka und ich erstmals zum Strand hinunter. Das ist indessen gar nicht so einfach, wie man es vermuten würde. Irgendwie führt kein Weg von der Hauptstraße oder Khao Lak Center, wie es auch heißt, runter zum Strand. Entweder man läuft in ein Resort rein und steht plötzlich vor einer Mauer oder es geht in Hinterhöfe hinein. Sehr merkwürdig. Wir fragen dann ein lustig grinsendes Pad-Thai-Verkäufer-Pärchen, die uns auch sofort behilflich sind und uns den Weg beschreiben.
Zehn Minuten später stehen wir am kilometerlangen weißgelben Strand von Khao Lak. Dass hier vor fünf Jahren solch eine Katastrophe geschehen ist, kann man sich einfach nicht vorstellen.

Es gibt aber durchaus Anzeichen: Sämtliche Häuser hier unten sind offensichtlich neu. Auf dem Weg zum Strand sind wir an einer brachen Fläche vorbeigelaufen, die mit jungen Palmen wieder aufgeforstet wird und ein einstöckiges Reihenhaus für thailändische Arbeiter direkt daneben ist ganz offensichtlich ebenfalls ein Neubau. Drei Kilometer entfernt von hier wurde ein Denkmal errichtet und ein Polizeiboot, welches einen Kilometer weit ins Land gespült wurde, steht noch an der Stelle, an die es die Riesenwelle katapultiert hat. Wir werden aber vermutlich keine Zeit haben, uns diese Erinnerungsorte anzusehen.
Trotz der lauten Straße, der vielen (seltsamerweise hauptsächlich älteren, deutschen und skandinavischen) Touristen und der schlimmen jüngsten Geschichte: Khao Lak gefällt uns ganz gut, wobei wenige Tage hier vollkommen ausreichen. Länger und der »Mallorca-Charme« würde dann doch etwas anstrengend sein.
Jetzt freue ich mich auf morgen: Ich tauche an einem der schönsten Tauchplätze der Welt und habe seit zehn Jahren meine Rebekka …

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