Tag 36: Der Charme Kanchanaburis

Curry-Competition

2010 03 31 06.19.41

Mittwoch, 31. März 2010
Kanchanaburi

Hier krabbelt etwas! Wir drehen das Licht an und finden uns in einem Bett aus Käfern wieder. Schlagartig juckt es uns überall. Vollkommen angeekelt stehen wir vor dem Bett, in dem es von Käfern der verschiedensten Größe und Couleur nur so wimmelt. Buah!
»Ähm … da will ich mich nicht mehr reinlegen«, unterbreche ich irgendwann die Stille der Fassungslosigkeit.
Unser Zimmer befindet sich auf einem Floß, das auf dem River Kwai liegt. Dass wir hier womöglich ein Mückenproblem bekommen könnten, war uns bewusst. Mit Bettwanzen oder -flöhen oder was auch immer das für Viecher sind, haben wir aber nicht gerechnet.
Es ist halb fünf in der Nacht und ich habe wenig Hoffnung noch jemanden vom Guesthouse an der Rezeption anzutreffen. Zu meiner Überraschung sitzt jedoch noch eine ganze Gruppe vor der Rezeption. Ein Ladyboy empfängt mich mit: »Where you go?«
»Is anyone of you working here?«, frage ich zurück. Die Gruppe besteht aus Italienern und dem Ladyboy. Alle zeigen auf den auf einem Stuhl schlafenden Sicherheitsmann, der uns um Mitternacht empfangen und uns das Käferzimmer zugewiesen hatte. Der Mann ist sofort wach und ich beklage mich übermüdet und genervt, dass unser Bett »full of bugs« ist. Wie zu erwarten, versteht der Thai nicht viel Englisch und ich zeige ihm mit Krabbelbewegungen der Finger und Kniffen in meinen Unterarm, was sich in unserem Zimmer abspielt. Sonderlich überrascht reagiert er nicht und sagt mir, dass ich ihm folgen soll. Der Mann von der Security steuert zielstrebig das Hausfloß und unser Zimmer an. Rebekka und ich zeigen ihm die Massen, die auf unserer Matratze herumkreuchen. Erneut reagiert der Mann erschreckend nüchtern und teilt uns auf recht rüde Weise mit, dass wir ihm folgen sollen. An Nettigkeit hat der Mann schon von Anfang an gespart. Der Nachtwächter führt uns in ein anderes Zimmer auf demselben Floß. Dass es dort auch Käfer haben wird, ist uns sofort klar. Zum Glück zeigt sich auf dem Bett auch bereits ein Exemplar, als wir hereinkommen. In dem Zimmer, in dem wir uns gute vier Stunden die Matratze mit dem Ungeziefer geteilt haben, kamen die heimtückischen Krabbeltiere erst im Schutze der Dunkelheit hervor. Wir zeigen dem angepissten Sicherheitsmann den Käfer, der mich daraufhin wieder mit zur Rezeption nimmt, wo einer der Italiener, gute 60 Jahre alt, gerade mit dem Ladyboy, höchstens 25, auf sein Zimmer verschwindet. Ich teile dem Thai mit, dass wir sein Etablissement verlassen werden und gerne unser Geld zurück hätten. Er versucht es noch einmal mit einem anderen Zimmer und schaltet auf Durchzug, als ich ihm auf dem Weg dorthin bereits ununterbrochen: »No. No, thank you. We want to leave!«, in den Rücken schmettere. Im Zimmer schalte ich wieder auf Zeichensprache: »We«, ich deute auf Rebekka und mich, »want to leave«, Zeige- und Mittelfinger marschieren durch die Luft. »Give us our money back.« Der Daumen reibt die Kuppen von Zeige- und Mittelfinger, bevor die Finger zusammengedrückt auf meine Brust deuten. Damit durchstoße ich sein Herz.
»Noooo«, stöhnt er.
»Yes.« Ich nicke überdeutlich wie ein Kamel, damit er auch ja versteht, dass wir hier nicht bleiben werden. Gleich weint er los: »Ohooo.«
Die Taktik kennen wir. Jetzt bloß nicht nachgeben: »Give us our money back.«
Er blickt uns fragend an, während wir das Zimmer verlassen und die Rezeption ansteuern. Er folgt uns. Die zwei an der Rezeption verbliebenen Italiener kommen gerade vom Zimmerfenster des Ladyboyknatterers zurück und lachen sich kaputt. Da hat wohl jemand vergessen, die Gardine vorzuziehen, was aber sofort nachgeholt wird, wie ich Sekunden später bemerke. Der Sugar-Cane-Sicherheitsmann tut noch immer so, als verstünde er nur Bahnhof. Zu unserem Glück kann tatsächlich einer der Italiener Thailändisch! In einer Mischung aus Erstaunen und Freude bitte ich ihn, zu übersetzen. Jetzt gibt es für den Nachtschichtler kein Entkommen mehr und wir erhaschen einen kleinen Blick hinter die Kulissen: Der Nachtwächter erklärt dem Italiener, dass er dem Tuk-Tuk-Fahrer 100 Baht Schleppergebühr gezahlt hat und uns deswegen nicht die kompletten 300 Baht zurückgeben kann.
»Das ist nicht unser Problem«, übersetzt der Italiener für uns. Das muss man sich auch erst mal geben: Eigentlich kostet ein Zimmer hier 200 Baht, wegen dem Taxifahrer müssten wir aber jeden Tag aufs Neue 100 Baht extra zahlen! Aus den Schleppergebühren der ersten Nacht wird also ein dreister Aufschlag für jede kommende Nacht. Wir sind heute übrigens zum ersten Mal »geschleppt« worden.
Der Sicherheitsmann bietet uns 200 Baht an. Das ist immerhin schon einmal ein Anfang. Die 200 Baht nehme ich an. Mehr hat er angeblich nicht, was ich ihm nicht glauben will, da er um Mitternacht ja bekanntlich 600 Baht bekommen hat: 300 von uns und 300 von der Holländerin, die noch in ihrem Käferbett schläft. Ob wir sie wohl besser wecken sollten? »Das Geld hat der Chef abgeholt.« Schwachsinn. Damit kommt er nicht durch. Das Spielchen geht noch einige Minuten so weiter, bis ich ihm einen Zettel vorlege, auf dem steht, dass wir noch 100 Baht vom Sugar Cane zu bekommen haben. Ich bitte ihn, den Brief zu unterschreiben, was er auch tatsächlich tut.
Wir ziehen ab. Wanzen und Flöhe waren es wohl keine, die da auf uns herumgekrabbelt sind. Zumindest juckt es nur aus Ekel, nicht aber aufgrund von Bissen.
Den Biss bekommt Rebekka dafür von jemand anderem: Ein nerviger kleiner Kläffer überfällt uns 50 Meter hinter dem Sugar Cane und beißt Rebekka in die Ferse! Was ist denn hier los?! Rebekka ist im Übrigen nichts passiert. Der Köter hat nur geknappt.
Die nächsten zwei Stunden verbringen wir vor dem 7-Eleven und warten bis die Hostels Kanchanaburis ihre Pforten um sieben in der Frühe wieder öffnen. Zu dieser Tageszeit saßen wir in Thailand bislang noch nicht auf der Straße, weswegen wir auch noch nie Folgendes beobachten konnten: Bettelmönche ziehen die Straße entlang … und zwar nicht zu wenige. Über einen Zeitraum von gut 30 Minuten kommen bestimmt zehn Gruppen von drei bis acht Mönchen vorbei, die von am Straßenrand wartenden Buddhisten mit Reis und Obst empfangen werden. Die Gläubigen schenken den Mönchen, die allesamt zwischen fünf und höchstens 30 Jahren alt sind, das mitgebrachte Essen und bekommen im Gegenzug ein Gebet in tiefer Stimmlage monoton vorgetragen.

Um sieben Uhr probieren wir es erneut im Jolly Frog. Die Chancen stehen gut, da wir bereits am frühen Morgen mindestens zwei Parteien auschecken sahen. Das Hostel öffnet pünktlich und wir bekunden, dass wir gerne ein Zimmer hätten. Geht klar, allerdings erst in einer knappen Dreiviertelstunde: Die Putzfrau muss noch sauber machen. Das klingt – nach dieser Nacht – sehr gut.
Wir frühstücken leckere Frühlingsrollen im sehr sympathischen Restaurant des Jolly Frog Guesthouses und bekommen dann unser neues, sauberes Zimmer im sehr hübsch angelegten Garten gezeigt.

Bevor wir uns ausschlafen, marschieren wir zum Ekelhostel in der Nachbarschaft und verlangen die restlichen 100 Baht zurück. Der Chef schläft noch, teilt uns die Rezeptionistin frech mit, woraufhin ich ihr mitteile, dass wir heute noch überhaupt nicht geschlafen haben, da ihr Hostel Käfer in den Matratzen hat. Das ist ihr egal und wir sollen später wiederkommen.
Als wir nach einigen Stunden zurückkehren, bekommen wir tatsächlich sofort und ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren die 100 Baht in die Hand gedrückt. Damit haben wir nicht gerechnet. Unser erneutes Auftauchen war eigentlich als ein letztes Noch-mal-auf-die-Nerven-Gehen geplant, um den Betreibern des Sugar Cane Guesthouses aufzuzeigen, wie ekelhaft es ist, Käfer in seinen Matratzen zu züchten.

Das Jolly Frog ist wirklich cool: Hübsche Anlage im Grünen mit schönem Blick auf den Fluss und ein nettes Restaurant mit guter und sehr preiswerter Speisekarte, wobei man unbedingt auf Nudelgerichte wie Pad Thai und Pad Siew verzichten sollte. Nudeln können die Köche im immer gut besuchten Restaurant nämlich überhaupt nicht kochen. Die Currys sind dagegen sehr gut und als Nachspeise können wir die Taro Balls in Coconut Cream empfehlen. Hmm … pappsüß, aber so gut!
Der Charme Kanchanaburis erreicht uns dagegen irgendwie so überhaupt nicht. Man hat uns Kanchanaburi bereits zweimal wärmstens empfohlen, bislang fühlen wir uns aber eher so, als hätten wir die Pub Street in Siem Reap gegen die Puff Street in Kanchanaburi eingetauscht: Am Abend verwandelt sich das Touristenviertel am Fluss in ein reines Rotlichtviertel. Neben den in quasi jedem Restaurant und in jeder Bar anzutreffenden weiblichen und transsexuellen Prostituierten macht noch der Straßenverkehr Kanchanaburi zu einem ziemlich anstrengenden Ort. Ich habe an sich kein Problem mit Prostitution, solange es sich natürlich nicht um Zuhälterei oder Zwangsprostitution handelt. Wenn ich aber im Jolly Frog sehe, wie ein über 70-jähriger Mann, nur mit Unterhose bekleidet, mitten am Tag bei offener Tür auf seinem Bett sitzt und sich ein höchstens 18- bis 20-jähriger kleiner Thai mit ebenso wenig Textilien am Körper auf dem Bett rekelt, finde ich die Atmosphäre Kanchanaburis eher abschreckend.
Auf Nightlife haben wir aufgrund des oben beschriebenen Klientels nicht wirklich viel Lust. Dafür kaufen wir uns in der Apotheke erstmals Elektrolyte. In Thailand gibt es in jeder Stadt das lokale Trinkwasser zu kaufen, das allerdings durch zig Filterprozesse völlig entmineralisiert ist. Für fünf Baht kann man sich die Mineralien in Pulverform kaufen und das Wasser somit selbst wieder mineralisieren. Außerdem schmeckt es dann auch nach Orange.

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