Tag 45: Die 800 Kurven nach Pai
Curry-Competition

Freitag, 9. April 2010
Chiang Mai – Pai
Laut Mong müssen wir Chiang Mai auf der nördlichen Hauptstraße verlassen und dann eigentlich nur noch geradeaus fahren. Klingt so, als könnten wir das hinbekommen. Gegen zehn geht’s dann mit dem geliehenen Roller los und wir sind im wuseligen Verkehrschaos von Chiang Mai.
Die Road hat ihren King zurĂĽck. Yeah, Baby!
Solch dichten Verkehr hatten wir in Koh Pha Ngan nicht, fährt man aber selbstbewusst, weitestgehend egoistisch und ohne Höflichkeiten, kommt man ganz einfach von Ampel zu Ampel durch. Allzu viele Farangs fahren nicht mit dem Roller umher. Dafür sind die Songthaews meistens mit Menschen westlicher Herkunft besetzt. An einer Tankstelle tanken wir den heißen Ofen noch kurz voll und schon geht es die ersten 20 Kilometer im nach und nach weniger werdenden Verkehr in Richtung Norden aus Chiang Mai heraus und ich kitzle bis zu 90 km/h aus dem Maschinchen heraus. Uh yeah.
Man muss auf dem Weg nach Pai tatsächlich nur sehr selten abbiegen: Seit unserem Guesthouse sind wir noch keine fünf Mal abgebogen, als wir zum letzten Mal für die nächsten gut 110 Kilometer die Straße wechseln. Ab sofort geht es nur noch geradeaus, wobei die letzten gut 90 Kilometer aus rund 800 Kurven Berg rauf und Berg runter bestehen. Halleluja.
Eine Gruppe kleiner Mädchen kommt bei einer kleinen Siedlung auf die Straße gelaufen und winkt uns zu. Es sieht so aus, als ob sie uns anhalten wollen. Hm? Was wollen die denn? Ist was passiert? Ich drossele die Geschwindigkeit. Kurz bevor wir die Mädels mit mittlerweile recht langsamer Geschwindigkeit erreichen, beginnen die Kiddies auf einmal breit zu grinsen und präsentieren uns unerwartet kleine Eimerchen, die sie hinter ihrem Rücken versteckt gehalten haben. Uns schwant, was nun passiert! Songkran steht vor der Tür! Ich gebe wieder Gas … doch es ist zu spät und wir werden ordentlich geduscht. Uff, Mister Joe hatte recht.
Solche Szenen wiederholen sich auf unserer Fahrt gute zehn Mal und so werden wir zwischendurch immer mal wieder mit Wasser erfrischt und durchnässt. Erwischt werden wir auch jedes Mal, da man bei den Wasserkindern immer abbremsen muss, weil die Straße so nass ist und wir nicht ins Schleudern geraten wollen. Außerdem sind Ladungen, die man mit hoher Geschwindigkeit abbekommt, schmerzhaft.
Die Strecke ist total geil. Man durchquert kleine Dörfer und Siedlungen, die aus höchstens 20 Holzhütten bestehen. Getränke, Essbares und Sprit kann man aber überall kaufen, was auch bitter notwendig ist, da es mal wieder wahnsinnig heiß ist und der Roller genauso viel Durst hat wie wir. Der Verkehr ist minimal und die Kurven teilweise echt krass. Außerdem wird auf der gesamten Strecke um uns herum der Wald brandgerodet. Wie das funktioniert, ohne dass der komplette Berg plötzlich in Flammen steht, ist uns ein Rätsel. Überall zwischen den Erhebungen sitzt der Rauch, der einfach nicht abzuziehen scheint. Die Aussicht ist dadurch stark eingeschränkt: Allzu weit sieht man von hier oben nicht. Die Brandrodung wird übrigens durchgeführt, damit der Wald bei der allgemeinen Trockenheit nicht unkontrolliert beginnt niederzubrennen.
Am Straßenrand ist eine heiße Quelle ausgeschildert. Die wollen wir uns mal anschauen. Nach sechseinhalb Kilometern auf einer von der Straße nach Pai abzweigenden kleinen Straße erreichen wir ein Kassenhäuschen!? Die heiße Quelle gehört leider zu einem Nationalpark und der Kollege hinter der Kasse will tatsächlich vier Euro pro Person haben. Die Karte ist dann zwar auch am heutigen Tag für alle anderen Sehenswürdigkeiten des Nationalparks gültig, aber so viel Zeit haben wir gar nicht. Schließlich wollen wir, möglichst noch vor der Dunkelheit, die 800 Kurven der Bergstraße zurück nach Chiang Mai wieder hinter uns gebracht haben. Die heiße Quelle ist somit also leider gestorben und der Kassierer will keine Ausnahme machen und uns mal kurz für fünf Minuten umsonst reinlassen. Schade.
Im Ortskern wird es dann aber zum Glück besser beziehungsweise sogar richtig schön. Zunächst trinken wir etwas im Yellow Peace of Pai, einer sehr stylish gebauten Bambusbar. Die Eingangstür des sich noch in der Fertigstellung befindlichen Hauses ist im Hobbingen-Stil angelegt, also groß und rund. In der Bar im ersten Stock gibt es keine Stühle, sondern ausschließlich Sitzkissen. Eine Front der Etage ist offen, weswegen man einen tollen Blick über den Fluss und das Tal genießen kann. Das Haus steht am nördlichen Stadtrand, weswegen die Aussicht (noch) nicht verbaut ist.
Nach der Erfrischung im Yellow Peace of Pai fahren wir tiefer in den Ort hinein. Hier finden wir endlich das Hippieflair, das durch Thaksins harten Anti-Drogenkurs, bei dem in kürzester Zeit massenhaft Dealer eingeknastet wurden, stark beeinträchtigt wurde. Heute wird in Pai vielerorts eher ein Cocktail geschlürft als Gras geraucht.
Der Magen knurrt gewaltig und so gehen wir ins Good Life Mittagessen. Das Good Life ist ein rein vegetarisches Restaurant mit Bio-Anspruch. Die Wände des Bambusrestaurants sind übersät mit Kübeln, in denen leuchtend grünes Weizengras gedeiht. Das frisch gepresste, gesunde Kraut kann man sich in Drinks mixen lassen. Hatten wir in Thailand noch nicht, also her damit. Die giftgrünen Shakes schmecken nach einem frischen Stück Wiese. Na, wenn das mal nicht muy gesund ist.
Gegen 17 Uhr treten wir den RĂĽckweg an.
Nach gut zwei Stunden auf der Bergstraße fahren wir auf einmal durch ein bestimmt drei bis fünf Kilometer langes Waldstück, das auf unserer Hinfahrt noch völlig intakt war, nun aber vollends niedergebrannt ist! An manchen Stellen schwelt das Feuer noch und der Rauch brennt in den Augen. Eine extrem seltsame und befremdliche Atmosphäre.
Als die Sonne untergeht, kommen die Insekten hervor, machen Krach und stürzen sich suizidal gegen unser Rollerlicht, unsere Gesichter und meine Brust. Wenn ab und an dann etwas Kinderfaustgroßes gegen meine Schulter oder meinen Hals platscht, ist das auch ganz schön eklig.
Zurück dauert es wieder gut vier Stunden. Neben dem Hintern schmerzen mir nun auch die Hände, speziell die rechte, mit der ich heute acht Stunden lang Gas geben musste. Das war ein anstrengender, aber auch verdammt cooler Trip. Im Giant spricht sich unsere Aktion dann auch recht schnell herum und Jamie bewundert uns: »The vegan ones are the toughest ones.«